f tanzins2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Mai 2018,  Teil 8

N.N.

London (Weltexpresso) – Sandra ist ziemlich verklemmt und steif, wohnt in der englischen Grafschaft Surrey und ist dort Teil einer Gesellschaft, bei der es zum guten Ton gehört, Tennis zu spielen. Sie lebt an einer Straße, an der sich Häuser aneinanderreihen, die Millionen von Pfund wert sind. „Sie hat eine Familie gegründet und ist ihrem Mann immer zur Seite gestanden, als er Karriere als Polizist machte und es schließlich bis zum Polizeichef brachte“, erklärt Moorcroft. „Sie ist die klassische Frau, die hinter einem bedeutenden Mann steht“, ergänzt Meg Leonard.

Tatsächlich genießt es Sandra geradezu, dass ihr Ehemann kürzlich in den Adelsstand erhoben wurde. Das wird schon zu Beginn des Films bei einer großen Party deutlich, auf der der Ruhestand ihres Mannes gefeiert wird. Und diesen gemeinsamen Lebensabend hat Sandra 35 Jahre lang geplant.

„Das war unser Ausgangspunkt für diese Geschichte“, setzt Leonard ihre Ausführungen fort. „Wir erzählen hier eine dieser Geschichten über Frauen, die ihre Identität verlieren und nur darauf warten, sich neu zu erfinden, wenn sie nicht mehr alle anderen unterstützen müssen. An diesem Punkt setzt die Handlung unseres Films ein, am Abend vor dem Beginn des Ruhestands ihres Mannes und, das hofft Sandra, eines neuen Lebens, für das sie seit 35 Jahren Pläne geschmiedet hat.“

Doch dann wird ihr unvermittelt der Boden unter den Füßen weggezogen. „Sie entdeckt, dass ihre beste Freundin seit fünf Jahren eine Affäre mit ihrem Mann hat“, erzählt Moorcroft weiter. „Plötzlich wird ihr die Zukunft, die sie sich für beide vorgestellt hat, einfach entrissen. Und das führt zu ihrer ganz persönlichen Herausforderung, verbunden mit der entscheidenden Frage: Kann sie wieder zu sich finden und sich selbst wiederentdecken?“.

Die Rolle der Sandra besetzten die Filmemacher mit Imelda Staunton, eine der versiertesten Schauspielerinnen der Gegenwart. „Meiner Ansicht nach ist Imelda wahrscheinlich die vielseitigste und talentierteste britische Schauspielerin“, schwärmt Produzent Sachs. „Ich bin einfach ein Riesenfan von ihr. Die Figur musste einfach alles mitbringen, darunter vor allem Pathos und Humor. Auch körperlich war sie total gefordert. Wir haben sie in die Hampstead Ponds [künstlich angelegte Badeteiche im Londoner Stadtpark Hampstead Heath] hineingeworfen, schickten sie zum Tanzen an den Piccadilly Circus. Sie hat wirklich viel auf sich genommen.“

Auch Richard Loncraine zeigt sich begeistert von Staunton, deren darstellerische Fähigkeiten so ausgereift sind, „dass man überhaupt nicht den Übergang von einer überheblichen Frau aus der Mittelschicht zu einer leicht zugänglichen, freundlichen und großzügigen Persönlichkeit bemerkt. Ich habe unseren Film jetzt bereits viele Male gesehen, und nie kann man diesen Punkt ausmachen, in keiner einzigen Szene. Imelda kann diese emotionale und charakterliche Veränderung genau dosieren und über den ganzen Film verteilen. Das ist wirklich brillant.“

Imelda Staunton fühlte sich von ihrer Rolle sofort angesprochen: „Es ist schön, einmal eine Frau in meinem Alter spielen zu können“, gibt die Britin zu. „Und ebenso schön ist es zu sehen, dass auch Menschen über ein gewisses Alter hinaus noch ein Leben haben können. Auch sie haben gebrochene Herzen und Liebeskummer, haben Humor und tatsächlich auch eine Zukunft. Wir sehen hier Menschen, die ein erfülltes Leben hatten, aber trotzdem noch viel vor sich haben und erleben können.“ 

Weil ihr Leben total in Aufruhr ist, muss Sandra Distanz zu ihrer Situation schaffen und den Ort, wo ihr so Schreckliches widerfahren ist, verlassen. Doch wohin wird sie gehen, an wen wird sie sich wenden? Sie ist zu stolz, um in ihrem gewohnten sozialen Umfeld in Surrey bleiben zu können. Sie muss sich an ihre Familie wenden, besonders an ihre Schwester Bif. Problematisch ist allerdings, dass Bif und Sandra, oberflächlich betrachtet, in jeder Hinsicht grundverschiedene Persönlichkeiten sind. „Sandra drängt sich ihrer Schwester geradezu auf“, analysiert Staunton. „Sie kommandiert andere gerne herum, die beiden streiten viel.“

