Bildschirmfoto 2019 04 01 um 03.57.03Das 12. LICHTER Filmfest in Frankfurt vom 26. bis 31. März , Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diesmal gibt es also nicht ein wahres Zentrum, von dem aus die Filme gesehen, diskutiert und besprochen werden. Denn das TOR Art Space an der Allerheiligenstraße ist zwar zum Reden, Trinken, die Video-Installationen anschauen gut, aber es macht schon einen Unterschied, ob man im selben Gebäude, wo man den Film gesehen hat, und den nächsten vielleicht wieder, miteinander über das Gesehene sofort ins Gespräch kommt. Zudem braucht es Fahrzeit, wenn man möglichst viele Filme sehen will, die Filme aber in sechs verschiedenen Stätten laufen.

Also, ein Zentrum zweiter Güte sind die Naxoshallen, weil dort neben dem Kino auch die Kinokasse für alle Filme eingerichtet ist (in den Kinos gibt es trotzdem natürlich auch eine Kasse) und weil nebenan Virtual-Reality Filme gezeigt werden, von denen wirklich nun beim dritten Mal 90 zum Wettbewerb des LICHTER VR STORYTELLING AWARD eingereicht wurden. Fünf Filme konkurrieren um diesen, dessen Preis ein original Frankfurter Bembel ist und „1000 Euro absolut nicht-virtuelles Echtgeld“!

Das Naxoskino mit sehr vielen Lichtervorführungen, bringt ansonsten vom Frühjahr bis Herbst jeden Dienstag interessante Filme, im Winter fällt‘s aus, da ist es in der Halle zu kalt. Im Kino des Deutschen Filminstituts&Filmmuseum, seit neuem DFF genannt, ist es fast immer zu warm. Dort zeigen die ganze Woche über fast alle Vorstellungen Filme des Festivals. Eines der netten Programmkinos in Frankfurt ist das Mal Seh‘n Kino in der Adlerflychtstraße im Nordend. Auch dort laufen täglich zwei Wettbewerbsfilme, in der Harmonie, einem Kino der Arthause-Programme, gibt es täglich einen, am Samstag keinen, dafür am Freitag, 29. einen besonders wichtigen Film zu sehen: ATLAS mit anschließender Diskussion mit dem Regisseur. Leider kommt in unserer Berichterstattung DIE PUPILLE zu kurz, die die KURZFILMROLLEN 1 + 2 zeigen und mit ORAY einen Film, den wir zu gerne sehen wollten, der aber kollidiert mit AQUARELLA im Filmmuseum. Im Mousonturm gab‘s den Eröffnungsfilm und am Samstag TEATRO DE GUERRA mit anschließender Diskussion, FILMTALK genannt, was wie andere Anglizismen ein ärgerlicher Sprachgebrauch ist. Und im TOR Art Space, wo das gesellige Beisammensein und das Plattenauflegen vom Boß persönlich abläuft, sind auch die Teilnehmer der Endausscheidung des LICHTER ART AWARD zu sehen, dessen Gewinner immer dem ersten Abend vorbehalten ist.

Bildschirmfoto 2019 04 01 um 03.56.51Also, wir trauten uns in FLY ROCKET FLY im Filmmuseum, wobei man mit der farbigem Markierung des Programms – perfekt auf den Innenseiten des Heftes zum Rausnehmen vorgesehen – erst mal Probleme hat. Da gibt es grün, sprich REGIONAL, Blaßlila ZUKUNFT DEUTSCHER FILM, und viele andere Farben und Zuordnungen. Das ist sehr übersichtlich, aber man muß sich Regional so vorstellen, daß es nicht um Filme aus der Region geht, oder nicht nur, sondern die regionalen Filmemacher, das sind dann hessische!, ausschlaggebend dafür sind, in welcher Rubrik ein Film gezeigt wird. FLY ROCKET FLY am Mittwoch im Filmmuseum ist eine ganz verrückte Geschichte. RAKETEN IN AFRIKA? Ja, berichtet ein Mitarbeiter von hr info, die diesen Auftritt sponsern. Und als er erzählt, wie es dazu kam, fällt einem erst der Untertitel auf: MIT MACHETEN ZU DEN STERNEN.

