N.N.
München (Weltexpresso) - 1245 Quadratmeter Stoff und eine Gondel mit Wäscheleinen: Titelheld und heimlicher Hauptdarsteller des Films ist der Heißluftballon, mit dem den Familien Strelzyk und Wetzel die Flucht in den Westen gelingt. „Theoretisch wäre es möglich gewesen, den Ballon digital am Computer zu schaffen“, sagt Michael Bully Herbig. Doch der Regisseur entschied sich dagegen.
„Vor 25 Jahren konnte man das Kinopublikum mit digitalen Dinosauriern in großes Staunen versetzen, doch heute sind die Zuschauer übersättigt, weil es fast nichts mehr gibt, was sie noch nicht auf der Leinwand gesehen haben. Das geschulte Auge sieht, ob etwas aus dem Computer kommt oder real gebaut und gedreht wurde. Ein echter Ballon in dieser Größe beeindruckt mich einfach mehr, als einer aus dem Computer. Außerdem wollte ich, dass die Schauspieler dieses „Monster“ auch anfassen können.“
Michael Bully Herbig einigte sich mit Szenenbildner Bernd Lepel und Kameramann Torsten Breuer darauf, den Ballon, mit dem die Flucht beider Familien gelang, sowie einen zweiten Ballon, mit dem die Strelzyks beim ersten Fluchtversuch abstürzten, in Originalgröße nachzubauen – trotz aller Nachteile, die sich aus dieser Entscheidung ergaben: „Die Kosten sind enorm, das Handling ist nicht einfach und man ist auf das richtige Wetter angewiesen“, sagt Herbig. „So ein Drehplan ist kein Wunschkonzert, vor allem wenn man nachts und mit Kindern dreht. Zu viel Wind würde diese Wand aus Stoff unkontrollierbar und das Drehen noch gefährlicher machen. Da ist viel Feuer im Spiel, alles wackelt und steigt bis zu 30 Meter in die Höhe, was zusätzliche Gefahren für alle Beteiligten mit sich bringt.“
Außenrequisiteur Johannes Wild vertiefte sich in die Mammutaufgabe, beide Ballone so originalgetreu wie möglich nachbauen zu lassen, wobei die zwei „Spielfahrzeuge“ aber auch absolut sicher und für Filmzwecke geeignet sein mussten. Er recherchierte im Heimatmuseum von Naila, in dem der original Fluchtballon bis 2017 ausgestellt war (aktuell wird er restauriert und wechselt Ende 2018 ins Museum der bayerischen Geschichte in Regensburg) und besprach mit Günter Wetzel jedes noch so kleine technische Detail. Die Ballonbaufirma Wörner in Augsburg, die 1979 schon den originalen Fluchtballon restaurierte, erhielt den Auftrag, die beiden Ballone anzufertigen. Der erste war 28 Meter hoch und bestand aus großflächigen Stoffbahnen in Weiß und Beige. Der zweite Ballon war 32 Meter hoch und bestand aus 1245 Quadratmetern buntem Stoff, der 150 Kilogramm auf die Waage brachte und ein Fassungsvermögen von 4200 Kubikmetern heißer Luft hatte.
Aus praktischen Gründen verwendete die Ballonbaufirma Wörner nicht den Taftstoff, der 1979 aus Mangel an Alternativen zum Einsatz kam, sondern Ballonseide. „Die saugt sich nicht so schnell mit Wasser voll, wenn sie auf der feuchten Wiese ausgebreitet wird, und hat immer das gleiche Gewicht“, sagt Johannes Wild. „Diese bessere Kontrollierbarkeit wirkte sich positiv auf unsere nächtlichen Drehpläne aus.“ Taftstoff kam aber immer dann zum Einsatz, wenn die Kamera ihn aus der Nähe zeigte: Sei es beim Einkauf in verschiedenen Stoffläden, beim Nähen im Keller der Familie Strelzyk oder wenn die Spurensicherung der Stasi den ersten Ballon, der nahe der deutsch-deutschen Grenze abgestürzt ist, untersucht.
