N.N.
London (Weltexpresso) - Wie sind Sie auf die Idee zu MIA UND DER WEISSE LÖWE gekommen?
Das liegt Jahre zurück. Damals drehte ich für eine französische TV-Dokumentation eine Serie über Kinder in aller Welt, die eine enge Beziehung mit wilden Tieren pflegen. Meine Recherchen führten mich nach Südafrika. Dort filmte ich ein Kind, dessen Eltern eine Löwenfarm besitzen. Sie züchteten Löwen, um die Art zu erhalten – zumindest behaupteten sie das. Man wollte sie an Zoos und Wildparks verkaufen, um den König der Tiere in seiner ganzen Pracht zu zeigen. Manche sollten sogar ausgewildert werden. Jedenfalls liebte dieser zehnjährige Junge die Löwen über alles. Als ich die Farm nach Abschluss der Dreharbeiten wieder verließ, fand ich allerdings heraus, dass sie für die Großwildjagd gezüchtet wurden.
Im Film geht es nun um ein elfjähriges Mädchen namens Mia. Ihre Eltern züchten Löwen und Mia kümmert sich um ein weißes Löwenjunges. Ihre Eltern erleben mit, wie sich zwischen den beiden eine innige Freundschaft entwickelt, und machen sich Sorgen: Was passiert, wenn dieser kleine Löwe ausgewachsen ist? Also beschließen sie, ihn an Jäger zu verkaufen. Als Mia dahinterkommt, rettet sie ihren Freund und bringt ihn in ein Reservat, wo er in Frieden leben kann. Die Flucht in die Freiheit ist jedoch steinig, um es mal vorsichtig auszudrücken...
MIA UND DER WEISSE LÖWE ist keine Dokumentation, sondern ein Familienfilm – auch wenn es für die Freundschaft zwischen Kind und Löwe ein reales Vorbild gibt. Bei der Umsetzung des Projekts sind wir völlig neue, ungewöhnliche Wege gegangen. Auf der Suche nach der richtigen Darstellerin haben wir uns in Südafrika über 300 Kinder angesehen, bis wir auf Daniah stießen. Als sie zum ersten Mal mit dem Löwenjungen in Kontakt kam, benutzte sie nicht etwa ihre Hände – wie die meisten anderen Kids –, sondern ihren Kopf. Unser Löwenexperte Kevin Richardson war sofort überzeugt, dass Daniah die Richtige ist. Inzwischen ist sie 15 Jahre alt, und aus unserem Löwen ist ein 150 Kilo schwerer Gigant geworden. Trotzdem sind die beiden immer noch Freunde. Meines Wissens ist das so noch nie zuvor versucht worden: Die Geschichte einer großen Freundschaft zwischen einem gefährlichen Raubtier und einem Mädchen zu erzählen, ohne Spezialeffekte einzusetzen.
Wie haben Sie Kevin Richardson kennengelernt?
Kaum hatte ich die Idee für MIA UND DER WEISSE LÖWE im Kopf, war die nächste Frage: Wie kann ich sie umsetzen? Ich hatte bereits an einer TV-Dokumentation über Kevin Richardson mitgearbeitet, „Der mit den Löwen spricht“. Der Mann ist einfach unglaublich. Kevin ist ein internationaler Star, der im Verlauf der vergangenen 20 Jahre mit über hundert Löwen gearbeitet hat. Dabei ist es ihm immer wieder gelungen, die naturgegebenen Grenzen zwischen Mensch und Tier aufzuheben und eine echte Beziehung aufzubauen. Als ich ihm von MIA UND DER WEISSE LÖWE erzählte, meinte er: „Das wird kompliziert. Du müsstest auf jeden Fall bereit sein, den Film über drei Jahre zu drehen, mit einem ganz jungen Löwen – und nur mit diesem einen, damit zwischen den beiden eine tiefe Bindung entstehen kann. Aber das ist wohl unmöglich, so viel Zeit hast du sicher nicht.“ Wissen Sie, was ich geantwortet habe? „Wir machen das trotzdem!“ STUDIOCANAL und Galatée Films sahen das auch so, also haben wir es genauso gemacht.
In der Filmbranche heißt es ja: „Arbeite nicht mit Kindern und Tieren.“ Sie sind vor beiden nicht zurückgeschreckt...