Ganz einfach das Ganze. Dem schwäbischen Ingenieur Lutz Kayser fiel in den 60/70er Jahren auf, daß der Raketenbau zu teuer ist, weil die hochempfindliche und luxuriös teuere Technik auch dort verwendet wird, wo einfachere mechanische Gesetze es billiger machten. Zum Beispiel der Besuch auf dem Mond. Für seine Low-Budget -Raketen gründete Kayser 1975 ein Raumfahrtunternehmen, natürlich weltweit das erste private, versteht sich. Denn die Kosten für Raumfahrt können allein nur reiche Staaten leisten. Er nannte seine Firma ORBITAL TRANSPORT- UND RAKETEN AG, mit Sitz in Neu-Isenburg, was Frankfurtern ein Begriff ist, denn es liegt an der südlichen Stadtgrenze. Nun war aber in der Bundesrepublik das Raketenstarten verboten. Macht nichts. Er fand für alles einen Ausweg. Und jetzt kommt‘s, der Film ist deshalb so spannend, weil Lutz Kayser, der in der Branche mit seiner Firma ORTRAG einen zwiespältigen Ruf genoß, in Mobutu Sese Seko, dem damals weltberühmten Präsidenten von Zaire, einen Unterstützer fand, nicht nur ideell, auch nicht nur durch die Bereitstellung eines riesigen Geländes, sondern vor allem durch die Bezahlung des eigentlichen Raketenbaus.

Genau dem Aufsteigen des Sterns der ORTRAG und ihrem Niedergang widmet sich der Film in fast bizarren Aufnahmen von damals. Es klingt absolut überzeugend, wenn der Macher Kayser davon redet, daß man für simple Raketenteile kein – mal übertragen gesprochen - Gold oder Silber brauche, daß Eisen oder Plastik reiche. Zwischendurch glaubt man sich nicht in einer Dokumentation, als die sie mit dem Regisseur und Drehbuchschreiber Oliver Schwehm, der auch anwesend ist, gekennzeichnet ist, sondern in einer filmischen Melange von Surreal, Science-Fiction, auch Horror im Land Absurdistan. Ach was, es ist auch ein Politthriller und vor allem ein raffinierter Wirtschaftskrimi. Ist aber alles wahr! Das ist schon etwas Besonderes. Zwischendurch gibt‘s nicht nur die Mondlandung, sondern es wird auch über die Art und Weise berichtet, wie die Luftfahrtexperten des Nazireiches nach dem Sieg der Alliierten unter diese aufgeteilt wurden. Natürlich muß der Name Wernher von Braun fallen, als derjeige, der die V1 1942 zündete und den die Amerikaner einkassierten. Und heute weiß jeder, daß ohne ihn und die anderen deutschen Wissenschaftler keine Mondlandung gelungen wäre. Spezialisten als günstige Kriegsbeute.

Das alles erzählt der Film, über dessen Zustandekommen dann Regisseur Oliver Schwehm und sein historischer Beweis: Frank Wukasch berichtete und sich den vielen Fragen stellte. Wieviele Milliarden in Zaire versenkt wurden, ehe Mobutu den Finanzhahn zudrehte, haben wir vergessen. Schuld waren die Mißerfolge, die auf falschen Berechnungen beruhten, wie Kayser selber eruierte. Aber es war Schluß. Als Zuschauer fallen einem nur die armen Bewohner von Zaire ein, die diese Milliarden für Essen, medizinische Versorgung und Bildung dringend gebraucht hätten. Und so gibt es wenigstens einen Film über diesen Irrsinn, über den, wenn Kayser Erfolg gehabt hätte, heute jeder als Erfolgsstory berichten täte.

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Diskussion zum Film
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www.lichter-filmfest.de