MEIN BRUDER HEIßT ROBERT UND IST EIN IDIOT

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. November 2018, Teil 1

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Betrachtungen über die Zeit eröffnen einen anregenden Gedankenaustausch auf einem Feld im Niemandsland. In Vorbereitung auf ihr Abitur vertieft sich Elena (Julia Zange) in Texte von Heidegger und Augustinus und gerät darüber ins Philosophieren mit ihrem Zwillingsbruder Robert (Josef Mattes): Was haben Zahlen mit der Zeit zu tun? Ist Hoffnung ihr einziger Sinn? Was ist Zeit überhaupt?

Leider bringt es Philip Gröning (Die große Stille, Die Frau des Polizisten) fertig, den hohen intellektuellen Anspruch nach 30 Minuten komplett zu verspielen. Über infantile Rituale und eine dümmliche Wette spinnt sich eine höchst dröge Geschichte fort: Noch vor ihrer Reifeprüfung will Elena mit einem Fremden Sex haben. Falls sie gewinnt, hat Robert einen Wunsch frei. Spätestens aber als die junge Frau einen Lastwagenfahrer in einer nahe gelegenen Tankstelle verführt, den sie im entscheidenden Moment zurückweist und in der Toilette einsperrt, hat es den Anschein, dass es in diesem Film mehr Idioten gibt als Robert, den Titelhelden. Jedenfalls okkupieren die Geschwister unter fortschreitendem Realitätsverlust die Tankstelle und terrorisieren weitere Kunden. Düstere Momente gelingen damit nicht, im Gegensatz zu den „schrecklichen Kindern“ in Melvilles Klassiker von 1950 gönnt Gröning seinen Protagonisten noch nicht einmal in ihrem inzestuösen Verlangen ein Geheimnis.

Am besten sind noch die Szenen, in denen Bruder und Schwester an dem flirrend heißen Sommertag in einem See baden. Aufnahmen der schönen Natur nebst einem auf einer Zigarettenschachtel segelnden Grashüpfer verströmen einen Hauch von Poesie.

Als dagegen wenig später eine echte Pistole auftaucht, entgleist das Psychodrama in einen Horrorfilm. Robert schießt auf vorbeifahrende Autos, Elena bedroht den Tankwart, wilde Exzesse enden in einem monströsen Showdown.

Wenn sich nach 175 Minuten (!) eine Erkenntnis einstellt, nur diese eine: Eine so lange Laufzeit für dies nichtssagende Psychodrama um ein unzertrennliches Zwillingspaar raubt dem ohnehin schon entnervten Zuschauer die Geduld.

Foto: 
©

Info:
Deutschland, Frankreich, Schweiz 2018 / Spielfilm / 172 Minuten / Regie: Philip Gröning / ab 16 Jahren freigegeben

Darsteller
Julia Zange (Elena)
Josef Mattes (Robert)