Bildschirmfoto 2019 04 01 um 03.47.39Das 12. LICHTER Filmfest in Frankfurt vom 26. bis 31. März , Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ach ja, AQUARELLA auch, aber wer diesen Filmabend im Kino des Deutschen Filmmuseums erlebte, dem bleibt sehr viel stärker der Stummfilm vom Genie F.W. Murnau in Erinnerung: SUNRISE, ein Klassiker, den Benedikt Kuhn nicht stumm ließ, sondern ihm musikalisch kräftig einheizte.

Bildschirmfoto 2019 04 01 um 03.46.59Echt. Das war richtig toll. Richtig, richtig toll. Das Prinzip ist ein doppeltes, wie der Musiker und Komponist berichtete. Er hat nämlich erst über viele Monate die Komposition erstellt, mit der der Stummfilm musikalisch unterfüttert ist. Dann aber – und das war das wirklich Tolle – hat er zu seiner eigenen Musik Improvisationen gebracht, mit all den Instrumenten, die er spielt. Das fand ja alles im Dunkeln statt und man hörte zwar die unterschiedlichen Instrumente heraus, aber wir haben außer der Reihe mal das Internet befragt und fanden unter Paul-Hindemith- Musikschule über ihn: Benedikt Kuhn, Fächer: Saxophon, Klarinette, Digitale Musikproduktion

„Benedikt Kuhn ist durch und durch ein Vollblutmusiker. Er ist staatlich geprüfter Ensemble-Leiter und darüberhinaus unterrichtet er schon trotz seines jungen Alters seit geraumer Zeit als Lehrer für Klarinette und Saxophon. Wenn er nicht unterrichtet, werden die Instrumente aber nicht bei Seite gelegt. Dann geht es erst richtig los: Entweder ist er als Multi-Instrumentalist in einer Band oder einem Orchester (so nebenbei spielt er noch Gitarre, Bass, Piano, Schlagzeug) unterwegs, also ganz was so gerade anliegt oder er arbeitet als Musikproduzent.“

Das ist wirklich beglückend einen derartigen Musikprofi und -liebhaber am Werk zu sehen. Man hatte den Eindruck, daß er selbst den größten Spaß dabei hat. Dabei war das harte Arbeit, denn er mußte die 95 Minuten Film ja hochkonzentriert bleiben, um seine Einsätze in seine eigene Musik aus dem Trichter in unser Ohr einzuträufeln. Einfach toll.

Bildschirmfoto 2019 04 01 um 03.46.44Natürlich müßte jetzt, ehrlich gesagt, eine Würdigung der Komposition und seines Spiels auf den verschiedenen Instrumenten erfolgen. Aber es bleibt bei unserer Begeisterung, denn zum Film selbst ist ja auch einiges zu sagen. Der im Jahr 1927  gedrehte Stummfilm wird, so heißt es überall, von vielen Filmkritikern als einer der besten Filme aller Zeiten gewürdigt. Man kann das verstehen. Wenn man weiß, welche ungeheuere mentale und technische Strategie heute in Gang kommt, wieviele Milliarden ausgegeben werden, eh nur der erste Drehtag beginnt, der staunt über den so einfachen wie raffinierten Handlungsverlauf, der einen gespannt durch den Film begleitet.

Übrigens lesen wir, daß die Livevertonung ihre Premiere in der Offenbacher Kinoreihe STUMMFILM & TON hatte, von der wir nichts wußten. Das ist das Problem von Frankfurtern, daß sie über die Stadtgrenzen nicht so richtig hinausschauen, sondern dann gleich das Fernrohr Richtung Berlin, Hamburg, München, Wien, Paris...nehmen. Das eigentlich Fesselnde am Film ist wirklich die Inszenierung, drei Oscars gab es damals für Murnaus ersten in den USA gedrehten Film. Die Handlung ist schnell erzählt. Das gibt es eine weibliche Sirene, so wie die in den Nachtklubs der Zwanziger Jahre. Warum sie hier in dem Dorf zur Untermiete wohnt, verstanden wir nicht, wohl aber, daß sie einem der Bauern den Kopf verdrehte, wozu aber immer zwei gehören, um das deutlich zu sagen. Ein sehr ansehnliches Mannsbild. Problem, er hat eine süße kleine blonde Frau und ein Kleinkind. Doch einem verdrehten Kopf ist nicht zu helfen. Er will die – Prostituierte? - haben und läßt sich von ihr einreden, wie er flugs wieder ein lediger Mann werden kann und zur Verfügung für die Dame steht, damit seine Männerphantasien Wirklichkeit werden.

