
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sie ist eindeutig überqualifiziert, Toni (Kathi Wolf), was das Berufliche angeht, aber eindeutig unterqualifiziert, was die Chancenverwertung ihrer zwei Hochschulabschlüsse mit einer entsprechenden Tätigkeit betrifft, denn mit Ende 20 und einem ausuferndem Leben in Berlin, weiß sie – arbeits- und geldlos - nun nicht weiter und nimmt eine Erbschaftssache als vorgeschobene Begründung, sich nach Hause in ihr Dorf Bubenhausen zu begeben, aus dem sie doch einst geflüchtet war.
Wir hätten ihr erzählen können, daß so was meist schief geht, zurück zu den Wurzeln und zurück in die Wärme der Kindheit, denn es bedeutet ja auch, zurück in den Mief und die alten Abhängigkeitsverhältnisse. Aber noch ist es nicht so weit, wir steigen mit ihr im Film ein, eine köstliche Szene, als sie sich selbstbewußt mit ihren Qualifikationen um eine ausgeschriebene Redakteursstelle bei der Lokalzeitung bewirbt, dann aber beim Vorstellungsgespräch als erstes für längere Zeit auf die Toilette entschwindet, was natürliche Ursachen der eingetretenen Periode hat, aber für den arroganten Chefradakteur bedeutet, daß die Stelle ein alter Klassenkamerad bekommt, während er ihr ein Praktikum für den Lokalteil anbietet. Sie fühlt sich zwar mißachtet und ist beleidigt, aber sie schmeißt sich voll rein und schreibt die tollsten Berichte über den Fasching, der gerade tobt, zum Beispiel. Regisseurin Lisa Miller, die auch das Drehbuch schrieb und den Schnitt leistete, nutzt die lokalen Possen, die das mit sich bringt, köstlich aus. Im dem Film nachfolgenden Gespräch im Kino des Deutschen Filmmuseums Frankfurt wird sie berichten, daß sie Knall auf Fall mit dem ganzen Team in diesen Fasching hineingeworfen wurde und sich überraschend viele Szenen aus der Situation ergaben.


Aber noch sind wir im Sommer und erleben das Treiben der Dorfbewohner mit, die alle Probleme wegfeiern und wegtrinken und ihr Dorfleben zum alleinseligmachenden Leben stilisieren, also ohne Homosexualität, ohne Flüchtlinge, ohne Arbeitslosigkeit. Wie allerdings die Dorfpolizisten bei den Dörflern angesehen sind, erschließt sich nicht. Die sind auf jeden Fall die absoluten Deppen und immer wieder gibt es im Film derart komische Situationen, daß man lauthals lacht. Es ist eigentlich nie ein Lachen über die Leute, sondern eins, das aus der Komik der Situation entsteht. Solche Szenen kreiert zu haben und sie filmisch umzusetzen, ist eine der Begabungen von Lisa Miller.

Im anschließenden Gespräch zwischen Ulrich Sonnenschein und Lisa Miller und Kathi Wolf erschlossen sich Details des Films, der aber – sehr wichtig – auch ohne jegliche Erklärung ‚funktioniert‘. Das Dorf hat 600 Einwohner und der Dialekt, der eine wichtige Rolle spielt, sei ein bayerisches Schwäbisch, das weiß Lisa Miller genau, denn sie kommt von dort. Nur wenige Mitwirkende sind Schauspieler, „das ganze Dorf hat mitgespielt.“
Es kommt noch doller: Lisa Miller, Kathi Wolf und der ebenfalls anwesende Produzent Johannes Müller kennen sich aus der 1. Klasse in Bubenhausen. Dieses gegenseitige Vertrauen atmet der Film. Daß er beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken dieses Jahr nicht nur Siegerfilm wurde, sondern auch andere Preise abräumte, ist für einen Debütfilm schon erstaunlich.
PS.: Wir kamen in diesen Heimatfilm direkt aus der Pressevorführung des neuen Mamma Mia Films , in dem um die amerikanische Schauspielerin Amanda Seyfried und die britische Lily James ein großes Bohei gemacht wird. Wenn man dann in LANDRAUSCHEN das lebendige und schöne Gesicht der Kathi Wolf betrachtet, dann empfindet man, daß sich auf diesem Gesicht die ganze Welt darstellt. Weltschauspielerin.
Fotos:
Titel: © Johannes Müller
© Verleih
Info.
BESETZUNG
Toni Kathi Wolf
Rosa Nadine Sauter
In weiteren Rollen: Heidi Walcher, Karl Fischer, Volkram Zschiesche, Rupert Markthaler
STAB
Regie/Buch Lisa Miller
Produzenten Johannes Müller, Lisa Miller