Die Gondel für vier Erwachsene, vier Kinder und vier große Gasflaschen war – wie das Original – 1,4 mal 1,4 Meter klein und die äußere Begrenzung bestand aus vier senkrechten Stangen, um die Wäscheleinen gebunden waren. „Wir mussten die Gondel für den Film stabiler bauen als sie damals wirklich war“, sagt Johannes Wild, „sonst hätten wir keine Erlaubnis bekommen, damit Schauspieler oder Stuntleute zu befördern.“ Das Luftfahrtbundesamt untersagte den beiden Ballonen jede freie Fahrt. Der Grund dafür waren nicht die Bauart oder die verwendeten Materialien, die „bestimmt vom TÜV abgenommen worden wären“, wie Außenrequisiteur Johannes Wild schwört. Das Problem lag vielmehr darin, dass beide Fluchtversuche bei Nacht stattfanden, aber das Luftfahrtbundesamt bei Dunkelheit generell keine Starterlaubnis für Heißluftballone erteilt. Beide Ballone wurden deshalb immer als Fesselballone betrieben und durften nie höher als 30 Meter vom Boden entfernt sein. Dafür sorgten vier reißfeste Seile, die an einschraubbaren Bodenankern und zusätzlich an dicken Baumstämmen festgebunden waren und ein Abtreiben des Ballons nahezu unmöglich machten. Die Last, die auf dieses Sicherungssystem einwirkte, lag schnell im Tonnenbereich, da schon geringe Windgeschwindigkeiten ausreichten, um die riesige Stofffläche schwer kontrollierbar zu machen.
„Ich hatte einen Heidenrespekt vor diesen Ballonen, aber bin im Nachhinein wahnsinnig froh, dass wir diesen Aufwand betrieben haben“, sagt Michael Bully Herbig. „Der Film heißt BALLON – und entsprechend wichtig war mir, dass alle Szenen mit dem Ballon authentisch, beeindruckend und gefährlich wirken.“ Die Schauspieler durften in der Gondel maximal drei Meter über dem Boden schweben, bei allen Dreharbeiten in einer Höhe zwischen vier und 30 Metern standen oder saßen der erfahrene Ballonpilot Stefan Dolpp und mehrere Stuntleute in der Gondel. Für die Sicherheit war Stuntkoordinator Torsten Jerabek verantwortlich. Er entschied, in welchen Fällen die Schauspieler durch Stuntleute oder auch durch lebensgroße Puppen ersetzt wurden. Die Menschen in der Gondel waren nur durch eine Seil-Reling und teilweise durch Gurte vor dem Absturz gesichert. Zusätzliche Schutzmaßnahmen gab es nicht: „Das ist Berufsrisiko“, sagt Torsten Jerabek. „Aber wir machen natürlich vorher Belastungstests mit Gewichten. Alle Einzelkomponenten der Gondel wurden von qualifizierten Leuten zusammengeschweißt. Wir verlassen uns darauf, dass sie alles richtig gemacht haben.“
Obwohl Gefahren und kalkulierte Risiken zum Tagesgeschäft eines Stuntkoordinators zählen, kann Torsten Jerabek nur schwer nachvollziehen, welchem Risiko sich die Familien Strelzyk und Wetzel im Jahr 1979 bei ihrer Flucht ausgesetzt haben: „Ohne weitere Vorkenntnisse einen Ballon zu bauen und damit in den Westen zu fliehen, war eine verrückte Aktion. Die Chance, dass dabei nichts schiefgeht, war eher gering. Aber Peter Strelzyk und Günter Wetzel waren immer überzeugt, dass das funktioniert. Ich glaube, das war auch die Voraussetzung für ihren Erfolg.“
Manche Nahaufnahmen der Schauspieler entstanden in einem „Mock-up“, für den nur der untere Teil der Ballonhülle samt Gondel nachgebaut wurde. Ein Kran hielt diesen über dem Boden, entweder am Drehort in Dietramszell oder vor einem nachtschwarzen Hintergrund im Studio auf dem Bavaria Gelände. „Auch wenn es die Verabredung gab, dass wir nicht höher als drei Meter über dem Grund baumeln dürfen, musste ich für die vielen Szenen im Ballon gegen meinen inneren Schweinehund ankämpfen“, sagt Friedrich Mücke, der seine Flug- und Höhenangst nur für berufliche Zwecke überwindet: „Seit ich vor acht Jahren von den Dreharbeiten für Friendship! aus den USA zurückgeflogen bin, habe ich kein Flugzeug mehr betreten.“ Dennoch nutzte er die Gelegenheit, vor Beginn der BALLON-Dreharbeiten mit David Kross und einem erfahrenen Piloten eine Ballonfahrt zu absolvieren: „Das hatte eine total therapeutische Wirkung.“ David Kross überraschte bei dieser Ballonfahrt, dass der selbstgenähte Fluchtballon von 1979 noch größer war als der Ballon, mit dem er und Friedrich Mücke ihre Testfahrt absolvierten: „Es ist schwer vorstellbar, dass zwei Paare mit ihren beschränkten Mitteln und einer alten Nähmaschine diese vielen kleinen Stofffetzen zum damals größten Heißluftballon Europas zusammengenäht haben. Je mehr man sich mit dieser Geschichte beschäftigt, desto krasser wird sie.“
