EIN KÖNIGLICHER TAUSCH

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. Februar 2019, Teil 5

Claus Wecker

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zur Zeit sind auffallend viele Filme mit historischen Sujets in den hiesigen Kinos zu besichtigen. Maria Stuart tritt zum x-ten Male auf, Robin Hood kämpft für Gerechtigkeit oder das, was er dafür hält, und der englische Hof erscheint in »The Favourite« als Tollhaus. »Ein königlicher Tausch«, das neue Drama von Marc Dugain, bringt uns vor allem die Menschen eines vergangenen Zeitalters so nahe wie keiner der genannten Filme.

Es geht um eine in Vergessenheit geratene Episode aus dem 18. Jahrhundert: Durch den Austausch zweier minderjähriger Prinzessinnen soll eine enge Verbindung zwischen dem französischen und dem spanischen Königshaus geschaffen werden und somit ein stabiler Frieden zwischen den beiden Ländern. Die Idee stammt von dem machtbewussten französischen Regenten Herzog Philippe von Orléans, im Film von Olivier Gourmet verkörpert, der seine zwölfjährige Tochter Louise Elisabeth (Anamaria Vartolmei) nach Madrid schicken will, um den vierzehnjährigen Don Luis (Kacey Mottet Klein), den Sohn des spanischen Königs Philipp V. (Lambert Wilson) zu ehelichen. Für den erst elfjährigen Ludwig XV., den Enkel des Sonnenkönigs Ludwig XIV., vom erfahrenen Kinderdarsteller Igor van Dessel überzeugend gespielt, hat er sich Philipps vierjährige Tochter, Maria Anna Victoria (Juliane Lepoureau), als zukünftige Gemahlin vorgestellt.

Dass diese kuriose Konstellation möglich werden kann, liegt an einer Pockenepidemie, die den französischen Hof heftigst dezimiert hat. Die allgegenwärtige Gefahr des Todes ist denn auch ein Thema des Films. Vor ihm schützt sogar die adlige Geburt nicht. Und deshalb werden die Menschen, von jungen Jahren an, zur Gottesfurcht angehalten. Nur ein gottgefälliges Leben kann am Ende wenigstens zur Erlösung verhelfen. Zu einem gottgefälligen Leben gehört die Erfüllung von Pflichten. Da verbindet sich Religion mit Politik, und mit einer für uns heute atemberaubenden Selbstverständlichkeit wird über das Leben der Menschen verfügt.

Was dies für die Protagonisten bedeutet, hat Regisseur und Co-Autor Marc Dugain in seinem Film deutlich gemacht. Er zeigt, wie der kleine Ludwig XV. langsam in seine Königsrolle hineinwächst, wie die kleine Maria immer mehr zur Persönlichkeit heranreift und wie sie dabei von der wunderbar menschlichen Prinzessin Palatine unterstützt wird. Sie ist die letzte Überlebende vom Hof des Sonnenkönigs, als Liselotte von der Pfalz bis heute bekannt, und wird von Andréa Ferréol überzeugend dargestellt. Parallel zu den persönlichen Entwicklungen erwacht das Schloss von Versailles in neuem Glanz.

Besonders tragisch gestaltet sich die Verbindung der eigensinnigen Louise Elisabeth von Orléans mit Don Luis, der schon vorab in sie verliebt ist. Sie brüskiert den gesamten spanischen Hof, lässt auch nach der Hochzeit den schüchternen Luis nicht die Ehe vollziehen und wendet sich ihm erst zu, als er sich gegen eine Annullierung wehrt. Zu spät erkennt sie, dass sie viel zu lange dem vielleicht einzigen Menschen, der sie geliebt hat, ausgewichen ist.

Mit welcher Empathie porträtiert Marc Dugain diese Menschen, denen die Kindheit geraubt wird, und jene, die diesen Raub als ihre Pflicht ansehen! Dugain dürfte hierzulande weitgehend unbekannt sein. Von seinen acht Romanen sind gerade mal zwei ins Deutsche übersetzt worden. Als Drehbuchautor hat er zunächst seine eigenen Bücher adaptiert, vom zweiten Skript an übernahm er auch die Regie (nur »Der Fluch des Edgar Hoover« lief im deutschen Fernsehen bei arte). Jetzt hat er zum ersten Mal einen Roman verfilmt, den er nicht selbst verfasst hat. In Zusammenarbeit mit dessen Autorin Chantal Thomas (»Leb wohl, meine Königin!«) hat er ein Historiendrama erschaffen, in dem die Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht die Kostüme. So bewegt uns heute das Schicksal der Louise Elisabeth, die nach Frankreich zurückgeschickt und dort vergessen wird. Dieser Film hat ihr ein Denkmal gesetzt.