f regen2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. März 2018, Teil  14

N.N.

Berlin (Weltexpresso) -  Wie sind Sie auf das Projekt gestoßen? Was hat sie daran gereizt?

Ich bin in einer sehr frühen Drehbuchfassung dazugekommen. Die Produzentin Melanie Andernach hatte vorab einen Dokumentarfilm über das Phänomen Hikikomori produziert und zusammen mit Karin Kaci eine erste Fassung entwickelt. Wir haben dann zusammen an der weiteren Vision des Films gearbeitet.

Mich hat vor allem die Idee fasziniert, dass ein Mensch innerhalb einer Familie verschwinden kann, obwohl er physisch präsent ist. Das Zusperren einer Tür reicht aus, um drei weitere Personen nicht mehr am Leben teilhaben zu lassen, sie regelrecht auszuschließen. Dieses Bild der Tür hat sich bei mir wie ein großer Schmerz eingebrannt. Die Tür wird im Verlaufe des Films immer mehr zur Projektionsfläche, die die Isolation und darüber hinaus den Kollaps der sozialen Struktur Familie widerspiegelt. Es ist nicht nur der Junge hinter der Tür, der an Einsamkeit krankt, sondern auch die Menschen vor der Tür.


Was ist das vorherrschende Gefühl in Ihrem Film?

Es geht um das sehr universale Gefühl, das jeder von uns schon mal erlebt hat: nämlich das Bedürfnis, einfach mal nicht funktionieren zu müssen. Der Junge hinter der Tür setzt dieses Bedürfnis um. Doch wenn eine ganze Familie dies tut, dann droht sie auseinanderzubrechen.


Der Film trifft ja die sehr konsequente Entscheidung, den Jungen nicht zu zeigen. Warum?

Der Film erzählt die Geschichte der Menschen vor der Tür. Daher ist es eine konsequente Entscheidung, die Perspektive der Familie einzunehmen. Der Zuschauer wird damit ein Teil von ihr, ausgeschlossen und verzweifelt, nach möglichen Antworten suchend. Es war mir wichtig, keine einfache Problem-Lösungs-Konstellation zu erzählen, indem man hinter die Tür springt und den Jungen erklärt. Denn es geht hierbei nicht um ein einziges Problem, sondern vielmehr um einen Zustand: die Überforderung durch eine durchdigitalisierte Welt.


Welche Rolle spielt der Regen?

Die einzigen Zeichen, die der Junge von sich gibt, sind Zettel mit Regenbeschreibungen, die er unter der Tür durchschiebt. Der Regen steht für das Leben, das der Eingeschlossene nur noch aus der Distanz beobachtet. Auch die anderen Figuren im Film haben den Bezug zum Regen als Momentum verloren. Am Ende lernen sie, den Regen in seiner Unterschiedlichkeit und damit auch das Leben neu zu betrachten.


Wann wussten Sie, dass Sie den großartigen Cast zusammenbekommen würden?

Die Zusammensetzung des Cast ist ein Prozess. Ich hatte früh Bibiana Beglau für die Rolle der Mutter im Kopf, und Emma Bading war auch sehr früh gesetzt. Als Bjarne Mädel als Vater zugesagt hat, wusste ich, ich habe einen sehr starken und talentierten Cast für meinen ersten Langfilm gewinnen können. Mir war es wichtig, dass sie eine „normale“ Familie verkörpern und trotzdem nicht in die konventionellen Stereotypen rutschen.


Wie haben Sie mit Ihren Schauspielern gearbeitet?

Es gab Vorbereitungstage, an denen wir intensiv an der Geschichte und vor allem an den einzelnen Rollen gearbeitet haben. Das lief so ab, dass wir die Konstellationen zwischen den Familienmitgliedern genau besprochen haben. Wir haben über Erinnerungen, Erlebtes und vor allem über Erwartungshaltungen, Wünsche und Vorstellungen – die es ja innerhalb von Familien zur Genüge gibt – gesprochen. Später sind wir dann alle gemeinsam in das Haus gefahren, dass zu dem Zeitpunkt noch leer stand. Dort haben wir uns viel Zeit genommen, um mit unserer erdachten Familie „einzuziehen“.


Viele Szenen spielen vor der Tür ab. Wie dreht man so lange auf so kleinem Raum?

Wir haben uns für das Haus entschieden, obwohl es das kleinste war und wir wussten, dass das nicht einfach für den Dreh wird. Gerade die Szenen vor der Tür waren eine Herausforderung, weil es kaum Platz gab. Es ging mir jedoch gerade darum, die Enge bzw. den klaustrophobischen Zustand glaubhaft zu erzählen. Mit einem guten Team, in dem jeder weiß, was er zu tun hat und Rücksicht nimmt, ist das aber sehr gut machbar. Und dieses Team hatten wir.


Was haben Sie sich bei dem visuellen Konzept gedacht?

Mein Kameramann, Andreas Köhler und ich haben uns viel Zeit genommen, um intensiv die Geschichte aufzulösen. Uns war es dabei wichtig, für jede Szene eine inhaltliche Lösung zu finden und der Geschichte nicht einfach ein visuelles Konzept überzustülpen. Im Haus haben wir zum Beispiel das klaustrophobische Gefühl verstärkt, indem wir viel mit Licht und Schatten gearbeitet haben. Dabei bewegen sich die Schauspieler häufig auf der Schattenseite. Bei Susanne, der Mutter, gibt es beispielsweise immer diesen beobachtenden Moment, in dem die Kamera etwas auf den ersten Blick Belanglosem regelrecht auf die Pelle rückt. Für die Figur war das wichtig, weil sie diejenige ist, die am meisten sucht und zweifelt. Und so haben wir für alle Figuren einen individuellen Aspekt herausgearbeitet.


Was bedeutet es mit einem Komponisten wie Hauschka zusammenzuarbeiten?

Mit Hauschka, also Volker Bertelmann, zusammenzuarbeiten war für mich eine kleine Erleuchtung. Musik spielt im Film eine große Rolle, aber ich habe mich in der Vergangenheit damit sehr schwergetan, weil ich meine Vorstellung von Musik nicht in Worte fassen kann. Mit Volker war das anders. Wir haben uns vorher einige Male getroffen und über die Geschichte, die Figuren, die Tonalität gesprochen. Ich erinnere mich, wie er mich nach der ersten Drehwoche anrief, nachdem er gerade die ersten Bilder gesehen hatte, und begeistert war. Ich glaube, das war der Abgleich zwischen uns, dass wir die gleiche Geschichte im Kopf haben. Mir ging das etwas später ganz genauso: Wir saßen im Schnitt, und Volker schickte uns eine erste Montagesequenz mit Musik. Als ich das gehört habe, bin ich ausgerastet und wusste, dass wir dasselbe erzählen wollen.

Während unserer Zusammenarbeit wurde er plötzlich für den Emmy und die Oscars nominiert. Wir haben uns wahnsinnig für Volker gefreut und die Daumen gedrückt.