Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Februar 2013
Hanswerner Kruse und Romana Reich
Berlin (Weltexpresso – „Quellen des Lebens“ ist ein brillanter Film und die Berlinale 2013 ist noch die Begründung schuldig, weshalb sie diesen Film von Oskar Roehler für den Wettbewerb abgelehnt hat. Der Film erzählt die spannende Geschichte einer Familie über drei Generationen in der frühen Bundesrepublik und wird damit zur Geschichte der Bundesrepublik.
QUELLEN DES LEBENS
Am Anfang des Films liegt der eklige, überraschend aus russischer Gefangenschaft heimgekehrte Erich Freytag (Jürgen Vogel), schmutzig und ohne Gebiss im Ehebett. „Wir dachten ihr wärt stolz auf uns, dabei habt ihr uns einfach vergessen“, grummelt er. Seine Frau Elsi (Meret Becker) kauert hilflos und ängstlich neben ihm. Über drei Jahrzehnte später in einer Klinik, zum Schluss des Films, liegt er neben Elsi im Krankenbett und bekennt: „Du warst die Quelle meines Lebens, aber ich konnte es Dir nie zeigen.“
Diese berührenden Worte geben dem Film seinen unsäglichen, spiritistisch anmutenden Titel. Zwischen diesen beiden Szenen zeigt der Film, teils dramatisch, teils humorvoll die Entwicklung der Familie Freytag aus der Perspektive des Enkels Robert:
Spätheimkehrer Erich treibt die lesbische Geliebte seiner Frau („sie ließ mich fühlen dass ich lebe“, sagt Elsi) aus dem Haus und baut mit viel Elan eine Gartenzwergfabrik auf.
Dabei hilft ihm sein ältester Sohn Klaus (Moritz Bleibtreu), der jedoch bald der exzentrischen Schriftstellerin Gisela Ellers (Lavinia Wilson) verfällt. Sie wird schwanger, verlässt aber nach der Geburt des Kindes die junge Familie. Klaus bekommt weder die Erziehung seines Sohnes Robert noch sein eigenes Leben in den Griff. Robert lebt mal bei den steinreichen und übergeschnappten, mal bei den strengen und emsig Zwerge produzierenden Großeltern. Immer wieder wird er vom ungeliebten Vater zurückgeholt. Nach der familiären Odyssee und pubertären Wirrungen findet Robert (Leonard Scheicher) als junger Erwachsener zu sich und geht mit der Jugendliebe Laura seinen eigenen Weg.
Die Geliebte seiner Frau verfolgt Freytag im Traum als Sado-Maso-Hexe / Eng umschlingt die Schriftstellerin eine riesige Torte im Bett / Musikanten sind als Gartenzwerge verkleidet / Nach dem Besuch beim krebskranken Vater tanzt das junge Paar mit Schlamm eingerieben im Wald / Roberts Mutter faselt aus ihrem Zigarettennebel, „sexuelle Freiheit ist nur im Kommunismus möglich!“ Es mangelt nicht an bizarren Szenen im Film.
Die Story wird mal mit schnell geschnittenen Bildern, dann wieder mit langen Einstellungen erzählt. Dialoge wechseln mit Roberts Kommentaren aus dem Off. Abschweifungen berichten von absonderlichen Ereignissen in der Familie im deutschen Wirtschaftswunderland bis in die 80er Jahre. Jürgen Vogel altert authentisch zum Greis, während sein Sohn (!) Moritz Bleibtreu - wie immer - Moritz Bleibtreu bleibt. Viele Nebenrollen sind im Film prägnanter als im Buch, etwa Margarita Broich als Oma Hilde, die eine stark überzeichnete Alte gibt. Oder ihr Chauffeur, eine Nachbarin, Roberts Mitschüler…
Es ist ein seltenes Glück für Bibliophile und Cineasten, wenn ein Regisseur einen Roman schreibt und ihn zeitgleich selbst verfilmt, wie jetzt Oskar Roehler, der durch seine eher skurrilen Filme („Suck My Dick“) bekannt wurde. Das Buch erzählt in epischer Breite, weitschweifig und mit guten Sprachbildern, der Film dagegen verdichtet den Geist des Romans mit realen oder grotesken Szenerien in seiner eigenen Bild-Sprache. So wie dieser exzellente Film hätte auch der brav abgefilmte Dreiteiler „Adlon“, der vor einiger Zeit im ZDF lief, werden können. Warum das großartige Werk nicht bei der Berlinale gezeigt wird, ist völlig unverständlich und wird heftig kritisiert.
„Quellen des Lebens“, D 2012, Regie Oskar Roehler, mit Jürgen Vogel, Meret Becker, Moritz Bleibtreu, Lavinia Wilson, Leonard Scheicher, Margarita Broich u. v. a.
BUCH zum Film
Roehler hat darauf hingewiesen, dass Film bzw. Roman stark autobiografisch sind, etwa durch die Gartenzwergfabrik oder die schreibende Mutter, die er mit Hannelore Elsner in seinem Film „Die Unberührbare“ dargestellt hat. Jedoch verfremdet und verdichtet der Autor seine Erfahrungen zu Literatur. Das Buch hat im Vergleich mit dem Film einige überraschende Abweichungen, die hier nicht verraten werden sollen. Besonders der Schluss des Romans ist sehr viel länger und sehr viel bitterer als im Kino.
Oskar Roehler: „Herkunft“, Ullstein Verlag, Berlin 2011. 592 Seiten, 19,99 Euro
CELESTE & JESSE
Eigentlich eine amerikanische Blödelkomödie, die aber herrliche Szenen und Wiedererkennungsszenarien bietet. Das ideale Paar sind die beiden für alle anderen, aber sie selbst genügen ihren eigenen Ansprüchen nicht. Also wird auf Teufel kommt raus getrennt, obwohl doch auch alles so weitergeht wie bisher. Unaufhörlich geht es um die alten Fehler und die Neuanfänge.
ENDE DER SCHONZEIT
Franziska Schlotterer legt hier ihren ersten Film vor und hat sich das nie zu Ende zu erzählende Thema des Dritten Reiches gewählt, auf dessen Hintergrund die Geschichte eines Bauernehepaares und eines jüdischen Flüchtlings im Schwarzwald von 1942 zeigen, wie systematisch die angeblichen deutschen Werte verfallen. Zwar rettet der Bauer dem Juden erst mal das Leben, als er ihn versteckt, aber sein eigentliches Motiv ist nicht allein die Arbeitskraft, die er so nutzen will, sondern auch, daß seine Frau von ihm nicht schwanger wird, was der Flüchtling nun versuchen soll.