Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. Januar 2019, Teil 1
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Sidonie-Gabrielle Colette (Keira Knightley) ist gerade mal 20 Jahre alt als die junge Frau von einem Dorf in Burgund den 14 Jahre älteren Schriftsteller, Kritiker und Dandy Henry Gauthier-Villars genannt Willy (Dominic West) heiratet.
Willy führt seine junge Frau in die Pariser Künstlerszene ein. Sie ist beeindruckt von seiner Weltgewandtheit und lässt sich von seinem Charisma einnehmen. Allerdings merkt sie recht bald, dass Willy kaum selbst schreibt, sondern einige Ghostwriter beschäftigt. Außerdem ist er verschwenderisch und das Ehepaar immer mal wieder pleite.
Bald darauf beginnt auch seine Frau für ihn zu arbeiten. Zuerst beantwortet sie nur seine Korrespondenz, aber dann beginnt sie selbst an einem halbautobiografischen Roman über eine junge Frau aus der Provinz namens Claudine unter dem Titel Claudine à l’École (deutsch: Claudine erwacht) zu schreiben. Als der Roman - unter Willys Namen - 1900 erstmals veröffentlicht wird, wird er vor allem bei jungen Frauen ein großer Erfolg. Neben dem Buch kommt Claudines Geschichte auch als Theaterstück heraus. Dadurch werden Colette und Willy zum Gesprächsthema in der Pariser Gesellschaft.
Colette schreibt in rascher Folge noch 3 weitere Romane unter dem Pseudonym ihres Mannes. Allerdings möchte sie dann doch auch auf dem Titel genannt werden. Als Willy dies ablehnt, droht ihre Ehe zu zerbrechen.
Zur gleichen Zeit lernt Colette die Männerkleidung tragende Mathilde ("Missy") de Morny (Denise Gough), die Tochter eines Halbbruders von Napoléon III., kennen und hat mit ihr eine Affäre.
Da Willy nicht nur weiterhin regelmäßig andere Frauengeschichten hat, sondern auch regelmäßig pleite ist, greift er zu immer verzweifelteren Maßnahmen, um seine Schulden zu begleichen und seiner Frau Steine in den Weg zu legen. Doch Colette weiß sich mittlerweile sehr gut selbst zu helfen - auch durch ihre Freundschaft zu Mathilde de Morny. Sie nimmt Unterricht beim Pantomimen Georges Wague und gastiert einige Jahre lang mit sogenannten Mimodramen auf unzähligen Varietébühnen in Paris und in der Provinz. Höhepunkt ist dabei sicher die Aufführung einer Pantomime mit dem Namen Rêve d'Égypte im Moulin Rouge, bei der sich die beiden Frauen küssten und so einen Skandal heraufbeschwören.
Colette schafft es von ihrem Ehemann geschieden zu werden und beginnt während einer Tournee mit dem Schreiben eines neuen autobiographischen Romans namens La Vagabonde (Die Vagabundin)...
Colette - mit richtigem Namen Sidonie-Gabrielle Claudine Colette (1873 - 1954) - war eine sehr bekannte französische Schriftstellerin, Journalistin und Varietékünstlerin am Anfang des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit galt sie als Frankreichs führende weibliche Autorin. Sie bekam als erste Frau in Frankreich ein Staatsbegräbnis, ihr Grab liegt auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise.
Regisseur des Biopics ist Wash Westmoreland, der auch bei "Still Alice" (2014) Regie geführt hat. Er hat auch zusammen Rebecca Lenkiewicz und seinem 2015 verstorbenen Lebensgefährten Richard Glatzer das Drehbuch geschrieben. Die Dreharbeiten fanden allerdings nicht in Paris, sondern in Budapest und auf der Cogges Manor Farm in Witney, Oxfordshire statt.
Westmoreland hat aus der Geschichte einer Frau, deren erste Romane von ihrem Ehemann als sein Werk ausgegeben wurden, kein Drama gemacht, auch wenn es im Film Szenen gibt, in denen Willy seine Frau in einem Landhaus einschließt und sie so zwingt, weitere Geschichten über Claudine zu schreiben. Obwohl es in dem Film auch um Unterdrückung und sich langsam entwickelnde Selbstbestimmung geht, hat man nie das Gefühl, dass Colette sich nicht auch vorher schon ihren Anteil am Leben der Pariser Bohème geholt hat. Daran ist vor allem ihre Beziehung zu Mathilde de Morny verantwortlich, die Colette klar macht, welche Möglichkeiten auch sie in der französischen Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts hat. Im Film wird dies verdeutlicht, wenn Colette sich traut, in Männerkleidern an der Seine entlang zu gehen.
Das der Film kein Drama wurde, ist neben den ausgefeilten Dialogen vor allem den hervorragenden Hauptdarstellern Keira Knightley und Dominic West zu verdanken. Die Streitereien zwischen Colette und Willy sind zu Beginn selten böswillig, werden aber im Laufe der Jahre doch härter - je mehr Colette sich aus der Ehe verabschiedet. In dieser Ehe hat nicht nur der Ehemann Geliebte, sondern Colette nimmt sich das gleiche Recht heraus und darf es auch - solange es sich um Frauen handelt. Zu einer Zeit hatten die Eheleute - zuerst unabhängig voneinander - ein Verhältnis mit der reichen Amerikanerin Georgie Raoul-Duval (Eleanor Tomlinson), das Colette dann in ihrem dritten Roman Claudine en Ménage (deutsch: Claudine's Ehe) von 1902 verarbeitet hat.
Vor allem Dominic West spielt den arroganten und selbstherrlichen Ehemann überzeugend. Er hat dafür auch eine Nominierung als bester Nebendarsteller bei den British Independent Film Awards 2018 erhalten. Er hat allerdings gegen Alessandro Nivola verloren. Aber auch Keira Knightley nimmt man die junge Frau ab, die zuerst von ihrem Ehemann geblendet ist, dann aber merkt, dass er sie nicht nur ausnutzt, sondern auch ein Verschwender ist, der auch noch zahllose Affären hat.
Insgesamt ist eine interessante Biografie über die französische Schriftstellerin Sidonie-Gabrielle Colette und ihren ersten Ehemann Henry Gauthier-Villars entstanden. Gleichzeitig ist es auch ein interessantes Gesellschaftsbild der Pariser Künstlerszene um die Wende zum 20. Jahrhundert. Dabei hat der Regisseur Wash Westmoreland nur die Zeit zwischen Colettes Heirat mit Henry Gauthier-Villars 1893 und ihre endgültigen Scheidung 1910 behandelt, wenn sie beginnt den Roman La Vagabonde zu schreiben. "Colette" ist das Portrait einer starken Frau, die sich ihren eigenen Weg gesucht hat, zu einer Zeit als das auch in Künstlerkreisen gar nicht so einfach war. Wash Westmoreland ist ein interessanter Film gelungen, der dank den beiden Hauptdarstellern und den tollen Dialogen sehenswert ist.
Foto: Keira Knightley als Colette und Dominic West als "Willy" © DCM
Info:
Colette (Großbritannien, USA, Ungarn 2018)
Originaltitel: Colette
Genre: Biopic
Filmlänge: 112 Minuten
Regie: Wash Westmoreland
Drehbuch: Richard Glatzer, Wash Westmoreland, Rebecca Lenkiewicz
Darsteller: Keira Knightley, Dominic West, Denise Gough, Fiona Shaw, Eleanor Tomlinson, Robert Pugh, Ray Panthaki u.a.
Verleih: DCM
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 03.01.2019