Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 4/26

 

Claudia Schulmerich

 

 

Berlin (Weltexpresso) – Während der Vorführung, in der man eine genau getroffene Atmosphäre des ländlichen Amerika erlebt, die Landluft riecht, die Fleischportionen und das Bier schmeckt und die Wetterwendischkeit der Farmer wiedererkennt, bei der Abwägung der Interessen, ob sie ihr Land an GLOBAL verkaufen sollen und die Umweltzerstörung in Kauf nehmen, dachte man sich: Was wäre das vor 30-40 Jahren für ein eindrucksvoller Film gewesen!

 

Matt Damon ist dieser Superverkäufer Steve, der alle Strategien eines vertrauenswürdig auftretenden, die Argumente sachlich vorbringenden und den guten Jungen von nebenan Verkörpernden vereint, was er noch toppt, weil er im Film wirklich so aufrecht ist wie er scheint. Das, was er verkauft, ist jedoch von Übel. FRACKING nennen die Amerikaner diesen Vorgang, wo ihr Land, das keinen Gewinn mehr abwirft, von großen, eben global operierenden Firmen aufgekauft oder gepachtet wird. Die Absicht: dort unterirdisch in gewaltiger Tiefe Bohrungen vorzunehmen, was nur mit Hilfe umweltzerstörender Chemikalien geht, deren Nebenwirkungen u.a. tote Tiere und verseuchtes Wasser ist, die aber, wenn Gas oder sonst was gefunden wird, zu fördern und Millionengewinne zu machen.

 

Diese Szenerie wird perfekt – fast zu perfekt abgebildet. Steve, der in der Firma gerade aufgestiegen ist, soll ein gesamtes Gebiet überzeugen. Mit ihm seine Kollegin Sue, die Frances McDormand gibt. Und die ist nun wiederum so absolut die resolute hemdsärmelige Amerikanerin, das einem das manchmal wie eine Karikatur vorkommt, so überzeugend ist diese Darstellung. Der Film ist auf allen Positionen gut besetzt und erzählt ihn mit allen Details vom Hin und Her des Überzeugungskampfes, den Bewohnern ihr Land abzuluchsen, was andere Einwohner verhindern wollen, wozu der frech-lustige Öko-Bursche Dustin Noble (John Krasinski) beiträgt, der..aber nein, hier darf man nicht weitererzählen, weil das zum Clou des Filmes gehört.

 

Faßt man zusammen: Ein Film also aus der Provinz der USA, die Methode des „Fracking“ aufs Korn nimmt und damit die amerikanische Gasindustrie meint, ein Film, der gut gemacht ist und denn man dennoch beim europäischen Umweltbewußtsein als irgendwie überholt empfindet oder als einen Film wahrnimmt, der zeigt, wie hinterwälderisch der Umweltschutz in den USA behandelt wird.

 

Nimmt man noch die Alltagsrealität der Amerikaner hinzu, die ihre Gegenwart verdrängen – Martin Scorsese drehte SHUTTER ILAND über 55 Jahre nach der McCarthy-Ära – dann muß man sich nicht wundern, daß auch dieser Film in Amerika nicht gut ankam – vor allem nicht bei der Filmkritik. Woran das liegt, erschließt sich nicht, denn es ist ein sorgfältig gemachter und stringent durcherzählter Film mit guten schauspielerischen Leistungen, der ein Thema der Gegenwart auch für das Kino ernstnimmt.

 

Für einen Berlinale-Preis ist er uns dennoch zu konventionell.