Zwei ganz neue Gesichter

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. März 2018, Teil 9

N.N.

Oslo (Weltexpresso) - Eine andere Inspiration, die unweigerlich auftaucht, wenn es um junge Frauen und Telekinese geht, ist Stephen King. 

Natürlich, CARRIE oder auch DER FEUERTEUFEL. Sie sind fast wie griechische Mythen, in denen jemand versucht, sein wahres Schicksal zu verleugnen und sie müssen sich dem früher oder später stellen. Es sind Charakter-basierte Geschichten und er ist ein wunderbar menschlicher Autor.


Lassen Sie uns über das Casting sprechen und Ihre Entscheidung, zwei ganz neue Gesichter in den Hauptrollen zu besetzen.

Ich habe fast tausend junge Menschen getroffen für diese beiden Rollen. Als wir Eili trafen, wurde sehr deutlich, dass sie ein ungewöhnliches Talent ist. Die Mischung aus Reife und Unschuld, die sie spielte, konnte den ganzen Weg der Figur vom jungen Erwachsenenalter zum Erwachsensein zeigen. Sie erfasst das sehr gut und sie ist genauso alt wie ihre Figur. Die große Frage war, ob sie mit dem Druck einer solch körperlich herausfordernden Rolle umgehen konnte. Sie musste mit Schlangen arbeiten und ein ausgiebiges Unterwasser-Training absolvieren. Sie wollte den großen Teil ihrer Stunts selbst übernehmen. Sie musste auch Anfälle und Krämpfe darstellen, die echt aussehen. Wir arbeiteten mit CGI-Möglichkeiten. Wir haben ihr TRE-Methoden (Tension & Trauma Releasing Exercises) vorgestellt, die für posttraumatischen Stressabbau angewendet werden. Also selbst verursachtes Zitter-Training, das sie oft mit Soldaten machen. Sie lernte, diese selbstausgelösten Anfälle hervorzurufen. Ich habe noch nie eine Schauspielerin gesehen, die körperlich
so weit ging, um eine Rolle zu spielen.

Kaya Wilkins ist inzwischen eine gefeierte Musikerin. Sie ist Halb-Norwegerin und HalbAmerikanerin und lebt in New York. Es stellte sich heraus, dass sie auch eine großartige Schauspielerin ist. Die Dynamik zwischen den beiden hat funktioniert. Sie ist jemand, bei der alles einfach erscheint. An den stressigeren Tagen hat sie jeden beruhigt. Sie ist sehr cool.


Wie arbeiten Sie mit den Schauspielern? Wie ist die Vorbereitung und die Balance zwischen dem Drehbuch und Improvisationen?

Beim Drehen dieses übernatürlichen Thrillers habe ich überlegt, was ich Originelles einbringen kann. Ich habe versucht, nuanciertere und detailliertere Charakterporträts zu schaffen. Viel davon kommt von meinem Studium an der National Film & TV School in Großbritannien und von Lehrern dort wie Stephen Frears. Obwohl wir einen Plot haben, der sich weiter entwickeln muss, versuche ich, ihn mit einem offenen Raum zu verbinden, in dem die Schauspieler Dinge erreichen sollen, aber wo wir auch etwas entdecken können. Wir schreiben eine Drehbuchfassung und dann arbeiten wir einige Szenen gemeinsam aus. Bevor wir drehen, schreiben wir eine weitere Fassung und ich versuche das Drehbuch am Set ein weiteres Mal zu öffnen. Ich nenne diese Aufnahmen dann die „Jazz Takes“. Nachdem wir die geplante Drehbuchfassung einer Szene im Kasten haben, drehen wir eine lockerere Aufnahme, in der sich die Schauspieler ausprobieren können. Ich versuche immer, Raum für diese eher improvisierten Momente zu schaffen. In THELMA muss die
Hauptfigur durch einige sehr spezielle und beängstigende Szenen voller Angst und Furcht gehen. Wir benutzten einige Rituale und Techniken, um Eili in diesen erhöhten Alarmzustand zu bekommen. Sie konnte diese unglaublichen Szenen spielen, weil sie sich selbst in diesen Zustand bringen konnte und dann arbeitete sie dagegen an, um eine starke innere Spannung zu erreichen. Sie war sehr mutig, sich jeden Tag derart diesen Gefühlen auszusetzen.


Sie haben erwähnt, dass Sie zum ersten Mal in Cinemascope gearbeitet haben. Wie kam es zu dieser Entscheidung und wie war die Erfahrung?

Ich habe erneut mit Jakob Ihre zusammengearbeitet, dem Kameramann, mit dem ich meine ersten drei Filme gedreht habe, und wir wollten etwas Neues ausprobieren. Ich gehe immer noch gern ins Kino. Ich liebe die große Leinwand. Ich dachte, diese Totale aus der Zentralperspektive mit einer kleinen Figur in der Mitte hat etwas Besonderes, mit all der Kraft, die Thelma tatsächlich hat.


Sie scheinen in THELMA auch zu etwas Ursprünglicherem hingezogen zu sein, vor allem bei Ihrer Hinwendung zur Landschaft. Und es ist viel mehr als nur das Cinemascope vorzuführen.

In der norwegischen Märchentradition gab es einen großen Schauermoment in der Mitte der 1800er Jahre, auch in Dänemark mit Hans Christian Andersen und ebenfalls in den nordischen Mythen über Menschen, die mit der Natur in Beziehung stehen. In THELMA haben wir die Bilder von Vögeln, Schlangen, von Wind und dem Meer. Das gibt es auch in der einheimischen, norwegischen Kultur der Samen im Norden. Ich  wollte Urbanität und Natur in einem größeren Maße gegenüberstellen als ich es in der Vergangenheit gemacht hatte. Wir mussten weit in den Norden fahren, um diese weitläufigen Schnee- und Eisgebiete zu finden, und die Wildnis am Meer an der norwegischen Westküste. Wir wollten das einfangen und als einen emotionalen Aspekt des
Geschichtenerzählens verwenden. Ich bin ein Stadtmensch und wuchs mit Breakdance und Punkmusik auf. Für mich persönlich bedeutete das eine Reise, sich an das mythologische Skandinavien zu wagen. Norwegischen Leuten fiel auf: „Du lieber Himmel, Joachim ging in den Wald und filmte Natur.“ Das ist ungewöhnlich für mich.