Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. September 2018, Teil 15
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ja, wer hat ihn gekillt? Es war gar kein Mann, es war die Zeit, der Zahn der Zeit, der hier den unvollendeten Film über DON QUIXOTE: 'Man from La Mancha' von Terry Gilliam auf dem Gewissen hat. Aber die Zeit hat kein Gewissen, sie schreitet unaufhörlich voran und als auch noch Jean Rochefort starb, der den Quixote in dem Film verkörpert hatte, den also Gilliam vor über 25 Jahren zu drehen angefangen hatte, spätestens da war dem Filmemacher klar: jetzt oder nie.
So verrückt geht es zu, aber ehrlich gesagt, kann ich das gut verstehen, denn, gerade weil der Protagonist verstarb, wird es drängender, ob man das vor seinem eigenen Tod noch aufarbeitet, noch schafft oder nicht. Nachdem er fast 30 Jahre an dem Projekt arbeitete, resümiert Gilliam seine Erfahrungen: „Wir haben so lange daran gearbeitet, dass die Vorstellung, diesen ‚geheimen’ Film zu beenden, ziemlich surreal war. Jeder vernünftige Mensch hätte schon vor Jahren aufgegeben, aber manchmal gewinnen am Ende die störrischen Träumer. Ich danke also allen schlecht bezahlten Fantasten und Gläubigen, die sich mir anschlossen, um diesen alten Traum Wirklichkeit werden zu lassen.“
Wir gehören zu denen, denen der Film als auf- und ausgebaute Ruine noch was zu sagen hat. Für uns hat Terry Gilliam richtig entschieden, aus dem vorhandenen Material von damals einen ‚fertigen‘ Film zu machen, auch wenn wir dies eher als Kuriosum empfinden und beim Anschauen nicht von tiefer Ehrfurcht geschüttelt sind, dafür aber oft und laut gelacht haben. Das dann hatte meist mit Adam Driver zu tun, den man in einem solchen Film nicht erwartet.
Mit ihm fängt das Ganze auch an und Anfänge, in denen man nicht weiß, um was es geht und was das Ganze soll, die liebe ich. Denn, wenn es sich dann klärt, habe ich als Zuschauerin meine erste Aufgabe erfüllt und mich als Spurenleserin erwiesen. Zu allererst sehen wir nämlich den Dreh eines Werbespots, noch ohne das zu wissen. Es geht nämlich schon um Windmühlen, um Spanisches und um Durcheinander. Aber das Ganze dient einem kommerziellen Werbefilmchen, den der amerikanische Star Toby (Adam Driver) seinem Auftraggeber, einem genauso arroganten namenlosen Boß (Stellan Skarsgard), dessen Frau noch dazu Tobys heimliches Gspusi ist, als gekonnte Auftragsarbeit hier abliefern will, wo ihn aber ständige Störungen nerven. Wie gerade jetzt.
Da taucht noch dazu ein seltsamer Mensch auf, ein Zigeuner, der Krimskrams verkaufen will, ihm eine DVD aufdrängt – und jetzt wissen wir gleich, was das mit Don Quixote zu tun hat. Es ist nämlich Tobys studentischer Abschlußfilm um den spanischen Klassiker, den er in Schwarz-Weiß in einem kleinen spanischen Dorf mit dortigen Bewohnern gedreht hatte. - Halt, hier baut nun Regisseur Gilliam seine alten Aufnahmen ein. - Zurück zum Filmgeschehen: Den Zurechtkommer und Zyniker übermannt die Rührung und er nutzt das Durcheinander beim Drehen, setzt aus und haut ab, sucht und findet das kleine Dorf von damals. Aber o weh. Das Mitwirken in diesem Film über Quixote hatte den Einwohnern kein Glück gebracht. Aus der bezaubernden und ach so unschuldigen Angelica ist eine frustrierte Frau geworden, den Schuster hat es noch schlimmer erwischt. Der ist nämlich nicht bei seinen Leisten geblieben, sondern hat sich in der Rolle des Don Quixote eingerichtet, ist buchstäblich zum Ritter von der traurigen Gestalt geworden, der nach seiner Dulcinea sucht und alles zusammenschlägt, was er für Hindernisse hält.
Eigentlich muß und darf man jetzt gar nicht weitererzählen. Die Tragik liegt darin, daß das erstmalige Eintreffen von Toby damals schon üble Folgen hatte, die sind aber nichts im Vergleich mit dem, was nun folgt, wo zudem erneut der selbsternannte Don Quixote den angekommenen Toby zum Sancho Pansa macht, der mehr als ein Abenteuer zu bestehen hat, wobei erst einmal das ganze Dorf abbrennt, dessen skurrile Bewohner (Bauer/Sergi López und Bauersfrau – übrigens warum nicht Bäuerin?/ Rossy De Palma, unvergessen aus den Filmen von Pedro Almodóvar, der nächstes Jahr auch schon 70 Jahre wird) das Ganze noch schräger machen. Da passieren die unglaublichsten Dinge und ab irgendwann wissen wir Zuschauer, oder zumindest ich, auch nicht mehr so genau, ob wir den Dämonen der Bewohner, des Quixote, der Landschaft oder denen des Filmregisseurs Toby, der zum Sancho wird, folgen. Oder auch den Dämonen des Regisseurs Terry Gilliam.
Da gibt es Gespenster, aber da gibt es auch die damals unschuldige Dulcinea del Toboso, die man sucht und findet und da braucht‘s gar keiner Gespenster und Dämonen mehr,der Mensch ist dem Mensch ein Wolf, sehen Sie selbst, wie sich die beiden in der la Mancha schlagen.
P.S. Spanisch geht es nicht zu, eher wie in englischen Fairy Tales, wie das Filmfoto zeigt. Toby ist Amerikaner, Don Quixote Engländer, der russische Boß, der finanziert, Schwede, seine Frau, das Techtelmechtel von Toby ist Russin, Dulcinea ist Portugiesin. Aber das Chaos ist so spanisch wie es anderen Ortes ist.
Fotos:
© Verleih
Info:
DIE BESETZUNG
Adam Driver (Toby)
Jonathan Pryce (Don Quixote)
Stellan Skarsgård (Der Boss)
Olga Kurylenko (Jacqui)
Joana Ribeiro (Angelica)
Óscar Jaenada (Der Zigeuner)
Jason Watkins (Rupert)
Sergi López (Der Bauer)
Rossy De Palma (Die Bauersfrau)
Hovik Keuchkerian (Raúl)
Jordi Mollá (Alexei Mishkin
Spanien, Frankreich, Belgien, Portugal, 2018, 133 Minuten