f Das Geheimnis von Neapel Szene 5Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. August 2018,  Teil 11

Ferzan Ozpetek

Rom (Weltexpresso) - „Filme ohne die anderen gibt es nicht. Und die anderen sind wie wir Autoren des Films.“ Diesen Satz des großen Regisseurs Marco Ferreri kann ich voll und ganz unterschreiben. Ich war immer der Meinung, dass der Zuschauer der letzte Autor unserer Filme ist. Er bringt die Geschichte zu Ende.

Jeder Film ist, bei aller technischen Objektivität, in Wirklichkeit immer eine völlig subjektive Angelegenheit. Und jeder Zuschauer nimmt seinen eigenen Film aus dem Kino mit, unabhängig davon, ob er ihm gefällt oder nicht. Deshalb liebe und schätze ich jede Meinung zu meinen Filmprojekten. Jede Kritik, sei sie positiv oder negativ, und alle Überlegungen dazu lassen mich oft neue Dinge im Film entdecken - außerdem erzählen sie viel über denjenigen, der sie äußert. Deshalb bin ich auch sehr froh über die Debatte, die angesichts meines Films DAS GEHEIMNIS VON NEAPEL geführt wurde. Es gibt nichts Schlimmeres für ein Werk, als auf die Gleichgültigkeit der Zuschauer zu stoßen.

Es versteht sich von selbst, dass ich Neapel nicht so dargestellt habe, wie es ist oder wie es vielleicht sein sollte. Ich erzähle von meiner ganz persönlichen Reise, von einem Neapel, das einen blendet und verwirrt. Ich erlebe mich selbst in dieser Stadt, die sich wie eine gigantische Theaterbühne zwischen den Ausläufern zweier vulkanischer Systeme erstreckt, die nicht miteinander kommunizieren: da ist einerseits der Vesuv, der tief aus dem Inneren der Erde die grau-schwarze Lava ausspuckt und da sind die Phlegräischen Felder, die von Posillipo bis nach Ischia reichen und aus denen giftige Gase sowie ein gelblicher Staub entweichen. So hat die Stadt unmittelbar Zugang zur Unterwelt, ist Metapher für den ewigen Kampf zwischen Leben und Tod. In Wirklichkeit ist es das Eingeständnis, dass beides zusammengehört, so wie die Vernunft und die Verrücktheit ebenfalls im Einklang miteinander stehen. In Neapel findet man beides – es ist die Inszenierung der fast geschlechtsspezifischen Beziehung von Logos und Chaos. Und ich hatte den Eindruck, dass auch die Reaktionen des Publikums beide Seiten widerspiegeln. Der eine versucht, den Film rein mit dem Verstand zu begreifen, der andere verlässt sich lieber auf sein Gefühl.

Es gab zwei rationale Erzählstränge, denen das Publikum in DAS GEHEIMNIS VON NEAPEL folgen sollte: Zum einen die Kriminalgeschichte und zum anderen die psychologische Entwicklung, die Adriana im Laufe des Films durchläuft. Die Leidenschaft, die zwischen zwei Menschen entflammt – aber auch die Leidenschaft für eine Stadt und vor allem für das Kino – waren für mich die Hauptthemen des Films.

Jeder Ort in Neapel, auch die beiden Privatwohnungen, wurden strikt nach den Vorgaben und Erfordernissen, die für eine Theateraufführung notwendig sind, ausgewählt. So schafft man die Distanz zu jedem Realismus. Und so können wir uns einer barocken Vorstellung des Spektakels hingeben, die ich bewusst üppig gestaltet habe. Ich hoffe, es ist mir gelungen, Neapel in demselben Maß in mir aufzunehmen, wie die Stadt mich ihrerseits großzügig aufgenommen hat.

Foto:
©

Info:
BESETZUNG
Adriana         GIOVANNA MEZZOGIORNO
Andrea .        ALESSANDRO BORGHI
Adele             ANNA BONAIUTO
Pasquale       PEPPE BARRA
Antonio         BIAGIO FORESTIERI
Catena          Luisa Ranieri
Rosaria         MARIA PIA CALZONE
Domenico     CARMINE RECANO

Abdruck aus dem Presseheft
Quelle: Ferzan Ozpetek in der Tageszeitung Corriere del Mezzogiorno