f suspiriablancSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. November 2018, Teil 16

N.N.

Rom  (Weltexpresso) – Die Tanzsequenzen in SUSPIRIA sind entscheidend: Sie müssen das Publikum so sehr in ihren Bann ziehen, dass wir glauben, die Bewegungen der Tänzer seien von einer urzeitlichen, gewaltigen Kraft durchdrungen. Für Guadagnino war es von größter Bedeutung, dafür den richtigen Choreografen und die richtige Ästhetik zu finden. „Ich wollte weg von der Vorstellung, dass es sich um einen Film über Ballett handelt“, sagt Guadagnino. „Für mich war der Radikalismus des zeitgenössischen Tanzes das Wichtigste. Der Tanz im Film ist tief in Fleisch und Blut der Charaktere verankert und ich wollte nicht, dass er bloßer Vorwand für einen kurzen Moment der Schönheit in Bewegung ist. Ich wollte stattdessen, dass der Tanz ein Teil davon ist, wer diese Menschen sind und wie sie sich verhalten.“

f suspiriatanz1Das Projekt führte Guadagnino zu Damien Jalet, dem 41-jährigen französisch-belgischen Choreografen hinter der preisgekrönten Show Babel(words). „Wir wollten jemanden, der einen grundlegenden Sinn für Radikalismus und Gemeinschaft hat“, sagt der Regisseur. „Es stellte sich zudem heraus, dass Damien ein großer Fan von Darios Film ist.“ Der Choreograf räumt ein, dass er der Idee, SUSPIRIA aufzuarbeiten, zunächst etwas skeptisch gegenüberstand: „Aber Luca hat mich sehr schnell überzeugt, dass er eine echte Vision und auch eine sehr persönliche und tiefe Verbindung zu Argentos Version hat“, sagt Jalet. „Und als er mir sagte, dass er den Tanz zum wahren Ausdruck der Macht der Hexen machen wollte, zu ihrer Geheimsprache sozusagen, war das ein unglaublich inspirierender Ansatz. Was ich an seiner Arbeitsweise wirklich liebe ist, dass er seinen Mitarbeitern, sobald er diese sehr sorgfältig ausgewählt hat, eine unglaubliche Menge an Vertrauen entgegenbringt, was sehr bestärkend ist.“

Dakota Johnson begann mit dem Tanztraining noch während sie FIFTY SHADES OF GREY – BEFREITE LUST in Vancouver drehte. Nachdem Jalet zu dem Projekt gestoßen war, verbrachte sie drei Wochen in Varese, Italien, wo sie acht Stunden am Tag mit den anderen Tänzern arbeitete. „Ich habe etwa zehn Jahre lang getanzt, als ich jünger war, so hatte ich zum Glück ein kleines bisschen Hintergrundwissen und mein Körper hat ein Muskelgedächtnis“, sagt sie. „Und ich kann Choreographie verstehen. Das war ein unglaubliches Plus für mich.“ Bis zu einem gewissen Grad war es auch wichtig, dass Susie nicht so steif ist wie die anderen Tänzerinnen und sich auch sonst von ihnen unterscheidet.

f suspiria6Da sie keine professionelle Ausbildung hat, zieht Susie ihre Ideen aus jedem Dokumentarfilm oder jeder Show, die sie ansehen konnte. „Für das Vortanzen im Film fragten Damien und ich uns: Welche Bewegungen hat sie wohl in Der Nussknacker, einem Mary-Wigman-Film oder einer von Madame Blancs Shows gesehen?“, erzählt Johnson. „Es ist ein bisschen Ballett, ein bisschen Lyrik und Jazz und dann hat man deutschen Ausdruckstanz und Susies eigenen Ausdruck, der sehr scharf, heftig und linear ist.“ „Susie kommt vom Land und wir wollten, dass sie eine sehr geerdete, sehr scharfsinnige und dennoch sehr sinnliche Eigenart hat", sagt Jalet, der darauf hinweist, dass Susie während ihres Vortanzens auf traditionelle Ballettschuhe verzichtet. „Es stand nicht im Drehbuch, aber wir dachten, der Kontakt der Füße mit dem Holz würde ihren Bewegungen eine sinnlichere Eigenart verleihen.“

Die Gestaltung von Madame Blancs Arbeiten ist eine Hommage an Tanzikonen wie Wigman und Bausch. „Ich wollte deren Arbeiten nie buchstäblich kopieren oder nachbilden“, sagt Jalet. „Die Idee war eher, sich mit der Quelle der Inspirationen zu verbinden, die ihre Werke belebten, oder mit den kulturellen Bezügen oder physikalischen Prinzipien, von denen sie inspiriert waren.“ Mia Goth verbrachte ebenfalls Monate mit dem Training an der Seite von Johnson, um die komplizierten Choreographien des Films zu lernen. „Es war ein langer Prozess, aber sehr lohnenswert“, sagt sie. „Ich hatte nicht wirklich viel Tanzerfahrung und wusste nicht unbedingt, was es mit sich bringen würde, aber mein Respekt vor dem Tanz ist inzwischen enorm hoch. Tänzerinnen arbeiten so hart, manchmal zehn Stunden am Tag, und es ist so allumfassend.“

Johnson stimmt zu: „Die Tänzerinnen gehören zu den außergewöhnlichsten Menschen, die ich je getroffen habe“, sagt sie. „Mir waren zwei Tänzerinnen zugeteilt, die mir halfen, meinen Körper zu bewegen und einen Weg zu finden, die Choreographie zu lernen. Für die Dinge, die ich nicht konnte, hatte ich Tonya. Sie war mein unglaublich großartiges Körperdouble. Die Tänzerinnen waren so geduldig mit mir, so hilfsbereit und klug. Es war unglaublich zu sehen, wie schön die Verbindung ist, die Tänzerinnen zu ihrem Körper haben, und ich hoffe, das kam in meiner Performance zum Tragen." Johnson gab alles für die Tanzsequenzen und sie gibt zu, dass sie einen Tribut gefordert haben: Tatsächlich landete sie nach einem der wichtigsten Tänze des Films in der Notaufnahme.

