ff ital18 nome di donna recensione zerkaloVERSO SUD 24 - Festival des italienischen Films vom 30. November bis 12. Dezember 2018, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In der letzten Szene von NOME DI DONA zeigt Marco Tullio Giordana, dem dieses Jahr beim Festival die HOMMAGE mit acht Filmen gewidmet ist, welche guter, ja raffinierter Regisseur er ist. Da lobt ein Fernsehchef mit netten Worten eine junge Reporterin, die dauernd über den Me Too Strafprozeß berichtet hatte, in dem am Schluß der Chef eines Altenheims wegen sexueller Belästigung zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sie lächelt zufrieden. In dem Moment schiebt er seine Hand unter ihre Jacke, fährt ihr über den Po...Sie erstarrt, das Lächeln gefriert. Der Film ist aus.

Das Geniale an diesem Schluß ist, daß die ganze aufwendige, 96 Minuten dauernde Geschichte, wie die junge Mutter mit Kind sich die peinlich-perverse Anmache des Chefs nicht gefallen läßt, und trotz ständiger und massiver Widerstände ihn vor Gericht bringt, was wir mit Sympathie und Genugtuung verfolgen, ist doch im Sinne der Frauen und Selbstbestimmung geurteilt worden, die Welt also auf dem richtigen Weg ist und wir uns zufrieden zurücklehnen können, daß dieses Wohlgefühl konterkariert wird, weil uns der Film eindeutig zeigt: das eine Problem ist gelöst, aber das Grundproblem, die Belästigung von Frauen durch Männer und mehr, das liegt als gesellschaftliche und individuelle Aufgabe weiter vor uns. Damit bauscht sich der Film nicht zu einer grandiosen Geschichte auf, sondern zeigt: ja, so ist es und ja, man muß weiterhin dagegen etwas tun.

Wofür hier so viele Worte gefunden werden mußten, zeigt der Film in einer Minute. Das eben ist die Kunst des Kinos, die Marco Tullio Giordana beherrscht.

Und jetzt von vorne. Denn vor dem Film kam die Eröffnung, die Andreas Beilharz für das Deutsche Filmmuseum vornahm, die besonderen Gäste warm begrüßte, wie den italienischen Konsul in Frankfurt, Maurizio Canfora, die Vertreterin des Zentrums für Tourismus Italiens ENIT in Frankfurt, Antonella Rossi, die Direktorin des Italienischen Kuturinstituts Köln Maria Mazza, den in Rom für Made in Italy zuständigen Filmfachmann Marco Montini, spiritus rector des Festivals seit vielen Jahren, und den Regisseur Marco Tullio Giordana, die alle durch herzlichen Beifall des übervollen Kinos begrüßt wurden. Beilharz, der auch das Grußwort in der Begleitschrift verfaßt hat, erläuterte das Programm der nächsten Tage bis zum 12. Dezember und verwies auf die Gegensätze, die Aktuelles wie historische Werke umfassen, Spielfilme und dokumentarische Arbeiten, kurze und lange Filme – und eben die Werkauswahl des Marco Tullio Giordana, die an diesem Abend mit dem Eröffnungsfilm NOME DI DONNA beginnt.

Als dieser zur Begrüßung etwas sagen sollte und wollte, begann er damit, daß er diesen Abend, dieses Festival Bernardo Bertolucci, seinem Lehrer, widmen wollte, der gerade am 26. November gestorben war...doch er konnte nicht weiterreden, kommende Tränen verhinderten das, trugen die Rührung ins Publikum und auch die Folgeredner wie der beklatschte Konsul Canfora knüpften daran an.

Seltsam brachen dann die Worte von Antonella Rossi auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn Enit, das hiesige Fremdenverkehrsamt Italiens, sponsert inzwischen dies Festival und sieht – nicht zu unrecht – das Filmland Italien als Werbeträger für das Reiseland Italien. Es seien die Orte und die Lebensart, die Träume und Sehnsüchte der Deutschen bewegten, so daß sechs Millionen deutscher Touristen jährlich ins gewünschte Land strömen. Für 2019 ist Matera als Kulturhauptstadt Europa ausgewählt, das Weltkulturerbe in der süditalienischen Region Basilikata. Wozu ein Werbefilm vorgespielt wurde.

Der Film NOME DI DONNA ist zwar brandaktuell, aber hat so gar nichts Billiges an sich, wie es Filme, die auf das Zeitgeschehen reagieren, öfter haben. Wir sind von Anfang an in Bann gezogen, denn wir erleben einen Umbruch im Leben von Nina (Christiana Capotondi) mit. Sie zieht mit ihrem vaterlosen Kind aus Mailand in ein kleines Dorf in der Lombardei, weil sie eine Stelle bekommen hat in einem Heim, wo reiche Alte / alte Reiche verwöhnt wohnen, wofür sie viel Geld zahlen. Das Anwesen ist wirklich prächtig und man versteht sofort, warum so viele Frauen dort herumwuseln, denn Pflege der Räumlichkeiten und des herrlichen Gartens und Betreuen der Alten braucht einfach Personal. Und daß das Personal aus heimischen und ausländischen Frauen besteht, ist gut erklärbar. Erstens arbeiten diese in diesen Bereichen eh und zweitens ist der Leiter Valerio Binasco (Marco Maria Torri) frauensüchtig, was noch nett ausgedrückt ist, denn er stellt sich als Erpresser, Anfasser, ja sogar Vergewaltiger heraus.

Doch dieser Mann steht gar nicht im Focus, sondern die junge Frau, die sich schon seine Andeutungen nicht gefallen lassen will, dann auf ihren Freund trifft, der in Mailand zurückgeblieben sie mit dem Kind dort haben und für sie sorgen will. Er will sie heiraten und sie soll nicht arbeiten müssen. Klug gemacht, wie in diesem Film gleich mehrer Themen sacht ineinandergeflochten werden. Denn wenn sie ihm sagt, sie möchte aber arbeiten und ihr Geld selber verdienen, wird ihr später von einer Arbeitskollegin vorgeworfen, sie habe sich den falschen Mann ausgesucht, wenn sie weiter arbeiten müsse. Ein richtiger Mann läßt seine Frau nicht arbeiten und sorgt für sie.

Solche kleinen feinen Szenen führen eben dazu, daß der Film weder eine Generalabrechnung mit Männern wird, sondern aufzeigt, was ist: daß nicht mal alle Frauen sich ihrer Rechte und Möglichkeiten bewußt sind und von daher solche Frauen auch viel eher zu Opfern von mächtigen Männern gemacht werden können. Die Macht ist es, die hier zu erst anmaßendem, dann verbrecherischem Tun verleitet. Die ungehinderte Macht, die nicht kontrolliert wird und der kein Widerstand entgegengesetzt wird.

Es braucht nur eine klare junge Frau, die nicht aufgibt, vor allem sich von den eigenen Geschlechtsgenossinnen nicht hindern läßt, den Widrigkeiten trotzt, Verbündete findet und schon stürzt das Kartenhaus zusammen und reißt die mit sich, die ahnten, ja wußten, aber nichts taten. Daß dabei auch die Kirche ihre örtliche Hand im Spiel hat, nur nebenbei.

NOME DI DONNA hat in Deutschland einen Verleih gefunden . Arsenal (Tübingen) wird den Film im Februar in die deutschen Kinos bringen.
Der Film wird während Verso Sud am Samstag, 8.12., um 16 Uhr wiederholt

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