Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 13/26

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Als Ende der Trilogie nach BEFORE SUNRISE (1995) und BEFORE SUNSET (2004) angekündigt, möchte man doch so im Rhythmus von 8 Jahren auch das Einschlafen oder das Aufwachen von Jesse und Celiné gerne weiterverfolgen. Das macht Spaß, wenn man auf der Leinwand die Liebe von Zweien spürt, wie auch das Aufreiben von Gefühlen im täglichen Kampf der Geschlechter.

 

Natürlich sind es teilweise Plattitüden, die in diesem intimen Spiel – man kann es sich gut als Kammerspiel vorstellen -, vorgebracht werden. Von beiden Seiten. Damit sind die Worte trotzdem wahr. Hier erleben wir also Jesse mit seinem Sohn 9 Jahre später und erfahren erst, nachdem er seinen Sohn ins Flugzeug heim zur Mama in den USA geschickt hat, daß sich Jesse nach dem Wiedersehen mit Celiné von seiner Familie getrennt hat und nun mit ihr und den gemeinsamen Zwillingen in Paris lebt. Wir aber sind noch auf Griechenland und bleiben dort auch, wo der 6wöchige Sommerurlaub der Familie zu Ende geht.

 

Schön, daß dieses so gebeutelte Land, dessen sanfter Tourismus tatsächlich auf der Gastfreundschaft der Menschen beruht, so gut in diesem Film rüberkommt. Da ist ein Ferienland zur richtigen Zeit im Kino und vielleicht mehr wert als große Werbekampagnen für Griechenland. Warum aber diese Wortkaskaden des Ehepaares, die sich psychologisch und logisch höchst kunstvoll zunehmend über uns ergießen, gerade in Griechenland spielen müssen, hat mit den griechischen Mythen zu tun, den Tragödien so gut wie den Komödien. Zwischen beiden Polen bewegen sich die beiden und – sind wir ehrlich – wir mit ihnen. Denn alles ist im Beziehungsdschungel schon einmal gesagt worden, panta rhei, und nur die Zeit ist jeweils eine andere

 

Das Wunderbare an solchen ehelichen Streitgesprächen - nicht so vernichtend wie in „Wer hat Angst vor Virginia Wolff“ - ist ja einfach, wenn man nicht selbst involviert ist, daß man beiden zuhört und nicht „Wia im richtigen Leben“ nur auf seine eigene Antwort konzentriert ist, während der Partner spricht und man ihm deshalb überhaupt nicht zuhört. Während wir hier also der Frau und dem Mann zuhören, stellen wir fest: Sie haben beide recht. Ob der alte Spruch, Männer und Frauen passen nicht zueinander, wieder einmal bewiesen werden sollte? Es klappt. Denn beim Bekräftigen, daß beide recht haben, vollziehen wir die Empathie für den anderen und seine Argumente mit, die den Kontrahenten in dieser Situation fehlt - und uns sonst auch.

 

Die wunderbare Céline ist eine Zicke und nimmt es mit ihren Frauenrechten übergenau – und der liebenswürdige Jesse ist halt auch nur ein Mann und sieht wenig von dem, was er zu tun hätte, während Céline, wie vor ihr alle Frauen der Welt, diese durch Mühe für die Lieben am Drehen hält. Sie ist inzwischen mit seinem Sohn sehr viel vertrauter als er und mit den beiden Töchtern sowieso, die etwas lammfromm als Hübsche durch diesen Film geistern. Was dieser Tragigkomödie gelingt, ist die Balance zu halten zwischen wirklich angenehm anzuschauenden Zeichen des Gefühls der beiden für einander, durch Händchenhalten, übers Haar Streichen und einfach einige solcher Gesten, die aber nicht in den rosaroten Kitsch abdriften und der Realitätsebene, wo die Worte wirklich auf Probleme des Lebens aufmerksam machen, in denen die Frauen eine Vierfachfunktion erfüllen: sie bleiben für den Mann das attraktive Liebchen, für die Familie die sich um alles Sorgende, für die Kinder die gute Mutter und sind noch eine Rakete in ihrem Beruf.

