F cottbusMit REGIO:SILESIA widmet sich das Festival in diesem Jahr der Industrie- und Regionalgeschichte Oberschlesiens, die symptomatisch ist für die Entwicklung Mitteleuropas seit dem 19. Jahrhundert

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) - Schlesien ist mehr. In der Regionalgeschichte Oberschlesiens finden das Schicksal und die Herausforderungen zwischen Gründerzeit und Postsozialismus, zwischen zwei Kriegen und mehreren Sprachen, Industrialisierung und postindustrieller Standortbestimmung ihren Ausdruck. Hier lassen sich mitteleuropäische Geschichte und der Strukturwandel vom 20. ins 21. Jahrhundert ablesen – in einer von den Wunden verschiedener Kriege und Vertreibungen geprägten Landschaft, die, ähnlich wie die Region Lausitz, vor der Herausforderung steht, sich vom Bergbau als identitätsstiftendem Wirtschaftsfaktor zu verabschieden. Noch in den 1980er-Jahren galt die oberschlesische Verwaltungsstadt Katowice als am stärksten verschmutzter Ort Europas, heute hat sich die Metropole in einen international wettbewerbsfähigen Standort für die Kultur- und Kongressindustrie entwickelt. Im Dezember 2018 findet dort die 24. UN-Klimakonferenz statt.

Filmisch ging Schlesien – die Region „Oberschlesien“ liegt heute in den polnischen Verwaltungsgebieten „Opole“ (Oppeln) und „Śląskie“ (Schlesien) – schon immer eigene Wege, wobei die Filme von Altmeistern wie Kazimierz Kutz und Lech Majewski Kultstatus erreichten. Mit 13 Filmen wirft REGIO: SILESIA einen Blick auf Tradition und Moderne in Schlesien, auf eine ganz eigene, aus unterschiedlichen Kulturen gespeiste Identität mit speziellem Humor und einer eigenen Sprache, einer zuweilen sperrigen Mentalität und starkem Regionalbewusstsein. Dazu gehören auch filmische Blicke in die Vergangenheit und in den tschechischen Teil Schlesiens, nach Mährisch-Schlesien mit seinem Verwaltungssitz Ostrava (Ostrau). 2019 wird sich das FFC der Region Niederschlesien widmen. (Text: Bernd Buder, Programmdirektor Filmfestival Cottbus)

TERMINE
Mi, 7.11.2018 ▪ Fr, 9.11.2018 ▪ Sa, 10.11.2018 ▪ So, 12.11.2018

SPIELSTÄTTEN

Glad-House ▪ Obenkino ▪ Kammerbühne
Glad-House und Obenkino: Straße der Jugend 16, 03046 Cottbus

Kammerbühne: Wernerstr. 60, 03046 Cottbus

LIEBE IN DER GARTENSTADT (MIŁOŚĆ W MIEŚCIE OGRODÓW)

INGMAR VILLQIST/ ADAM SIKORA, PL 2017, 93 MIN

Michał ist Stararchitekt, introvertiert und reich. Seine Frau Marta auf dem besten Wege, sich als Kunstkuratorin zu etablieren. Da taucht plötzlich die junge, verführerische Balletttänzerin Julia auf und bringt Michałs durchkalkulierte Welt der ästhetischen Algorithmen ins Wanken. Die Familie zerbröselt wie ein oberschlesischer Streuselkuchen.

Mi 7.11. 10:00

Glad-House

PEKING 2008 (PEKIN 2008)

DAGMARA DRZAZGA, PL 2008, 40 MIN

Die schlesische Regisseurin dreht einen neuen Spielfilm in einer verarmten Bergarbeitersiedlung – es wird zugleich ein Making-Off vorbereitet. Bald verlässt jedoch die Kamera das Set und begleitet die Laiendarsteller und Komparsen durch die Welt am Rande des Drehortes.

