Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 25/26

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Auch der letzte Wettbewerbsfilm läßt das Berliner Filmfestival eher heiter ausklingen. In dieser französischen Familienkomödie ist Catherine Deneuve eine gestreßte Restaurantbesitzerin, die Zigaretten holen fährt, woraus eine fünftägige Reise durch französische Provinzen  wird, auf der sie auch ihren Enkel erst richtig kennenlernt und am Schluß auch sich selbst.

 

Es handelt sich also um einen Road Movie à la francais. Der Film ist eingebettet in eine normale Familiensituation. Bettie (Catherine Deneuve) wurde gerade von ihrem Liebhaber verlassen Ihr schon lange an einem Hühnerknochen verstorbener Mann wurde von dem Arzt behandelt, mit dessen Frau er eine Affäre hatte. Die Tochter hat den Sohn Charly (Nemo Schiffman) von einem Mann, der seit 9 Jahren außerhalb von Frankreich lebt und sie sucht Arbeit, wozu der Junge immer zum Großvater, also dem Vater seines Vaters abgeschoben wird, den Bettie  nicht einmal kennt, denn sie ist damals nicht zur Hochzeit gekommen. Eine ganz normale verkrachte Familie also.

 

So mitten drinnen stöhnt der Junge:“Niemand mag sich in dieser Familie!“  So schlimm kommt es aber nicht, denn nachdem sich Bettie erst einmal auf den Weg gemacht hat, läßt sie wenig aus. Der sich als sensitiv anpreisende junge Mann (Paul Hamy)  liegt am nächsten Morgen in ihrem Bett und bedankt sich für die Nacht, an die sie sich zwar nicht erinnern kann, die ihm aber in Erinnerung bleiben wird. Sie schneit hinein in ein Treffen der regionalen Schönheitsköniginnen von anno dazumal, wo als Miß Bretagne dabei war, aber bei der Miß France fehlte – weil sie sonst selbstverständlich gewonnen hätte –, ist sie die angebetete Schönheit von früher, macht aber schlapp – wie würden denken, vom ununterbrochenen Rauchen und Trinken – und kommt ins Krankenhaus.

 

Nachdem sie sich erst einmal auf die Reise machte, verläuft alles andere naturgegeben. Ihre Tochter ruft an, sie muß nach Brüssel und ihr Sohn muß zum Schwiegervater gebracht werden, worum sie die Mutter zwar bittet, aber nie und nimmer erwartete hatte, das diese das tut. Nachdem der Kleine mit Bettie erst mal Machtspiele veranstaltet, wird er anhänglich, als sein anderer Opa ihn holen kommt: „Nichts ohne meine Oma. Die muß mit“, wie es bei der gemeinsamen Weiterfahrt im Jeep  geschieht. Dem Opa geht es dann in seinem traumhaften alten Haus mit blühenden Rosen und mitten in der Provinz genauso. Kein Leben mehr ohne Bettie, denkt sich der Zuschauer weiter, wenn er zum Schluß sich die beiden Alten verliebt und mit innigem Kuß in die Arme fallen sieht.

 

Zuvor ist die Nervensäge, die Mutter der Mutter der Mutter, also die Uroma von Charly auch noch angereist, die zeigt, daß für eine Frau nur die Jahre, in denen man von der begehrten attraktiven Frau zur Älteren abgeschoben wird, Einbußen bringen, daß frau aber, wenn das hohe Alter da ist, dieses wieder ganz entspannt genießen und die Welt ins Lot bringen kann.Es fällt schon auf, wie sehr das Thema 'alternde Frau' bei dieser Berlinale die Filmemacher beschäftigt. Allerdings ist für uns Catherine Deneuve in dieser Rolle eine Enttäuschung. Sehr starr und zum Teil gestellt, haben wir sie in dieser Rolle wahrgenommen, ganz im Gegensatz zu der klugen und den Überblick ausstrahlenden Person auf der Pressekonferenz. Fast möchte man meinen, sie wurde in dem Film unterfordert, der alles in allem eine nette Familienkomödie ist, ohne an andere französische Komödien anknüpfen zu können, dann doch eher Hausmannskost, die es im Restaurant der Madame sicher nicht gegeben hätte.

 

 

Aus der Pressekonferenz:

 

Nemo Schiffman spielt  den Enkel Charly, der erst renitent lammfromm wird, wenn er merkt, man meint es gut mit ihm. Er ist der Sohn des Kameramannes; auch deswegen hat Emmanuelle Bercot ,Regisseurin, die Arbeit mit dem Kind als leicht empfunden. Grundsätzlich meint sie sogar, daß das Alter beim Spielen völlig irrelevant sei. Catherine Deneuve lobt die Zusammenarbeit mit ihrer Regisseurin, der vorgehalten wird, sie habe die Haare der Deneuve so permanent ins Bild gesetzt, daß der Eindruck entstehe, sie inszeniere diese. Richtig ist, daß beide ununterbrochen in Großaufnahme erscheinen: das Gesicht und die wechselnden Frisuren von Catherine Deneuves, was als Markenzeichen auch zusammengehört.

 

Fragen nach den Autos im Film waren fällig, weil sowohl von einer Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, berichtet wurde, sie behalte den Mercedes, wie auch Bettie einen Mercedes fährt, der sehr auffällig, einmal mit Großaufnahme des Sterns ins Bild gesetzt wurde. In einem anderen Film waren  es BMWs, dann ein Bentley. Wer entscheidet, welches Auto gefahren wird und werden diese Autos von den Firmen gestellt, war die Frage, die letztendlich nicht beantwortet wurde. Den Mercedes hat nicht die Regisseurin, sondern Catherine Deneuve ausgewählt, die auf deutsche Autos setzt, weil sie zuverlässig sind und sie als Restaurantbesitzerin solch ein Auto brauchte, zum Einkaufen u.a. Zur Frage nach der Musik, die überwiegend englische Titel bringt, äußert sich die Regisseurin nicht und auch die Frage, wieso in ihrem Film wie in den allermeisten des Wettbewerbs so außerordentlich viel geraucht und auch sehr viel getrunken wird, auch nicht.

 

In dem Drehbuch, das die Regisseurin der Deneuve auf die Haut schrieb, waren ihr die verschiedenen Mutterrollen ziemlich egal. Das verwundert, weil es im Film wirklich ununterbrochen in den unterschiedlichen Generationen um Tochter und Mutter und Mutter und Sohn geht. Nach dem Hauptthema des Films befragt, antwortet Catherine Deneuve, daß es darum geht, daß diese Restaurantbesitzerin sich – endlich – auf eine Reise macht und sich verändern und so auch überhaupt erst eine Beziehung zu ihrem Enkel aufbauen kann.  Paul Hamy als jugendlicher Liebhaber spielte auf der Pressekonferenz so wenig eine Rolle wie im weiteren Leben der Restaurantbesitzerin Bettie, der alle alles Gute wünschen.