Denn Minus mal Minus ergibt immer Plus! Spaß beiseite: Diese Regel stimmt nicht ganz. Ich habe am Set wirklich außergewöhnliche Kinder kennengelernt: höflich, lieb, fleißig, mutig... Ich hatte großes Glück. Und was die Arbeit mit Tieren betrifft: Wir haben unsere eigene Methode entwickelt und den Löwen wie einen richtigen Schauspieler behandelt und nicht wie ein Tier, das gezähmt werden muss. Unser Löwe, Thor, kennt uns seit seiner Geburt. Selbstverständlich hielt das Team einen gewissen Abstand und gen Ende ging es nicht ohne Käfig. Aber Thor war von Anfang an die Kameras und Mikrofone gewöhnt. Und die jungen Darsteller arbeiteten jeden Tag mit den Löwen. Es ging weniger darum, sie abzurichten, sondern darum, eine enge, liebevolle Bindung zu ihnen aufzubauen. So gewann unser Löwe das nötige Vertrauen und fühlte sich auch vor der Kamera mit unseren Schauspielern wohl.
Und diese Herangehensweise wurde bei MIA UND DER WEISSE LÖWE zum ersten Mal ausprobiert?
Ja. Es ging darum, in diese Welt einzutauchen, Routine zu schaffen und wie selbstverständlich dazuzugehören. Der Löwe verbrachte jeden Tag Zeit mit Daniah und spazierte am Set herum, auch wenn wir gerade nicht drehten. Er ist übrigens ein echter Typ! Kevin Richardson hatte noch keinen talentierteren Löwen getroffen als unseren Thor. Es mag an der langen Drehzeit und der guten Atmosphäre gelegen haben. Aber als wir einige Szenen nachdrehen mussten, machte Thor exakt dasselbe noch mal – wie ein richtiger Schauspieler eben.
Löwen können also schauspielern?
Sagen wir: Thor konnte. Es gab auch Tage, an denen er nicht in Stimmung war. Also haben wir nicht gedreht, ihn in Ruhe gelassen und es am nächsten Tag wieder versucht. Was bedeutete, dass wir manche Szenen über drei, vier Tage filmen mussten. Andere hatten wir nach einer Viertelstunde im Kasten.
Das klingt, als sei dieser Dreh eine Art Glücksspiel gewesen.
Das stimmt, aber ein kalkuliertes. Denn wir waren auf alle Eventualitäten bestens vorbereitet. Deshalb hatten wir auch zwei Kinder am Set, falls eins es mit der Angst zu tun bekommt. Ryan, der Mias Bruder spielt, sprang auch als Zweitbesetzung für Daniah ein. Also durchlief er denselben langwierigen Prozess, um den Löwen an ihn zu gewöhnen. Hätte Daniah im dritten Drehjahr plötzlich Angst vor dem großen Löwen bekommen, hätten wir das Drehbuch umgeschrieben und Ryan übernehmen lassen. Dann hätte am Ende er den Löwen gerettet.
Übrigens gab es auch zwei Löwen – eigentlich sogar drei. Thor war unser „Hauptlöwe“, er spielte Charlie ab dem Alter von vier Monaten. Der echte Charlie spielte sich selbst als zwei Monate altes Junges. Und unser neugeborener Charlie im Film heißt eigentlich Neige und ist ein Weibchen.
Ihre Löwen sind quasi im Scheinwerferlicht aufgewachsen. Ab wann wurden sie gefährlich?
Bis sie anderthalb Jahre alt waren, konnten wir sie filmen wie jeden anderen Schauspieler. Dann sind wir in die Käfige umgezogen. Mir war das ganz recht! Wenn Löwen zwei Jahre oder etwas älter sind, wird es nämlich schwierig, mit ihnen zu arbeiten. Sie sind dann Teenager und verhalten sich auch so. Aber es war interessant zu sehen, wie unterschiedlich die beiden Kids mit Thor umgegangen sind. Daniahs Ansatz war eher körperlich. Sie machte es wie Kevin (Richardson), rollte sich auf dem Boden herum und raufte mit dem Löwen. Ryan war vorsichtiger und distanzierter. Er ist ein sehr sanftmütiger Junge – so ruhig, dass Kevin und ich uns schon fragten, ob er sich fürchtet. Sogar das Team, das den Löwen von Anfang an mit Kevin zusammen betreut hatte, bekam irgendwann Angst vor Thor. Wenn Daniah vor der Kamera stand, holte Kevin schließlich Ryan dazu, um ihm mit Thor zu helfen, damit er sich besser aufs Filmen konzentrieren konnte. Am Ende gab es nur noch drei Menschen, die dem Löwen wirklich nahe kamen. Und zwei davon waren Kinder.
Was meinen Sie, wenn Sie sagen „mit dem Löwen helfen“?
Daniah war es gewohnt, im wahren Leben mit dem Löwen umzugehen. Wenn sie drehte, war alles anders. Sie musste ja ihre Rolle spielen und konnte sich nicht so um Thor kümmern, wie sie das sonst tat. Sie musste als Mia mit ihm interagieren und das war ungewohnt für sie. Im Alltag spielte sie einfach mit ihm. Am Set musste sie so tun, als sei sie verletzt, musste vor dem Löwen schreien oder weinen. Das war erschreckend, aber sie zog es durch. Darin lag die eigentliche Herausforderung: keine Angst zu haben, sich vor diesem gewaltigen Löwen gehen zu lassen.