Foto:
© Studiocanal GmbH / Marco Nagel
Info:
circa 125 Minuten
Besetzung
Peter Strelzyk Friedrich Mücke
Doris Strelzyk . Karoline Schuch
Günter Wetzel David Kross
Petra Wetzel Alicia von Rittberg
Oberstleutnant Seidel Thomas Kretschmann
Michael Bully Herbig einigte sich mit Szenenbildner Bernd Lepel und Kameramann Torsten Breuer darauf, den Ballon, mit dem die Flucht beider Familien gelang, sowie einen zweiten Ballon, mit dem die Strelzyks beim ersten Fluchtversuch abstürzten, in Originalgröße nachzubauen – trotz aller Nachteile, die sich aus dieser Entscheidung ergaben: „Die Kosten sind enorm, das Handling ist nicht einfach und man ist auf das richtige Wetter angewiesen“, sagt Herbig. „So ein Drehplan ist kein Wunschkonzert, vor allem wenn man nachts und mit Kindern dreht. Zu viel Wind würde diese Wand aus Stoff unkontrollierbar und das Drehen noch gefährlicher machen. Da ist viel Feuer im Spiel, alles wackelt und steigt bis zu 30 Meter in die Höhe, was zusätzliche Gefahren für alle Beteiligten mit sich bringt.“
Außenrequisiteur Johannes Wild vertiefte sich in die Mammutaufgabe, beide Ballone so originalgetreu wie möglich nachbauen zu lassen, wobei die zwei „Spielfahrzeuge“ aber auch absolut sicher und für Filmzwecke geeignet sein mussten. Er recherchierte im Heimatmuseum von Naila, in dem der original Fluchtballon bis 2017 ausgestellt war (aktuell wird er restauriert und wechselt Ende 2018 ins Museum der bayerischen Geschichte in Regensburg) und besprach mit Günter Wetzel jedes noch so kleine technische Detail. Die Ballonbaufirma Wörner in Augsburg, die 1979 schon den originalen Fluchtballon restaurierte, erhielt den Auftrag, die beiden Ballone anzufertigen. Der erste war 28 Meter hoch und bestand aus großflächigen Stoffbahnen in Weiß und Beige. Der zweite Ballon war 32 Meter hoch und bestand aus 1245 Quadratmetern buntem Stoff, der 150 Kilogramm auf die Waage brachte und ein Fassungsvermögen von 4200 Kubikmetern heißer Luft hatte.
Aus praktischen Gründen verwendete die Ballonbaufirma Wörner nicht den Taftstoff, der 1979 aus Mangel an Alternativen zum Einsatz kam, sondern Ballonseide. „Die saugt sich nicht so schnell mit Wasser voll, wenn sie auf der feuchten Wiese ausgebreitet wird, und hat immer das gleiche Gewicht“, sagt Johannes Wild. „Diese bessere Kontrollierbarkeit wirkte sich positiv auf unsere nächtlichen Drehpläne aus.“ Taftstoff kam aber immer dann zum Einsatz, wenn die Kamera ihn aus der Nähe zeigte: Sei es beim Einkauf in verschiedenen Stoffläden, beim Nähen im Keller der Familie Strelzyk oder wenn die Spurensicherung der Stasi den ersten Ballon, der nahe der deutsch-deutschen Grenze abgestürzt ist, untersucht.
Die Gondel für vier Erwachsene, vier Kinder und vier große Gasflaschen war – wie das Original – 1,4 mal 1,4 Meter klein und die äußere Begrenzung bestand aus vier senkrechten Stangen, um die Wäscheleinen gebunden waren. „Wir mussten die Gondel für den Film stabiler bauen als sie damals wirklich war“, sagt Johannes Wild, „sonst hätten wir keine Erlaubnis bekommen, damit Schauspieler oder Stuntleute zu befördern.“ Das Luftfahrtbundesamt untersagte den beiden Ballonen jede freie Fahrt. Der Grund dafür waren nicht die Bauart oder die verwendeten Materialien, die „bestimmt vom TÜV abgenommen worden wären“, wie Außenrequisiteur Johannes Wild schwört. Das Problem lag vielmehr darin, dass beide Fluchtversuche bei Nacht stattfanden, aber das Luftfahrtbundesamt bei Dunkelheit generell keine Starterlaubnis für Heißluftballone erteilt. Beide Ballone wurden deshalb immer als Fesselballone betrieben und durften nie höher als 30 Meter vom Boden entfernt sein. Dafür sorgten vier reißfeste Seile, die an einschraubbaren Bodenankern und zusätzlich an dicken Baumstämmen festgebunden waren und ein Abtreiben des Ballons nahezu unmöglich machten. Die Last, die auf dieses Sicherungssystem einwirkte, lag schnell im Tonnenbereich, da schon geringe Windgeschwindigkeiten ausreichten, um die riesige Stofffläche schwer kontrollierbar zu machen.
