f The House That Jack Built 32 photo by Zentropa Christian Geisnaes 700Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. November 2018, Teil  11

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein Mord als Kunstwerk. Schon das ist ungeheuerlich. Aber gleich fünf Morde als Beispiel für seine, das heißt Jacks Serienmörderei? Und dann ein Haus aus diesen toten Körpern zu bauen, die man persönlich ermordet hat, übertrifft jegliche menschliche Vorstellungskraft. Weil das so ist, guckt man sich diesen Film an, als ob er nicht wahr sei. Filme sind nie wahr, aber Filmkunst ist ja, so zu tun als ob und soll einen hineinzuziehen in eine Geschichte, die man für wahr hält.

f The House That Jack Built 05 photo by Zentropa Christian Geisnaes 700Nein, in die Gefahr gerät man bei dieser seltsamen Geschichte nicht, die leider nicht den fulminanten Beginn weiterverfolgt. Da nämlich bringt Regisseur und Berufsprovokateur Lars von Trier den wohlmeinenden Zuschauer dazu, selbst zum Wunschmörder zu werden und auf jeden Fall seine Sympathie ungefiltert dem späteren Serienmörder zu widmen, der erst recht widerwillig einer Frau hilft und dann von dieser Nervensäge vorgeführt wird. Und das geht so: Wir sehen ein Auto, das einen Platten hat. Die hilflose Fahrerin Lady 1 (Uma Thurman) hat sogar den Wagenheber (Achtung, auf Englisch jack!) herausgeholt. Wir sehen ein Auto des Wegs kommen, der Fahrer ist Jack (Matt Dillon) und widerstrebend hält er an, stellt dann fest, daß der Wagenheber gebrochen ist, läßt sich weiter darauf ein, mit der Frau und dem kaputten Wagenheber zum nächsten Schmied zu fahren, der ihn zusammenschweißt, bringt dann sogar – welch netter Zeitgenossen – die Frau zurück zu ihrem Wagen, hilft ihr den Wagenheber anzusetzen...da bricht er wieder und wieder fährt er mit ihr zu dem Schmied zurück.

Und während der ganzen Zeit quasselt diese Frau ununterbrochen, das ist das eine, viel schlimmer aber ist, daß sie so dummes, provozierendes Zeugs redet, daß einem das noch im Kinosessel weh tut. Man solle nämlich als Frau doch nicht einfach in den Wagen eines fremden Mannes steigen, der könne ja ein Serienmörder sein, nein, er Jack nicht, dazu sei er zu lasch...bis Jack den kaputten jack nimmt und der neben ihm sitzenden Frau den Schädel einschlägt, mit einer Wucht, daß die ganze Windschutzscheibe sich rot färbt.

f The House That Jack Built 13 photo by Zentropa Christian Geisnaes 700Aua. Natürlich wollten wir Zuschauer das nicht, aber wir sind verführt, denn was hier so anschaulich gezeigt wird, sieht die Filmkamera aus der Perspektive von Jack. Sie tut nur so neutral, ist aber sein Werkzeug, seine Sicht der Dinge, die uns als unabänderlich und einfach konsequent dargestellt werden. Wenn man das verstanden hat, erklären sich die weiteren Morde ohne Weiteres, die jetzt nicht im einzelnen dargestellt werden, aber im Film in zwölf Jahren an fünf Opfern gezeigt werden. Ein Mord ist grauslicher als der andere, Frauen bevorzugt und wenn die Mutter mit Kindern ins Spiel kommt, ist es unerträglich, wobei Jack sich bei allem als Zwangscharakter zeigt. Das gilt nicht nur für das Morden, sondern auch für das Saubermachen eines Tatortes als unschuldigen Ort. Denn unaufhörlich putzt er, reibt das Blut auch dann noch weg, wenn keines mehr zu sehen ist. Zwangscharakter eben, die haben sehr oft Putzfimmel.

Halt. Zwar ist richtig, daß die Filmerzählung in Form einer neutralen Beichte diese fünf Morde beispielhaft als die eines Serienmörders rekapitulieren läßt, aber nicht wir sind die Adressaten, sondern eine Vertrauensperson, an die sich Jack immer wieder auf seinem Erzählspaziergang in der Nacht wendet und die in einer Mischung aus Psychoanalytiker und Gott einen gewisser Verge (Bruno Ganz) darstellt, wobei man diesen auch ohne dies im Presseheft oder durch Interviews nachzulesen, selber als Synonym für Vergil in Dantes Höllenfahrt in der Göttlichen Komödie erkennt, wo dieser den Weg weisen solt. Orientierung durch Verge, Bestätigung und Entlastung, erwartet Jack durch sein Erzählen, das der Regisseur zudem mit Bildern anreichert, ja eigentlich befrachtet, die für sich einen eigenen Rekurs in der Kunstgeschichte nötig machten. Denn derzeit ist William Blake – wieder einmal – in Filmen der Gegenwart groß im Bild, man sieht auch wieder einmal den Monomanen Glenn Gould Klavier spielen – was uns immer gefällt - , dann erscheint immer wieder eine Raubkatze im Sprung und warum auf einmal Hitler auf der Leinwand erscheint, kann man seitens von Triers nur als Zwang ansehen oder eine (billige) Revanche für seine Verbannung aus Cannes, wo er vor 7 Jahren eine peinliche und verunglückte Hitlerhommage versuchte.

Man kann Verge aber auch ganz einfach als Vollstrecker des Ende von Jack sehen, den er selber installiert hat. Denn es geht nicht nur um die Ermordeten, sondern um dieses Haus, das Jack aus ihren gefrorenen Leichen errichtet hat, wonach seine eigene Existenz auch aufhören kann, das Kunstwerk aber überleben soll. Doch jetzt reden wir nicht mehr vom Leichenhaus im Film, das ja keine Dauer haben kann, denn gefrorene Leichen tauen auf. Aber den Film darüber, den möchte Lars von Trier doch sehr gerne als Dokumentation der Kunst des Regisseurs uns andienen. Das hätte er leichter haben können.

Fotos:
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Info:
BESETZUNG

Jack            MATT DILLON
Verge           BRUNO GANZ
Lady 1         UMA THURMAN
Lady 2         SIOBHAN FALLON HOGAN
Lady 3         SOFIE GRÅBØL
Simple         RILEY KEOUGH