Laut Richard Loncraine scheint Bif der totale Gegensatz zu ihrer Schwester zu sein: „Sie haben sich voneinander entfremdet, sich wegen einer Demonstration über nukleare Abrüstung vor vielen Jahren zerstritten. In unserem Film dreht sich vieles um diese Liebe unter Schwestern und darum, wie sie wieder zusammenfinden.“

Bif ist eine ausgesprochene Rebellin, eine Nonkonformistin und Eigenbrötlerin. Und sie hat etwas von einem Bonvivant, denn sie genießt und liebt das Leben. „Es ist ihr völlig egal, was andere über sie denken“, erläutert Leonard. „Im Unterschied dazu ging es in Sandras Leben immer darum, das haben zu wollen, was andere schon hatten, sich gut mit den richtigen Leuten zu stellen und sich deren Wohlwollen zu sichern.“

Deshalb fühlt sich Sandra auch überhaupt nicht wohl, als sie in Bifs Sozialwohnung in einem Wohnblock im Osten von London auftaucht. „Im Grunde erzählen wir hier die klassische Geschichte eines Menschen, der sich wie ein Fisch auf dem Trockenen fühlt“, erläutert Moorcroft. „Sandra wird in diese neue Welt hineingeworfen, die sie unglaublich schwierig findet und die ihr absolut fremd ist.“

Doch auch für Bif ist diese Wiederbegegnung nicht einfach. „Zunächst einmal sehen wir, dass sie sich nicht wirklich respektieren, dass beide anfangs ausgesprochen voreingenommen und intolerant sind“, fährt Moorcroft in seinen Ausführungen fort. „Und trotzdem entdecken sich die Schwestern wieder und dabei auch sich selbst“, fügt Leonard hinzu.

Um Bif auf der Leinwand mit Leben zu erfüllen, wandten sich die Filmemacher an die bekannte und gefeierte Bühnen- und Filmschauspielerin Celia Imrie, mit der Regisseur Loncraine bereits bei seinem biografischen TV-Drama „The Gathering Storm“ („Churchill – The Gathering Storm“, 2002) zusammengearbeitet hatte. „Celia war die erste Schauspielerin, die ich engagiert habe. Sie ist einfach eine wunderbare Darstellerin“, schwärmt Loncraine.

Die so gelobte britische Aktrice liebte die Beziehungsdynamik zwischen den beiden Schwestern: „Sie haben ihr Leben getrennt voneinander geführt und das auf sehr unterschiedliche Art und Weise.“, analysiert Celia Imrie. „Sandra hat sehr konventionell gelebt, Bif dagegen nicht. Wenn die Ereignisse sie dann plötzlich auf engstem Raum wieder zusammenbringen, ist es für beide nicht leicht. Aber ich finde es wunderbar, wenn zwei Schwestern so grundverschieden wirken und man dann entdecken kann, dass sie gar nicht so unterschiedlich sind.“

Celia Imrie und Imelda Staunton kennen sich seit vielen Jahren, arbeiteten erstmals 1978 zusammen, als sie beide auf der Bühne in „Cabaret“ junge Frauen aus dem Kit Kat Club spielten, einem zentralen Schauplatz des Musicals. „Es war großartig, wieder mit Imelda zusammenarbeiten zu können. Und wir konnten hier sehr interessante Figuren darstellen“, zeigt sich Imrie begeistert. 

„Ich habe selbst drei Schwestern, und diese frühen prägenden Jahre vergisst man nie“, fährt Celia Imrie fort. „Und weil Bif in dieser Geschichte die ältere Schwester ist, traut sie sich, Sandra in eine Richtung zu treiben, die Sandra anfangs überhaupt nicht passt. Man kann ja mit einer Schwester viel grober umgehen als etwa mit einer neuen Freundin, denn man hat ja eine gemeinsame Vergangenheit.“

Foto:
© Verleih

Info:
Gekürzter Abdruck aus dem Presseheft

DIE BESETZUNG
Sandra .............. Imelda Staunton
Charlie .............. Timothy Spall
Bif ......................Celia Imrie
Ted .....................David Hayman
Mike ...................John Sessions
Jackie ................Joanna Lumley
Pamela ...............osie Lawrence
Corrina ...............Indra Ové