Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 14/26
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Ein wirklich neues Filmthema bringt dieser Film von Pia Marais, der in Südafrika spielt und sowohl das Thema Schwarz Weiß wie auch Wahrheit und Lüge so durcheinanderwirbelt, daß jeweils das Gegenteil von dem eintritt, wie wir der Sachverhalten und Personen am Anfang kennenlernen.
Es ist ein Film über Layla Fourie (Rayna Campell) aus Johannesburg und darüber, was alles passieren kann, daß das eigene Leben so verändert, wie das der anderen. Inschallah. Die alleinerziehende Layla arbeitet in einer Bar, will aber ihrem Sohn eine gute Mutter sein und deshalb einen ordentlichen Tagesjob. Sie hat sich ein Jahr lang als Polygrafistin ausbilden lassen, was die Tätigkeit bezeichnet, die hier bei Einstellungsgesprächen Fragen mit dem Lügendetektor stellt und die Antworten analysiert. Außerdem muß Layla eine persönliche Einschätzung der Befragten vorlegen, weil das viel über sie selber aussage, meint der Chef des Kasinos, zu dem sie als erstes geschickt wird, nachdem sie die Sicherheitsfirma von sich als Mitarbeiterin überzeugt hatte.
Ihren Sohn muß sie zum Casino mitnehmen. Ein aufgewecktes, wenngleich anspruchsvollen Kind, das Aufmerksamkeit braucht und diese gerade einfordert, als es auf der Fahrt schon dunkel geworden ist und sie deshalb den Mann übersieht, der angehalten hatte, weil er selbst einen Affen angefahren hatte, und sie diesen Mann auf der ansonsten einsamen Straße überfährt. Was tun? Sie packt den Verletzten in ihr Auto und fährt ins nächste Krankenhaus und das ist genauso verrammelt und verriegelt, wie alle Häuser, die wir in diesem Film sehen und denken, daß das alles Folgen der Apartheid sind wie auch die bedrohliche Atmosphäre, die man von Anfang an wahrnimmt, als noch gar nichts Schlimmes passiert ist.
Das ändert sich mit dem Unfall. Denn Layla, die gegen das Lügen ist, will dies trotz der Folgen, die das für sie und ihren achtjährigen Sohn bedeutet, der Polizei anzeigen. Doch als sie auf dem Polizeirevier die weißen Beamten sieht, die sie erst nicht beachten und dann um so heftiger, verläßt sie stumm das Revier. Zusammen mit ihrem Sohn 'begräbt' sie den inzwischen Toten auf einer Müllhalde. Leider – für Layla – hat ihr Sohn das Handy des Toten im Auto an sich genommen.
Im Casino angekommen, nimmt sie ihre Befragungen auf, während ihr Sohn die Gegend unsicher macht. Einer der ersten ist Eugene Piennar (August Diehl), der sich als Fahrer bewirbt – und – das stellt sich erst später heraus, der Sohn dessen ist, den sie überfahren hatte. Und hier beginnt das Spinnennetz sich in sich selbst zu verfangen. Kunstvoll läßt die Regisseurin jetzt die Rollen vertauschen, in dem der Sohn zum Verfolger des Täters und Layla zur Verfolgten wird. Die zwischen beiden spürbare Spannung führt zu einer Liebesnacht, von der man spürt, das ist nicht alles gewesen, läßt aber den Jungen ausrasten und sich der Exfrau des Getöteten anvertrauen, obwohl er derjenige war, der todesmutig von seiner Mutter den Schwur verlangte, nichts zu verraten.
Das wollen wir jetzt auch nicht. Zu sehen ist eine rasante Geschichte, die – und das gibt es nicht so oft – einmal eine ganz neue Szenerie schafft.
Auf der Pressekonferenz:
Wird nach der politischen Situation heute gefragt, ob es in Südafrika noch immer eine Klassengesellschaft gibt, wo ein Schwarzer immer sofort der Verdächtige ist. Schauspieler Rapulana Seiphemo meint, man sei auf einem guten Weg. Der Regisseurin Pia Marais ist wichtig, daß ihr Film kein politisches Manifest ist, sondern eine Handlung in einem schwierigen Land wiedergibt, wo Menschen in existentielle Nöte geraten. August Diehl wirke im Film wie eine Südafrikaner, woran sich die Frage anschließt, welche Mittel er anwandte.
Die Menschen haben dort ein großes Schutzbedürfnis und reale Angst vor Einbrüchen, die auch ständig passieren. Diese Angst habe sie gespürt und auch, daß man Probleme unter den Teppich kehrt. Terry Norton geht auf das Gewaltproblem ein, die Arbeitslosigkeit vor allem von Jugendlichen, die gesamte Lage ist kompliziert und komplex. Es ist wichtig, Geschichten zu erzählen über das Land. Ausdruck der Angst ist auch das Anwachsen der Sicherheitsbranche, die fast übermächtig für alles zuständig wird. Deshalb sollte dies und vor allem das Verfahren der Lügendetektoren – polygraphischer Test – bekannt werden. Die Geschichte des Films fing eigentlich damit an.
Nachgefragt wird nach der psychologischen Hintergründen der Beziehung von und . Zuerst ist sie die Starke und er der Schwache, der eine Stelle sucht. Dann aber wird das Thema LÜGE zum Drehpunkt der Geschichte. Denn sie lügt, was er fühlt, aber sich nicht erklären kann. Aber der eigentliche Hintergrund ist das Zueinanderhingezogenfühlen, Und als sie ihm die Wahrheit sagt, kann sich Liebe auch entfalten.