N.N.
München (Weltexpresso) - Jeder Thriller kann nur so gut sein wie der Gegenspieler der Protagonisten. In BALLON füllt Thomas Kretschmann diese Rolle mit Bravour aus: als Stasi-Oberstleutnant Seidel, der mit allen Mitteln verhindern will, dass ein zweiter Fluchtversuch per Heißluftballon durchgeführt werden kann. „Seidel ist der Jäger, der Spürhund“, sagt Thomas Kretschmann. „Nachdem der erste Fluchtversuch kurz vor der Grenze gescheitert ist und die Ballonhülle gefunden wird, setzt die Stasi eine riesige Maschinerie in Gang.
Der Film ist wie ein Krimi aufgebaut, und Seidel ist darin der Kommissar, der die vermeintlichen Verbrecher aufspüren will. Er ist ziemlich schlau, ein Analytiker und Taktiker, der keine Skrupel kennt und die Menschen genau seziert.“ Thomas Kretschmann schätzt die Authentizität der Geschichte: „Als ich das Drehbuch las, konnte ich die Angst riechen, die dieser Seidel unter den Menschen verbreitet. Ich habe solche Typen in der DDR selbst erlebt. Einer saß mir bei der Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule Ernst Busch gegenüber. Zum krönenden Abschluss fragte er mich, ob ich vor meiner Ausbildung nicht lieber drei statt anderthalb Jahre zur Armee gehen möchte. Ich wusste genau: Wenn ich widerspreche, bekommt der Nächstbessere oder - schlechtere meinen Studienplatz.“
Thomas Kretschmann brachte sich, auf Umwegen, selbst für die Rolle des Oberstleutnants Seidel ins Gespräch: „Ich habe Michael Bully Herbig am Rande einer Veranstaltung gesagt, dass ich gern mal unter seiner Regie spielen würde, weil ich ihn so großartig finde. Allerdings dachte ich eigentlich an eine Komödie.“ Herbig erkannte sofort die Chance, die sich ihm und seinem ersten Thriller durch die Besetzung eines gleichermaßen in Deutschland und Hollywood etablierten Kinostars mit DDR-Vergangenheit bieten würde. „Ich lud Thomas Kretschmann zu einer Drehbuchbesprechung ein, bei der wir schnell merkten, dass unsere Sicht auf Seidel nahezu deckungsgleich war“, sagt Michael Bully Herbig. Thomas Kretschmann wertet es als „Ironie des Schicksals“, dass ausgerechnet er einen Stasi-Mann spielt, der die Flucht von DDR- Bürgern verhindern will: „Ich bin 1983 aus der DDR abgehauen und an meinem 21. Geburtstag zuerst einmal über die Grenze von Ungarn nach Jugoslawien gerannt. Die hätten mich dabei erschießen können, aber nicht wegbomben, weil es an dieser Grenze keine Minen gab.“
Thomas Kretschmann wertet die Rolle des Oberstleutnants als Geschenk: „Je weiter eine Rolle von mir weg ist, desto sicherer fühle ich mich als Schauspieler. Ich bin froh, dass ich den Jäger spiele und nicht den Gejagten, den ich aufgrund meiner eigenen Biographie viel besser kenne. Seidel ist nicht einfach nur böse. Der Film zeigt, warum er so ist, wie er ist: Er hat eine Mission. Er gehört zu denjenigen, die anderen sagen, wo es lang geht, und die andere weichklopfen, bis sie keinen eigenen Willen mehr haben.“ Michael Bully Herbig und Kostümbildnerin Lisy Christl entschieden sich gegen eine Uniform für den Oberstleutnant. „Uniformen wurden bei der Staatssicherheit in der Regel nur zu Jahrestagen und hohen Anlässen getragen, aber sie wären bei der täglichen Arbeit hinderlich gewesen“, sagt Lisy Christl. „Seidel trägt Anzüge und Mäntel, die an klassische Kommissare erinnern.“
Für Seidels Frisur gab Thomas Kretschmann selbst den entscheidenden Anstoß. Michael Bully Herbig erinnert sich: „Er meldete sich aus Kanada, wo er gerade mit Mel Gibson drehte, und schickte ein Foto, das ihn mit ganz kurzen Haaren und Vollbart zeigte. Das sah super aus und ich habe ihn anfangs gar nicht erkannt. Netterweise hat er nach den Dreharbeiten den Bart nicht komplett abrasiert, sondern stand zwei Tage vor seinem ersten Drehtag mit Schnauzbart und kurzen Haaren vor mir. Genau so wollte ich den Oberstleutnant Seidel im Film haben. Wir hatten dann schon die erste Szene mit einem langen Dialog und vielen Komparsen gedreht, als der historische Berater, den wir immer am Set hatten, zu mir kam und anmerkte: „Herr Herbig, ich möchte sie nur drauf aufmerksam machen, dass Schnauzer bei der Stasi verboten waren.“ Wie bitte? „Schnauzer waren bei der Stasi und bei der NVA nicht erlaubt.“
Jetzt schauten mich auf einmal 50 Leute aus dem Team an und wollten wissen, ob wir weiterdrehen oder Thomas Kretschmann zur Rasur in die Maske muss.“ Herbig wollte aber keine Typveränderung seines Antagonisten und richtete sich innerlich darauf ein, später von Kritikern „Prügel“ zu bekommen: „Nach dem Drehtag ließ mich das nicht mehr los. Ich rief Leander Haußmann an und erzählte ihm, dass ich glaubte einen Riesenbock geschossen zu haben, weil ich den Seidel mit einem verbotenen Schnauzer angedreht habe. Plötzlich schrie Leander Haußmann: „Nein! Das ging! Es gab eine Ausnahme.“ Welche? „Wenn man eine Hasenscharte hatte, war der Schnauzer erlaubt!“
Foto:
Das ist nicht Thomas Kretschmann, sondern Familie Strelzyk
© Studiocanal GmbH / Marco Nagel
Info:
circa 125 Minuten
Besetzung
Peter Strelzyk Friedrich Mücke
Doris Strelzyk . Karoline Schuch
Günter Wetzel David Kross
Petra Wetzel Alicia von Rittberg
Oberstleutnant Seidel Thomas Kretschmann
Foto:
Das ist nicht Thomas Kretschmann, sondern Familie Strelzyk
© Studiocanal GmbH / Marco Nagel
Info:
circa 125 Minuten
Besetzung
Peter Strelzyk Friedrich Mücke
Doris Strelzyk . Karoline Schuch
Günter Wetzel David Kross
Petra Wetzel Alicia von Rittberg
Oberstleutnant Seidel Thomas Kretschmann