MÓJ NIEMANDSLAND

WOJCIECH KRÓLIKOWSKI, PL 2017, 44 MIN

„Ich empfinde mich als Schlesier, dies ist meine Nationalität, dies ist meine Religion.“ Der Urheber dieser Aussage heißt Janosch, bekannt als Schriftsteller, Autor und Illustrator zahlreicher Kinderbücher. Sein Wunsch: in einem gemütlichen Haus an einem ruhigen Fluss zu wohnen. Seine Kindheit hat ihm so etwas kaum beschert.

Mi 7.11. 12:00

Glad-House

DER FALL GLEIWITZ

GERHARD KLEIN, DDR 1961, 67 MIN

Der von der DEFA 1961 gedrehte Spielfilm erzählt die Einzelheiten der Vorbereitung und den Verlauf des Überfalls auf den Sender Gleiwitz in Polen, der eine von den Nazis präzise vorbereitete und gekonnt inszenierte Provokation war. Am 1. September 1939 kam dann der Zweite Weltkrieg ins Rollen. Sechs Jahre später gab es 43 Millionen Tote und Europa war zur Trümmerlandschaft geworden.

Mi 7.11. 15:00

Obenkino

AGFA 1939: MEINE REISE IN DEN KRIEG (PODRÓŻ W CZASY WOJNY)

MICHAŁ WNUK, PL 2015, 54 MIN

Eine Kiste mit AGFA-Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg und zwei 16mm-Filme. Der Filmemacher will wissen, woher sie kommen und wie sie in Besitz der Familie gelangten. Found-Footage-Reflexion über die Unmöglichkeit, Geschichte nur aus einer Perspektive zu erzählen.

JÓZIO, KOMM NACH HAUSE (JÓZIO, CHODŹ DO DOMU)

MARCIN CHŁOPAŚ, PL 2016, 30 MIN

Oft bietet die Reise in die Vergangenheit die Chance, unsere Zukunft neu zu gestalten. Leider gehört auch der Schmerz der Erinnerung zum notwendigen Equipment dazu – und man braucht Mut und ein offenes Herz, wie Józio, der nach 54 Jahren der Emigration in Israel seinen Geburtsort besucht.

Fr 9.11. 14:00

Kammerbühne

DIE LETZTE SCHICHT VON TOMÁŠ HISEM (POSLEDNÍ ŠICHTA TOMÁŠE HISEMA)

JINDŘICH ANDRŠ, CZ 2017, 29 MIN

Ein einziger Lichtstrahl zerteilt das Dunkel unter Tage, die Lampe am Helm von Tomáš Hisem. Ein letztes Mal vor der Zechenschließung in zwei Tagen ist der Bergmann mit dem Förderkorb in die Tiefe gerast, diesmal hat er heimlich eine Helmkamera dabei.

DIE KOHLEGRUBE (GRUBA)

MARIA ZMARZ-KOCZANOWICZ, PL 2017, 65 MIN

Eine der vielen maroden Minen in Oberschlesien. Drei Frauen arbeiten in der Nachtschicht, zuständig für die Reinigung der Verladeanlage der Steinkohle. Dreckige Umkleideräume, stinkende Klos, lärmende Maschinen. Schippen, Schaufeln und Besen wirbeln Staub auf, mit einer Prise Humor das Ganze erträglicher gemacht. Nacht ein, Nacht aus.

Original mit englischen Untertiteln

Fr 9.11. 17:00

Obenkino

DREILÄNDERECK/TROJMEZÍ

KLARA REZNIČKOVÁ, CZ 2011, 59 MIN

Ganz im Osten der Tschechischen Republik, unmittelbar an der Grenze zu Polen und der Slowakei, liegt die Region Těšínsko, ein Teil Schlesiens. Die Grenze hat nicht nur die historische Entwicklung der Gegend, sondern auch das Leben der Menschen nachhaltig geprägt. Poetischer Dokumentarfilm über langsames Vergessen und Verschwinden.