Während Kevin Richardson die Situation unter Kontrolle behielt.
Genau. Ich filmte während der ersten beiden Drehabschnitte und ging ganz nah an den Löwen heran, denn eine so enge Beziehung lässt sich nicht künstlich erzeugen. Ich hätte auch gern weitergemacht, aber da ich nicht mehr selbst drehen konnte, übergab ich Kevin die Kamera. Aber er erhielt Regieanweisungen per Kopfhörer. So wurde ich zu dem Mann, der mit dem Kevin spricht.
Bei einem so intensiven, einzigartigen Filmdreh müssen Freundschaften fürs Leben entstanden sein.
Die Dreharbeiten nahmen insgesamt drei Jahre in Anspruch, in vier Etappen. Es war schon irre. Wenn wir uns voneinander verabschiedeten, hieß es: „Wir sehen uns in einem Jahr!“ Wir waren alle vor Ort in Südafrika und haben diesen Löwen und die Kinder großwerden sehen. Wir haben uns mit den Eltern angefreundet, hingen mit Elefanten und Giraffen im Busch ab. Am liebsten wollten wir das alles immer wieder von vorn erleben.
Die Versicherungskosten haben sicher einen Großteil Ihres Budgets verschlungen.
Seltsamerweise nicht. Circles ist der einzige Anbieter, der diese Art von Filmdreh versichert und sie waren absolut von unserem Sicherheitsnetz überzeugt. Unsere goldene Regel lautete: Wenn Kevin auch nur den geringsten Zweifel hat, greifen wir auf Spezialeffekte zurück. Außerdem hatten wir ja extra zwei junge Hauptdarsteller. Falls eins der Kinder Angst bekommt, gab es also schon mal einen Plan B. Und falls es sonst Probleme gibt: Green Screen! Das war unser Plan C.
Planen Sie eine Fortsetzung?
Die Idee haben wir wieder verworfen. Denn kaum waren Daniah und der Löwe getrennt, war es vorbei. Eine solche Beziehung muss tagtäglich gepflegt werden. Noch mal ganz von vorn anzufangen, um diese Innigkeit wiederherzustellen, konnten wir einfach nicht riskieren. Tatsächlich haben wir darüber
nachgedacht, ob Daniah in Südafrika mit Kevin und den Löwen weiterarbeitet. Aber für ein rein hypothetisches Projekt wäre der Aufwand viel zu groß gewesen. Daniah brach es das Herz, als sie den Löwen zurücklassen musste. Aber nach drei Jahren im Busch musste sie endlich wieder nach Hause und in ihr normales Leben zurück. Aber sie besucht Thor immer noch regelmäßig.
Sie sind eigentlich Dokumentarfilmer. Sind Spielfilme Ihre neue Leidenschaft?
Wenn ich eine Doku drehe, ziehe ich allein mit meiner Kamera los und begegne Menschen. Das ist ein völlig anderer Ansatz, der mich aber inspiriert. Daraus ziehe ich die Ideen für fiktive Geschichten. Das wahre Leben regt meine Fantasie an. Ich mag es, Realität und Fiktion zu verweben, so wie bei MIA UND DER WEISSE LÖWE. Daniahs Freundschaft mit dem Löwen ist absolut echt. Daraus bezieht der Film eine Emotionalität und Spannung, die man nie im Leben mit Spezialeffekten erzielen könnte. Die Zuschauer sehnen sich nach Authentizität.
Foto:
© Verleih
Info:
BESETZUNG
Mia Owen Daniah de Villiers
Alice Owen Mélanie Laurent
John Owen Langley Kirkwood
Mick Owen Ryan Mac Lennan
Kevin Lionel Newton
Jodie Lillian Dube
Dirk Brandon Auret
Löwe Charlie Löwe Thor
Weil bei diesem Film die Vorbereitung des Löwentrainers mit den Darstellern wie mit den gezeigten Löwen besonders wichtig sind, der in der Besprechung überhaupt nicht erwähnt wird, bringen wir hier Auszüge aus dem Presseheft zum Film.
© Verleih
Info:
BESETZUNG
Mia Owen Daniah de Villiers
Alice Owen Mélanie Laurent
John Owen Langley Kirkwood
Mick Owen Ryan Mac Lennan
Kevin Lionel Newton
Jodie Lillian Dube
Dirk Brandon Auret
Löwe Charlie Löwe Thor
Weil bei diesem Film die Vorbereitung des Löwentrainers mit den Darstellern wie mit den gezeigten Löwen besonders wichtig sind, der in der Besprechung überhaupt nicht erwähnt wird, bringen wir hier Auszüge aus dem Presseheft zum Film.