„Ich habe mir beim letzten Take dieser Szene wirklich den Rücken verrenkt“, sagt Johnson. „Ich fühlte mich, als hätte ich meinen Oberkörper aus meinen Beinen gerissen. Es ist nichts für Zartbesaitete. Du bist wirklich hart zu dir selbst und benimmst dich plötzlich wie eine professionelle Tänzerin, auch wenn du es nicht bist.“ Die Sequenz, in der Johnson sich verletzt hat, ist bereits jetzt eine der berüchtigtsten von SUSPIRIA. Sie ist ein Meisterstück der Parallelmontage, geschaffen von Guadagninos langjährigem Cutter Walter Fasano: Während Susie unter Blancs wachsamen Augen tanzt, entsteht eine übernatürliche Verbindung zwischen ihr und Olga (Elena Fokina), einem Mitglied des Hexenzirkels, das es gewagt hat, gegen die Hexen vorzugehen und sich nun in einem nahegelegenen verspiegelten und verschlossenen Raum wiederfindet. Bei jeder Tanzbewegung, die Susie macht, bewegen sich Olgas Gliedmaßen heftig gegen ihren Willen mit und reißen schließlich ihren Körper auseinander.

„Diese Szene ist genau so geworden, wie wir sie jahrelang besprochen haben“, sagt Swinton. „Walter ist außergewöhnlich im Schnitt: Seine Musikalität zeigt sich immer in seiner Arbeit, aber natürlich ist bei SUSPIRIA der Dirigent in ihm vollständig auf das Spiel konzentriert. Ich denke, wir alle sind sehr stolz auf diese Sequenz und Walters phänomenale Fähigkeiten, die in ihr so deutlich zelebriert werden. Alle Beteiligten, nicht zuletzt die außergewöhnlichen Tänzer, setzen den Film mit dieser Sequenz in Flammen. Und Damien Jalets Choreographie – so unverwechselbar, stimmungsvoll und kraftvoll – ist ein Wunderwerk.“ Produzent Brad Fischer suchte Fokina für die qualvolle Performance aus, die sie als Produzent Brad Fischer suchte Fokina für die qualvolle Performance aus, die sie als Opfer des Tanzes liefert.

„Was die Leute nicht unbedingt realisieren werden ist, dass Elena sich mit jeder von Dakotas scharfen Bewegungen von Ellbogen, Handgelenk und Knie tatsächlich gegen die Wände und den Boden dieses Studios wirft. Es gibt in keiner einzigen dieser Aufnahmen eine Stuntfrau und die einzigen Hilfsmittel sind Prothesen, um ihre Verletzungen hervorzuheben, und VFX, die die Reflexion von Geräten und Crew aus den Spiegeln entfernen.“ Laut Fasano war die Szene eine der anspruchsvollsten und zeitaufwendigsten Sequenzen im Schnitt. „Es hat fast sechs Wochen gedauert, bis der Schnitt dieser drei Minuten fertig war“, sagt der Cutter. Er arbeitete eng mit Jalet zusammen, um die Tanzbewegungen der Frauen zu analysieren und eine richtige Verbindung zwischen Johnson und Fokina herzustellen.

„Ich habe diese Szene von Anfang an geliebt“, sagt Jalet, „denn in dem einen Raum feiert der Tanz die Kraft des Lebens, im anderen die der Zerstörung. Es ist ein pas de deux von Eros und Thanatos. Ich schätze, deshalb ist die Szene zutiefst verstörend: Sie ist abstoßend und attraktiv zugleich.“ In den Jahrzehnten, in denen Guadagnino und Fasano anfingen, SUSPIRIA neu zu denken, hat Fasano drei von Argentos Filmen geschnitten. Dennoch sagt er, dass er bei der Bearbeitung dieser neuen Version von SUSPIRIA nicht versucht war, die unverwechselbaren Rhythmen des Originals zu kopieren: „Es war mehr eine treibende Kraft als etwas Bestimmtes, denn alles, was wir von Argento lernen mussten, hatten wir bereits im Blut und im Körper. Die beiden Filme sind sehr unterschiedlich. Als Inspirationsquelle für den Schnitt diente mir das deutsche Kino der 70er Jahre – vorwiegend Fassbinder, aber auch Werner Herzog.“

SUSPIRIA barg ganz andere Herausforderungen für Fasano als seine letzte gefeierte Zusammenarbeit mit Guadagnino: „CALL ME BY YOUR NAME ist die Sonne und SUSPIRIA ist die Dunkelheit“, sagt er. „Was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass Luca nie den einfachen Weg geht. Er versucht immer, neue Herausforderungen zu finden, neue thematische Ansätze. Wenn er von einem neuen Projekt spricht, ist es mit Sicherheit nichts, das man erwartet hätte.“

Fotos:
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Info:
Darsteller
Susie Bannion              Dakota Johnson
Madame Blanc             Tilda Swinton
Sara                              Mia Goth
Dr. Josef Klemperer      Lutz Ebersdorf
Patricia                         Chloë Grace Moretz
Fräulein Tanner            Angela Winkler
Fräulein Vendegast      Ingrid Caven
Anke                            Jessica Harper
Olga                             Elena Fokina
Fräulein Huller              Renée Soutendijk
Fräulein Millius             Alek Wek
Fräulein Griffith            Sylvie Testud
Fräulein Balfour           Christine Leboutte
Pavla                            Fabrizia Sacchi