„Ich hatte einen Heidenrespekt vor diesen Ballonen, aber bin im Nachhinein wahnsinnig froh, dass wir diesen Aufwand betrieben haben“, sagt Michael Bully Herbig. „Der Film heißt BALLON – und entsprechend wichtig war mir, dass alle Szenen mit dem Ballon authentisch, beeindruckend und gefährlich wirken.“ Die Schauspieler durften in der Gondel maximal drei Meter über dem Boden schweben, bei allen Dreharbeiten in einer Höhe zwischen vier und 30 Metern standen oder saßen der erfahrene Ballonpilot Stefan Dolpp und mehrere Stuntleute in der Gondel. Für die Sicherheit war Stuntkoordinator Torsten Jerabek verantwortlich. Er entschied, in welchen Fällen die Schauspieler durch Stuntleute oder auch durch lebensgroße Puppen ersetzt wurden. Die Menschen in der Gondel waren nur durch eine Seil-Reling und teilweise durch Gurte vor dem Absturz gesichert. Zusätzliche Schutzmaßnahmen gab es nicht: „Das ist Berufsrisiko“, sagt Torsten Jerabek. „Aber wir machen natürlich vorher Belastungstests mit Gewichten. Alle Einzelkomponenten der Gondel wurden von qualifizierten Leuten zusammengeschweißt. Wir verlassen uns darauf, dass sie alles richtig gemacht haben.“
Obwohl Gefahren und kalkulierte Risiken zum Tagesgeschäft eines Stuntkoordinators zählen, kann Torsten Jerabek nur schwer nachvollziehen, welchem Risiko sich die Familien Strelzyk und Wetzel im Jahr 1979 bei ihrer Flucht ausgesetzt haben: „Ohne weitere Vorkenntnisse einen Ballon zu bauen und damit in den Westen zu fliehen, war eine verrückte Aktion. Die Chance, dass dabei nichts schiefgeht, war eher gering. Aber Peter Strelzyk und Günter Wetzel waren immer überzeugt, dass das funktioniert. Ich glaube, das war auch die Voraussetzung für ihren Erfolg.“
Manche Nahaufnahmen der Schauspieler entstanden in einem „Mock-up“, für den nur der untere Teil der Ballonhülle samt Gondel nachgebaut wurde. Ein Kran hielt diesen über dem Boden, entweder am Drehort in Dietramszell oder vor einem nachtschwarzen Hintergrund im Studio auf dem Bavaria Gelände. „Auch wenn es die Verabredung gab, dass wir nicht höher als drei Meter über dem Grund baumeln dürfen, musste ich für die vielen Szenen im Ballon gegen meinen inneren Schweinehund ankämpfen“, sagt Friedrich Mücke, der seine Flug- und Höhenangst nur für berufliche Zwecke überwindet: „Seit ich vor acht Jahren von den Dreharbeiten für Friendship! aus den USA zurückgeflogen bin, habe ich kein Flugzeug mehr betreten.“ Dennoch nutzte er die Gelegenheit, vor Beginn der BALLON-Dreharbeiten mit David Kross und einem erfahrenen Piloten eine Ballonfahrt zu absolvieren: „Das hatte eine total therapeutische Wirkung.“ David Kross überraschte bei dieser Ballonfahrt, dass der selbstgenähte Fluchtballon von 1979 noch größer war als der Ballon, mit dem er und Friedrich Mücke ihre Testfahrt absolvierten: „Es ist schwer vorstellbar, dass zwei Paare mit ihren beschränkten Mitteln und einer alten Nähmaschine diese vielen kleinen Stofffetzen zum damals größten Heißluftballon Europas zusammengenäht haben. Je mehr man sich mit dieser Geschichte beschäftigt, desto krasser wird sie.“
Foto:
© Studiocanal GmbH / Marco Nagel
Info:
circa 125 Minuten
Besetzung
Peter Strelzyk Friedrich Mücke
Doris Strelzyk . Karoline Schuch
Günter Wetzel David Kross
Petra Wetzel Alicia von Rittberg
Oberstleutnant Seidel Thomas Kretschmann