 

Mehr soll jetzt nicht verraten werden. Die geschliffenen Dialoge nehmen es jederzeitig mit denen von Woody Allen auf. Der Film auch. Zu einer weiteren aufmüpfig liebevolle Ehefrau allerdings muß man noch ein Wort sagen. Diese spielt hier Athina Rachel Tsangari, die durch Filmregie über Griechenland hinaus bekannt wurde und auch in der diesjährigen Jury sitzt.

 

Aus der Pressekonferenz: Richard Linklaster wird als Regisseur und Drehbuchautor vorgestellt, der das Drehbuch mit seinen beiden Hauptdarsteller schrieb: Ethan Hawke, der hier völlig verändert aussieht, mit geblondetem Igel, und Julie Delpy, die inzwischen auf der Berlinale ja inzwischen auch als Regisseurin begrüßt wurde.“Wir haben diese Figuren vor 18 Jahren geschaffen und alle Jahre überlegen wir uns, ob wir wieder einmal die Fortsetzung im Leben unserer beiden auch im Film bringen sollen.“ Daß sowohl Jesse wie auch Céline am Drehbuch mitgeschrieben haben, erklärt das Knistern im Film zwischen beiden mit. Ethan erzählt, daß er sich inzwischen freigeschwommen habe, er habe beim ersten Dreh die 23jährige Julie total ob ihrer frühen Karriere und ihres Wissens bewundert.

 

Für den Regisseur ist dies ein griechischer Film und er hat die Griechen mit ins Boot genommen und immer die beste Unterstützung von der griechischen Filmszene bekommen, die er für großartig hält. Auf die Frage nach den Dialogen: Wie haben sie das hinbekommen?, meinen alle drei, daß dies am gemeinsamen Schreiben läge. Die Darsteller repräsentieren nicht nur die eigenen Dialoge Sie schreiben alles zusammen. Das bedeutet, daß eben auch die Frau die Dialoge des Mannes schreibt und umgekehrt. Eine Frage galt dem Ende, das als Happy End empfunden wird, und welche Alternativen für den Schluß vorhanden waren. Keine, ist die Antwort.

 

In allen drei Filmen spielt der Ort, an dem der Film spielt, Wien und Paris die dritte Hauptrolle. Linklater wollte mit Absicht das alte und moderne Griechenland zeigen. Und er wollte zeigen, was zwei Menschen, die eigentlich alles haben, sich an Problemen immer wieder neu schaffen. Es sei ein ehrlicher, intelligenter und wahrer Film. Die Rolle wird beim Drehbuchschreiben immer stärker mit der echten Filmfigur verschränkt. So hat Ethan Hawke Aspekte seines Lebens eingebracht wie auch die aus Julies und Richards Leben. „Wir haben also eine Mischung dieser Charaktere durch uns drei.“

 

Julie Delpy hat sich vor der Fortsetzung die beiden anderen Filme noch einmal angesehen, wobei sie merkte, wie sehr die Filme ihre damaligen Gefühle widerspiegeln, weshalb sie davon ausgeht, daß dies auch bei der Fortsetzung so sein wird. Die Leichtigkeit im Film gehöre in die Kategorie: Üben, Üben, Üben und dann sieht alles beim Vorführen ganz leicht aus.

 

Ethan findet, daß sich die Charaktere doch sehr ähneln über die drei Filme hinweg. Die Frage nach ihrem authentischen Verhalten mit ihrem eigenen Partner beantwortet Julie Delpy, sie würde sich wünschen, verbal so stark reagieren zu können wie die Filmfigur, denn dafür habe man viele Monate beisammen gesessen, um diese Dialoge so geschliffen hinzubekommen, spontan könne sie das nicht, habe aber auch sonst immer Recht.