KINDESWOHL II

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. August 2018,  Teil 3

Eva Mittmann

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) - Da ist sie – Fiona Maye (Emma Tompson) – die gestandene Familienrichterin am High Court in London - gefasst, selbstsicher, souverän. Und dann dieser Fall eines 17-jährigen leukämiekranken jungen Mannes, der sie grenzüberschreitend anders werden lässt. Von der einen auf die andere Sekunde. Menschlich, warm und sehr nah, ungeachtet des Amtes, das sie bekleidet. Sie nimmt uns mit auf die Reise zu unbedingtem menschlichem Mitgefühl in Transzendenz und Wahrhaftigkeit. Wie kann das geschehen? Durch Musik – wie sonst?

Zu Anfang Szenen einer Ehe: Ihr Mann, der Geschichtsprofessor Jack (überzeugend dargestellt von Stanley Tucci) eröffnet ihr, dass er ihr Einverständnis zu einer Affäre wünscht. Unfässabel! Und die Begründung laut der literarischen Vorlage umso amüsanter: Es gäbe bislang keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse über „ein Leben nach dem Tod“!

Was für ein Einstieg! Madame gibt sich gefasst. Folgt dem gewohnten Trott und flüchtet ohne jegliche Emotion oder Stellungnahme ins Gericht. Dort dann die Verhandlung um einen (noch) minderjährigen 17-jährigen leukämiekranken Jugendlichen, der eine Bluttransfusion zur Rettung seines Lebens aus religiösen Gründen ablehnt. Und dann während der Verhandlung im Sinne des Kindeswohls, die unerwartete Wendung: Sie unterbricht die Gerichtsverhandlung, um ins Krankenhaus zu fahren und in direkten Kontakt mit dem jungen Mann zu treten. Großes emotionales Kino – völlig jenseits der traditionell seltsam anmutenden Talare und Perücken des Gerichtshofes.

Und da ist sie - abermals. In unausweichlicher persönlicher Präsenz tritt sie in Kontakt mit diesem todkranken jungen Mann, konfrontiert ihn mit seinen absurden Glaubenssätzen, die ihn unausweichlich von der Essenz des Lebens abschneiden wollen. Da liegt sie – seine Gitarre, am Fussende seines Krankenhausbettes. Und sie fordert ihn auf zu spielen. Das tut er. Und sie singt dazu. Ein magischer Moment!

Ein Moment von solch emotionaler Dichte, die seinesgleichen sucht. Der Effekt sofort: Der junge Mann ist tief berührt. Lebendig. Sofort.

Und sie? Sie verabschiedet sich, um vor Gericht zu seinem Wohl zu entscheiden...