SATURDAY AFTERNOON FEVER (GORĄCZKA SOBOTNIEGO POPOŁUDNIA)

KORNEL MIGLUS, PL 2000, 42 MIN

Heutzutage ist Fußball ein wahnsinniges Geschäftsmodell. Eine multidimensionale Werbemaschinerie, der sich kaum jemand entziehen kann. Anhand des Fußballvereins Ruch Radzionków erzählt der Film über die Liebe zum Klub, über Werte, die dem Fußball von heute längst abhandengekommen sind – und über Fußball als Kultur und sinnstiftende Kraft der lokalen Gemeinschaft.

Original mit englischen Untertiteln

Sa 10.11. 14:00

Obenkino

ANGELUS

LECH MAJEWSKI, PL 2001, 104 MIN

Die Geschichte Oberschlesiens als Erlösungsfantasie. Frei von klassischen, narrativen Formen zeichnet Kultregisseur Lech Majewski die Region im Fadenkreuz der Kulturen und Ideologien des 20. Jahrhunderts als einen märchenhaften Bilderbogen voller Wunder. Ein Kunstwerk á la Henri Rousseau, Marc Chagall oder Nikifor und in seiner Schönheit Heimat der Hoffnung und Unschuld.

Original mit englischen Untertiteln

Sa 10.11. 16:30

Obenkino

So 11.11. 12:00

Glad-House

DUKLA 61

DAVID ONDŘÍČEK, CZ 2018, 150 MIN

Petr will unter Tage arbeiten wie sein Vater, auch wenn der das mit allen Mitteln zu verhindern sucht. Was als Generationenkonflikt beginnt, endet in einer Katastrophe, im Kampf um Leben und Tod. Spannender Zweiteiler des tschechischen Fernsehens über ein fast vergessenes Grubenunglück 1961 im vom Bergbau geprägten mährischen Teil Schlesiens.

Original mit englischen Untertiteln

Sa 10.11. 19:00

Obenkino

PERLEN EINES ROSENKRANZES

KAZIMIERZ KUTZ, PL 1980, 106 MIN

Die 1970er-Jahre in Polen bedeuten den Aufbruch in ein neues Zeitalter. Die Macht übernehmen kommunistische Technokraten. Ins Land kommen Westprodukte: Marlboro und Coca-Cola, Fiat und Berliet beherrschen das Straßenbild. Überall wird modernisiert – zum Opfer fällt die hundertjährige Tradition und ihre Kultur. Habryka, ein pensionierter Bergarbeiter, wehrt sich.

So 11.11. 16:00

Glad-House

TAG DER HEILIGEN BARBARA (BABÓRKA)

MACIEJ PIEPRZYCA, PL 2005, 70 MIN

In einem oberschlesischen Städtchen wird Barbórka, der Tag der heiligen Barbara, der Patronin des Bergbaus, gefeiert. Die marode Grube, die kurz vor der Schließung steht, lädt den TV-Serien-Star Alex ein. Die schöne Barbara wird ihm an die Seite gestellt. Doch die neue Bekanntschaft sorgt allmählich für Aufregung im Städtchen und bringt alte Verhältnisse ins Wanken.

So 11.11. 17:30

Glad-House

Über das FilmFestival Cottbus

Das 28. FilmFestival Cottbus findet vom 6. bis 11. November 2018 statt. In vier Wettbewerben und elf weiteren Sektionen zeigt das FFC fast 200 Filme, die um ein Preisgeld von circa 80.000 Euro und die begehrte Preisskulptur LUBINA (sorbisch: die Liebreizende) konkurrieren. Über 20.000 Zuschauer besuchen jedes Jahr das Festival des osteuropäischen Films in Cottbus. Maßgeblich unterstützt wird das 28. FilmFestival Cottbus vom Land Brandenburg, der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH, der Stadt Cottbus, dem Auswärtigen Amt und dem Creative Europe-Programm der Europäischen Union.

In Zusammenarbeit mit dem FilmFestival Cottbus, Silesia-Film und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.

Fotos:
© Veranstalter

Info:
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

__