Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 7/26
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Es geht zu wie bei den 10 kleinen Negerlein. Ende des 19. Jahrhunderts startet in Ashcroft, der letzten Bahnstation in Kanada, eine Gruppe von sieben Deutschen, die 2500 km weiter im Norden Gold finden wollen, was zu einer abenteuerlichen Reise über Stock und Stein führt. Am Schluß bleibt nur einer übrig, das ist Nina Hoss als Emily Meier, die aus Bremen nach Chicago ausgewandert war und nun ihr Glück versucht.
Mit ihr beginnt auch der Film von Thomas Arslan, wo eine schöne alte Dampflok die Reisenden an die letzte Bahnstation bringt, wo die übrigen sechs Personen schon warten, die sich auf die Anzeige dessen eingefunden hatten, der sich als Anführer für die Goldsuche angeboten hatte. Allerdings hatten die Zuschauer das Ziel: den Goldfluß und die Felder von Dawson schon im Vorspann gesehen. Dabei bleibt es allerdings auch, denn der Film endet nicht am eigentlichen Ziel der Gruppe, sondern wir verlassen die letzte Überlebende in dem Moment, wo diese Emily alleine guten Mutes weiterreitet und wir beruhigt sind, daß sie auch ankommt.
Die Siebener Gruppe bringt zuerst einmal alle möglichen Typen zusammen, die auf der einen Seite klischeehaft , auf der anderen eben durchaus realistisch typische Charaktere von Außenseitern darstellen: denn wer verkauft sein Hab und Gut, um dies einem Unbekannten anzuvertrauen in der Hoffnung auf Gold? So lernen wir schnell den Journalisten Gustav Müller aus New York kennen (Uwe Bohm), der, so arrogant wie versoffen, sich schnell als derjenige entpuppt, den Emily noch liebevoll als Nervensäge benennt, obwohl er ein fieses Arschloch ist. Denn ials sich ihr Anführer als Bösewicht und Betrüger entpuppt, der sich mit dem Geld aus dem Staub machen will, will ihn dieser Gustav gleich aufhängen: „Verurteilte werden immer im Morgengrauen gehängt!
Gustav will nicht nur das Gold, sondern auch mit einer Reisebeschreibung und den Fotos berühmt werden, wozu es nicht kommt, denn er tritt in eine Bärenfalle, wozu Joseph Rossmann (Lars Rudolph) sagt: „Das ist aber auch ein verdammtes Pech, in einem so riesigen Land in eine Bärenfalle zu tappen.“ Ergebnis ist, daß er erst das Bein amputiert erhält und dann auch noch stirbt. Rossmann ist der liebevolle Vater aus New York, der dort Frau und Kinder hat, denen er ein besseres Leben verschaffen will, und ist vielleicht die liebenswerteste, gleichwohl leicht ent und verrrückte Figur, der sich selbst mit der Klampfe Mut herbeispielt und herbeisingt. Das dauert aber nicht an. Er bekommt den Bergkoller und geht verschütt. Das Ehepaar, das seine Gaststätte verkauft hatte und als Köche dabei mit Gold neu anfangen wollten, muß als erstes auf den Planwagen verzichten, der mit Speichenbruch liegen bleibt. Dann stürzt der Mann, weil sein Pferd verunglückt und nicht mehr weiterkann. Diese beiden geben auf, sie verschwinden aus dem Film, aber man nimmt an, daß sie zurück in der Zivilisation überleben.
Fehlt noch derjenige, der für die Pferde sorgen soll und es auch tut. Und hier entwickelt sich bei allen Strapazen der Reise eine leise Liebesgeschichte. Nina Hoss, die wieder einmal eine sehr sehr herbe Frau darstellen muß, was sie halt blendend kann, ist diesem undurchsichtigen Mann Carl Boehmer (Marko Mandic) erst zugeneigt, fühlt sich aber mißachtet und läßt sich ab dann von ihm verehren. Nach den existentiellen Erfahrungen durch den Tod der anderen, wachsen beide gewissermaßen zart ineinander. Bleibt der Tod von Carl, den sein Schicksal einholt. Denn er hatte in den USA in Not jemanden erschossen, dessen Brüder ihn nun verfolgten und rächen, aber dabei selbst den Tod finden, weil auch Emily mit dem Gewehr umgehen kann. Und man konstatiert verwundert, daß nun alle anderen Personen tot sind oder verschwunden und daß man von allen Personen diese Emily am wenigsten kennt.
Eigentlich haben sowieso andere die Hauptrolle. Die grandiose, gewaltige Landschaft und die Pferde, die völlig unwegsame Wege Hügel auf und abklettern, mit den Menschen und dem Proviant und Gepäck beladen, sie sind es, dessenwegen man den Film nicht ohne Gewinn anschauen kann. Denn als echter Film ist dieser Streifen, dessen Weg buchstäblich das Ziel ist, nur kulturhistorisch interessant, darüber hinaus aber doch sehr vorhersehbar.
Aus der Pressekonferenz:
Nina Hoss fehlt. Sie ist krank und kommt nur abends auf den Roten Teppich, zur Premiere. Anwesend sind die Schauspieler Lars Rudolph und Uwe Bohm sowie Marko Mandic. Der Regisseur ist Thomas Arslan, der die Frage nach den physischen Anstrengungen beantwortet, die enorm waren, schon durch das tägliche Reiten. Es wurde chronologisch gedreht und es hat auch bei den Schauspielern den Prozeß des in die Gruppe Zusammenfindens gegeben, was für die Filmfiguren im Drehbuch stand.
Die Aufnahmen sind sieben Wochen lang in Kanada gedreht worden und dort haben die Schauspieler auch erst das Reiten erlernt. Für Arslan ist das weder ein richtiger Western, aber auch kein Anti-Western. Schon beim Drehbuchschreiben hat er für die Figur der Emily an Nina Hoss gedacht. Schwierig war, auf der Leinwand die Choreographie hinzubekommen, elf Pferde und sieben Personen strukturiert ins Bild zu bekommen beim die Hügel Hinauf- und Hinunterreiten. 30 Leute haben diesen Track begleitet. Die Geschichte selbst ist Tagebüchern und Briefen entnommen, so daß der Film sowohl auf Wirklichkeit wie auch Fiktion beruht.
Warum er soviel Romantik und Gefühl in eine Geschichte gesteckt habe, die eigentlich nur aus Leid und Elend bestehe, war eine wichtige Frage, denn sie zielt auch auf die Grundfrage ab, was diese Menschen wirklich angetrieben hat, deren Scheitern wir miterleben und uns fragen, warum.Und was uns Thomas Arslan damit sagen will.