Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 12/26

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Dieser Beitrag aus Rumänien ist ein Film, in dem kein einziger Mensch vorkommt, den man mag. Bestenfalls sind einem welche gleichgültig. Aber die beiden Hauptdarsteller, Mutter Cornelia (Luminita Gheorghiu) und Sohn (Bogdan Dumitrache), findet man geradezu widerlich.

 

Sie hat Geld, das merkt man bei jede Geste. Wie sie die Goldarmbänder schüttelt, dauernd die Brieftasche öffnet und alles für käuflich hält.Das Geld, vermuten wir 'mal, hat der Ehemann beschafft, aber sie macht etwas daraus und das Wichtigste ist Machtausübung. Das gelingt Cornelia gut, nur nicht bei ihrem einzigen Sohn, der sich ihr entzieht, mit einer für Cornelia furchtbaren Frau liiert ist und seine Absetzbewegung stoppen muß, weil er bei einer Autofahrt - unverantwortlich 50 Kilometer zu schnell - einen Jungen überfährt.

 

Diese Nachricht erreicht diese Cornelia, die gerade in illustrer Gesellschaft ihren Geburtstag feierte, während einer Opernaufführung. Ohne wissen zu wollen, was überhaupt passiert ist, mischt sie sich bei der Polizei in alle Vorgänge ein, denn ihr geht es einzig um ihr Kind, das nicht ins Gefängnis soll. Dafür setzt sie alles an Bestechung und Drohung in Bewegung, was sie kann, was wiederum nicht wenig ist. Wenn dieses im Film vermittelte Bild die rumänische Gesellschaft ist, dann Gute Nacht. Denn mit Geld gelingt ihr hier fast alles. Nur ihr Sohn, für den sie ja alles anstellt, dankt es ihr nicht.

 

Immerhin kommt sie mit seiner Gefährtin ins Gespräch und die beiden fahren auch zu den Eltern des Überfahrenen, um einerseits Geld für das Begräbnis zu übergeben, zuzüglich einer Spende für die Familie, in der Hoffnung, daß diese Ruhe geben, andererseits aber räsonieren die beiden Mütter über Müttergeschick, das sich so oft gegen diese selbst richtet. Und spätesten hier wird einem etwas nicht geheuer. Die unsympathische, raffgierige, herrschsüchtige Cornelia hat Tränen in den Augen und weint sogar. Ob der Dialog mit der Mutter des toten Kindes von ihr aus taktisch oder mit echten Tränen geführt ist, kann der Zuschauer nicht entscheiden. Sollte er aber echt sein, wäre der ganze Film Mumpitz, weil man das Gefühl hat, da muß erst ein Junge überfahren werden, bis diese Cornelia ein Gefühl überkommt und wir deshalb einen ganzen Film sehen müssen.

 

Sollen wir auf einmal Mitleid entwickeln? Nein, das wollen wir nicht. Wir sind sehr lange immer wieder denselben monetären und strategischen Verführungsstrategien dieser Cornelia gefolgt und haben dies abstoßend gefunden und auch schlimm, daß sie mit ihren Bestechungen erfolgreich ist . Wir wollen unseren Feind bitte auch behalten. Denn der Tod eines Kindes wäre ein zu hoher Pfand dafür, daß auch Cornelia einmal weint. Ehrlich gesagt, scheint uns dieser Film eine psychologische Abarbeitung von Regisseur und Kumpanen zu sein, wie man nun mit den Mitteln von Drehbuch und Kamera es diesen Müttern einmal so richtig zeigt, ihnen es einmal so richtig heimzahlen kann.

 

Der Film ist nicht schlecht gemacht, mit ständiger Kameraführung im Detail und vielen Dialogen, wobei die mit dem Sohn immer nur einseitig sind. Denn der schweigt. Aber die Problematik wirkt ab irgendwann ausgewalzt und in sich selber kreisend. Und noch einmal: Wenn dieses Pack die Gesellschaft von Rumänien repräsentierte, dann: Gute Nacht.

 

 

Aus der Pressekonferenz:

 

Regisseur Calin Peter Netzer schildert die Entstehung des Drehbuchs, die ungeahnte Wege einschlug, weil man statt der vorgesehenen Geschichte, erst einmal die eigene Mutterbeziehung thematisierte. Mit Absicht wurde die Geschichte in der oberen Mittelschicht angesiedelt, weil das Problem der Überbehütung, des Nichtloslassens von Kindern, dort am schärfsten sei in einem Land, das sowieso aus starken Müttern, starken Frauen bestehe. Der Filmtitel „Die Stellung des Kindes“ ist eine Yogastellung, die als Szene dann beim Schnitt herausfiel, aber als Begriff blieb.

 

Eine Frage richtet sich nach der Italianità im Film, d.h viele italienischen Produkte und auch italienische Musik der 80er Jahre, ob die typisch seien für diese Bourgeoisie, was verneint wird; es sei einfach die Musik der Eltern der 80er und 90er Jahre gewesen. Die Filmmutter Luminita Gheorghiu bekräftigt, daß ihr die Rolle nahe stand, weil sie solche possessive Mütter kenne. Das gäbe es auch in unteren Schichten. Die Kameraarbeit war schwierig, weil es Handkameras waren und die Lichteinstellung gleich blieb.

 

Es gab beim Drehen eine ziemliche Spannung zwischen den Beteiligten, die von den Betroffenen unterschiedlich beurteilt wird. Luminita findet sie notwendig, worauf der Regisseur unter heftigem Beifall meint, sie habe ihre Rolle aus dem Film noch nicht abgelegt, wobei er zwar die Lacher auf seiner Seite hatte, aber seine Probleme mit starken Frauen auch ungewollt offen legte. „Wir haben uns gegenseitig tyrannisiert“, war der Tenor für den Filmdreh. Der bisher stumme Filmsohn Bogdan Dumitrache schildert die Schwierigkeiten, einen solchen abwehrenden Sohn darzustellen, der nichts anders wolle, als seinen Frieden.