Dann sehen wir zu, wie der  Vorschlag Wirklichkeit wird, wenn der untreue Ehemann der schon durch die Zurückweisung immer kleiner gewordenen Ehefrau eine Bootsfahrt vorschlägt und die sofort glaubt, alles sei wieder gut, sich schön macht, das kleine Kind versorgt zu Hause zurückläßt und sich mit dem Ehemann auf den Weg macht. Nein, jetzt erzählen wir nicht weiter. Toll gemacht, sehr gute Schauspieler und zwar wie in den alten Komödie nach Rollenträgern besetzt: Der jugendliche Held, die schwarzhaarige Verführerin, das zarte unschuldige Blondchen und das süße Kind.

Stattdessen noch ein Wort zu AQUARELLA. Dieses Films wegen sind wir ins Kino des Filmmuseums gekommen und nahmen SUNRISE sozusagen nur mit. Aber, obwohl der Film AQUARELLA mit gewaltigen Bildern auftrumpft, blieben wir etwas enttäuscht zurück. Mag sein, daß das an übersteigerten Erwartungen lag. Es war eine Hessenpremiere und anders als SUNRISE ein Film, der im Wettbewerb läuft. Und es beginnt auch phantastisch, richtig surreal. Da sieht man Männer auf dem Eis, die mit Stöcken ins Eis hauen, immer wieder einbrechen, sich zusammentun und gegenseitig rausziehen.Während wir erst noch an Fischfang glauben, passiert etwas ganz anderes: man sieht unter Wasser ein Auto, später noch eins. Das wird nun mit einer irren Holzkonstruktion aus dem Wasser gezogen.

Als wir die Aufnahme des großen Sees das erste Mal sahen, dachten wir uns noch nichts dabei. Halt eine riesige Eisfläche, im Frühjahr, wo sie brüchig wird, spielt gerade die Handlung. Und im Hintergrund erdfarbene Hügel, kaum Grün, ist ja auch Winter gewesen. Der Film entwickelt sich dann ganz anders weiter. Man sieht beeindruckende Aufnahmen, für die Viktor Kossakovsky mit Buch und Regie, aber auch mit der Kamera steht, Man sieht die Wucht des Hurricane Irma in Miami, man sieht die Angel Falls ins Venezuela, man sieht nicht die Wasserfälle von Iguazú im Dreiländereck Brasilien, Argentinien, Paraguay – die kennen wir nämlich und die sind unter dem Stichwort Wasser das Beeindruckendste, was wir kennen.

Das ist also alles toll und wird nicht als belehrende Wasserdoku, sondern als klassischer Dokumentarfilm mit ebenso aufpulvernder Musik gebracht. Apokalyptica lassen es sich nicht nehmen, den Wassermassen Klangmassen gegenüber zu stellen. Das große Wasser und der kleine Mensch, der hier nur Zuschauer ist und im Film nicht zu sehen.

Aber was war mit den Anfangsszenen, wo ja tatsächlich Mensch, Wasser und untergegangene Zivilisation in Figur eines Autos aus den auftauenden Fluten geborgen wird. Wir dachen spontan an den Baikalsee. Von dort kennen wir, daß im Spätherbst die Bahnschienen und die Straße über den zugefrorenen See verläuft, weil man so rund 100 km Weg spart. Aber ob das dort war? Keiner konnte uns Auskunft geben und so hat dieser Film interessantes Material, erzählt am Anfang eine Geschichte, die aber nicht weitergeführt wird, denn auch die prächtigen Wasserkaskaden, das alles findet aber irgendwie nicht zueinander, ist aber imponierend anzuschauen.

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Info:
www.lichter-filmfest.de