Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 6/26

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Der russische Beitrag erinnert zuerst an den amerikanischen Film PROMISED LAND vom Vortrag, weil es auch hier um Landwegnahme auf nicht koschere Weise geht. Was in den USA die kapitalistischen Interesse einer Firma sind, wird hier durch Bürokraten exerziert, die dem Führer der dörflichen, ehemaligen Kolchose das Aus diktieren.

 

 

Es ist Sascha (Alexander Yatsenko), der als gebildeter junger Mann auch von Verwaltung Ahnung hat und sehr engagiert die Interessen der arbeitenden Menschen vertritt. Der Film führt uns direkt in die Situation ein, als diesem Sascha von der Bürokratie das Ende der einst durch Handschlag zugesprochenen Landverteilung an die Bauern mitgeteilt wird, die er durch Unterschrift besiegeln soll, was er wohl bei allem Unbehagen auch getan hätte, wenn nicht die Bauern und Familien ihren Widerstand laut vortragen hätten. Jetzt war er verpflichtet, in ihrem Interesse zu handeln und den Handel mit Geld auszuschlagen.

 

Saschas Freundin, die teilweise bei ihm lebt, ist die Sekräterin in der Bezirksregierung und das Glück der beiden ist erst einmal beendet, als sich Sascha mit ihren Vorgesetzten anlegt. Schließlich hätte man mit der Abfindung auch eine gemeinsame Wohnung in der Stadt finanzieren können. Was sich in der Hauptsache dann im Film ereignet, ist, wie einer nach dem anderen den groß angekündigten Boykott sein läßt und jeder sich einen eigenen Ausweg sucht: der eine fährt mit dem Trecker davon, der andere folgt seiner Frau, die woanders Arbeit gefunden hat, bis Sascha vor allem von dem Haudegen, der am revolutionärsten und kampfbereitesten erschien, gescholten wird, daß er, der Gebildete und allein die Übersicht Habende auf sie dumme Trottel gehört habe, auch wenn sie ihn dafür liebten.

 

Wie die Geschichte ausgeht, soll nicht erzählt werden. Es gibt keine Sieger, so viel ist gewiß und ob Anna und Sascha ein gemeinsames Leben wie zuvor haben können, was Anna, die reumütig zurückkehrte, sich wünscht, steht für den Zuschauer in den Sternen. Was bleibt ist ein starker filmischer Abgang. Fast unheimlich wird es, wenn der Fluß, der ständig im Film eine Nebenrolle spielte, nun die Hauptrolle übernimmt. Eine tolle Kameraarbeit. Zuerst sieht man Nebel, der entpuppt sich aber als Großaufnahme einer Welle, während die Linse immer weiter wird und nach und nach der ganze Fluß vor uns hinfließt, das Rauschen und Plätschern über den Steinen, das Murmeln an den Rändern, da wird Ewigkeit gezeigt, die die Sorgen dieser Menschen, denen wir folgten, als Stückwerk in der Weltgeschichte zeigen. Klein ist der Mensch. Groß die Natur.

 

Aus der Pressekonferenz:

 

Regisseur Boris Khlebnikov erzählt von den Vorbereitungen zum Film und ob die Geschichte wahre Hintergründe habe, was zutrifft. Er selbst hat die Bauern befragt und so entstand dies Drehbuch. Ihm war der Schauspieler für die Hauptrolle sofort klar, aber es sind auch Laien dabei, wie der Oberbürokrat, der aus der Drehgegend stammt, weil er viel besser dieses Alltagsgehabe eines lokalen Potentaten darstellen kann. Die Landschaft sei sehr einfach darzustellen, sie sei grandios, aber werde heute kaputt gemacht, weshalb dieser Film wichtig ist, betont Pavel Kostomarov , der Kameramann. Die langwährenden Aufnahmen vom Fluß wurden dann bewußt an den Abspann gestellt, um uns Menschen als vorübergehend darzustellen, während der Fluß ewig ist. Das war ja auch zu spüren.

 

In Rußland wird der Film sofort verstanden, denn der Konflikt ist unauflöslich. Die, die dieses Land gekauft haben, durch Handschlag, sind jetzt rechtlos dem ausgeliefert,, was andere entscheiden. Nun ist mit dem Land von den Oberen anderes vorgesehen und Bauern sollen eine Entschädigung erhalten. Die wollen sie aber nicht, weil sie nicht ihrem Einsatz entspricht, sie wollen weiterarbeiten und proben den Aufstand. Dann aber gehen sie den bequemen Weg. So geht es denen, die aufgestachelt werden, für die Masse zu agieren und dann im Stich gelassen werden.

 

Das Dorf, das sie gefunden haben, hat die Geräusche und eigentlich alles im Film impliziert. Man hatte ganz andere Geräusche nehmen wollen, die Hähne, die Kühe und alles, was wir uns vom Land vorstellen. Aber die Realität ist eine andere. Die heutige Landwirtschaft symbolisiert sich akustisch in Maschinengeräuschen. Eine Frage richtet sich nach dem Zusammenhang mit dem amerikanischen Film über das Fracking, wo ja auch das Land den Menschen symbolisiert. Der russische Regisseur legt Wert darauf, daß dies eine ganz persönliche Geschichte sei und er nicht ein Bild der postsowjetischen Gesellschaft habe abbilden wollen. Es geht um einen Menschen, der in existentiellen Konflikten steckt und Entscheidungen trifft.

 

Die Produzenten Roman Borisevih und Alexander Kushaev, die auf allen Festivals Filme zeigen und auch richtige Kinoerfolge haben, meinen, daß das daran liege, daß sie nicht auf Erfolg hin arbeiteten, sondern einfach Geschichten von normalen Menschen erzählen. Das kommt an. Anwesend waren Anna Kotova als Anna, und der Kameramann Pavel Kostomarov. Nicht dabei ist Hautdarsteller Alexander Yatsenko.