Wer gewinnt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 63. Berlinale vom 7. bis 17. Februar 2013, Teil 11/26
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Sie können bei diesem kanadischen Film nicht so genau wissen, ob Sie träumen oder wachen, ob sie den Träumen der Darsteller zusehen oder deren Wirklichkeit oder ob das alles vier ineinander übergeht, wofür viel spricht. Und was soll die zweite Bärenfalle im Wettbewerb.
Das allerdings konnte niemand des kanadischen Teams, daß ihre Bärenfalle schon die zweite Bärenfalle auf dieser Berlinale ist, denn GOLD hatte schon einmal einen damit zu Tode gebracht. Und nimmt man es genau, dann sind es sogar drei Bärenfallen, denn schließlich müssen sowohl Vic wie auch Flo....ach, was, soviel soll man auch nicht verraten und gleich zum Schluß kommen. Ordentlich, wobei gesagt werden muß, daß weder Vic noch Flo ordentlich sind, aber ordentlich muß man mit dem Anfang anfangen. Mit dem Anfang? Naja, wenigstens mit dem des Films.
Da sehen wir gleich so eine merkwürdige Szenerie. Da kommt eine Frau aus einem Gebäude heraus, das sieht irgendwie unangenehm aus. Sie stellt sich an eine Bushaltestelle, wo ein Junge, aha, Pfadfinder soll er sein, Trompete spielt, so falsch, wie es nur geht, weshalb diese Frau ihm ausdrücklich auf sein schlechtes Spiel hin Münzen verweigert. Das wird sich rächen, aber das kommt später.
Wir sehen Vic (Pierette Robitaille), eine ältere Frau, die im Gefängnis ihre Strafe verbüßte und sich nun zurückzieht in eine Hütte im Wald, die der Familie gehört. Dort muß sie zur Kenntnis nehmen, daß ihr Onkel gelähmt und ein Pflegefall ist. Er wurde versorgt von Nachbarn, die erst kooperativ scheinen, später aber zu den schlimmen Feinden gehören. Dazwischen aber ist Flo (Romane Bohringer) gekommen, ihre Geliebte aus dem Gefängnis. Die aber – das stellt sich bald heraus – gibt Vic andere verbale Informationen als ihre Taten zeigen. Denn mit der weiblichen Lust ist es für sie nicht getan. Sie treibt sich in der dörflichen Bar herum, wo sie gleich als Hure wahrgenommen wird. Schließlich läßt sie sich sofort mit einem Mann ein. Das tut man dort nicht.
Währenddessen muß sich Vic mit dem Bewährungshelfer (Marc-André Grondin) herumschlagen, wobei man offen sagen muß, daß, wäre man selbst je in dieser Situation, man froh wäre, so einen netten zu haben. Aber, das ist durchgehend, irgendwie sind diese beiden Frauen nicht von der netten Art. Aber die Nachbarin ist doch nett, die Vic die Gartenkunst beibringt und ihr auch sonst Hilfe anbietet. Nur, als Floh diese sieht, wird sie blaß, denn es ist ihre Mitgefangene von damals, die mit ihr noch ein Hühnchen zu rupfen hat.
Mehr als diese Rundumbeschreibung wollen wir nicht erzählen. Denn der durchaus rätselhafte Film interessiert nicht so sehr wegen der Geschichte, sondern der Art und Weise, wie er erzählt wird. Wie die Ebenen ineinandergleiten und sich eine Atmosphäre von Heimlichkeit und Unheimlichkeit aufbaut, das hat etwas. Richtig skurril fühlt man sich angesichts von soviel Skurrilität einerseits, aber Ängste entwickelt man auch, so in der Richtung, allein im Wald so für mich hin zu gehen. Und genau das ist dann die Falle.
Aus der Pressekonferenz:
Für Regisseur Denis Coté ist dies der erste Film, der in aus der Wirklichkeit herausführt, weil er jeden Tag Wirklichkeit hat und keine Lust hat, die dauernd abzubilden. Er möchte eine Verformung der Wirklichkeit hinbekommen. Frage nach dem Titel, ob Kinderfilm oder Zeichentrickfilm? Der Regisseur findet den Titel deshalb witzig. Über die Bärenfalle am Schluß will Romane Bohringer nichts erzählen, nur daß sie die doppelte Seite des Films gut findet, die ins Phantastische abgleitet. Das Ende ist etwas verrückt, aber sie hat es so noch nicht erlebt, es gefällt ihr aber.
Nachfrage nach der Geschichte und der Kamera, weil die Schauspielerin Pierette Robitaille noch nie so schön fotografiert wurde. Ausgangspunkt ist, daß der Regisseur endlich einmal etwas über Frauen machen wollte. Das, was er geschrieben hat, hat er an Freundinnen geschickt, die die Dialoge beurteilt haben. Er hat direkt für Pierette Robitaille gearbeitet, die für ihn eine Herausforderung ist. Pierette war für Romane Bohringer, die sie als berühmte kanadische Theaterschauspielerin ist, nicht kannten, beim ersten Blick genau diese Vic. Die Zusammenarbeit war sehr einfach. Was hat Flo gemacht, in der Mitte des Films, daß dieses Ungeheuer so wütend auf sie war.
Im Film von Denis Coté fällt das Böse immer vom Himmel, geschieht zufällig, es gibt nicht den bösen Menschen an sich. Marc-André Grondin wird gefragt, ob er die Arbeit als Sozialarbeiter oder Bewährungshelfer sich zuvor angeschaut hat. Er kannte sich im Milieu aus, darum war es kein Problem. Er wollte ernsthaft sein und jemand Gradlinigen zeigen, auch wenn erst einmal als unsympathisch rüberkommt..
„Wenn ich der Typ bin, von dem die Leute sagen, er sei auf den Festivals vertreten, heißt das ja, daß meine Filme keine Kasse machen.“ , meinte der Regisseur. Für mich ist das sehr schmeichelhaft, hier zu sein und dieser Film wird beides vereinen.“ Eine Frau will eigentlich Männer, die andere liebt diese total. Dann klopft das Schicksal an die Tür. Die Frage der Homosexualität wurde nicht gestellt, sondern war als Voraussetzung gesetzt. Es geht um die Realität des Gefängnisses, wo Frauen deshalb auf Frauen kommen, weil sie damit geschützt sind anderen gegenüber und dies eine Form des Überlebens ist. Der Regisseur wollte zwei Personen schildern, die man lieb gewinnt und dann sind sie tot. Und Sie als Zuschauer lächeln dabei. Er ist auf seine Arbeit stolz.