Serie: "ATLAS" 5/8 - das Vater-Sohn-Drama im Handlanger-Milieu der Gentrifizierung - mit Rainer Bock, Albrecht Schuch, Thorsten Merten u.a. / Regie: David Nawrath
Elke Eich
Berlin (Weltexpresso) - Dabei weiß doch jeder Insider, dass es den Reiz der Schauspielerei und guter Darsteller ausmacht, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Greift beim Schubladen-Denken und nach Schubladen-Casting eine gewisse Vermeidungsstrategie, die statt Chancen zu sehen und Vielfalt zu fördern, nur Risiken wahrnimmt?
Es wäre jetzt sehr übergriffig, zu sagen, dass die Fantasie vieler deutscher Fernsehredakteure, nennen wir es mal so, eine „eindimensionale“ ist. Aber danach wurde dann besetzt. Ich glaube, man muss sich in so einer Lage dann
mit etwas Glück neu erarbeiten, dass man entsprechend wieder andere Rollenangebote bekommt.
Ich hatte übrigens mal ein schönes Casting für eine komische Rolle, bei dem sich die Verantwort-lichen vor Lachen gar nicht mehr einkriegen konnten und fast auf dem Boden gelegen haben. Aber die Rolle bekam jemand anderes, und zwar aus guten Gründen der Dramaturgie, die gar nichts mit dem Können im komischen Genre zu tun hatten. Was ich nur sagen will: Der Komödie bin ich durchaus zugetan, aber auch die gilt es zu entdecken.
Mir ist so, dass Sie im vergangenen Jahr auch etwas Satirisches für einen Fernsehsender abgedreht haben...
Im Herbst haben wir eine wunderbare Politsatire für den WDR gemacht, über die Beinahe-Pleite von Karstadt. Sie sind über die Hintergründe sicher informiert: Damals war ein gewisser Josef Esch der Vermögens- und Finanzverwalter von Frau Schickedanz und hat ihre gesamten Millarden versenkt – gar nicht mal in die eigene Tasche, sondern einfach versenkt!
In dieser Satire heißt der Asch, damit man ihn nicht wiedererkennt. (lacht) Der WDR zittert wahrscheinlich jetzt schon vor juristischen Angriffen! Ursprünglich hieß die Figur nur „der Polier“, weil der Josef Esch aus der Baubranche kam und im wirklichen Leben einfacher Maurer war.
Mit seinen ersten Eigentumswohnungen in einem Mehrfamilienhaus hat er Monopoly gespielt und es darüber richtig zu Geld gebracht. Esch ist dann als Berater im Bankhaus Sal. Oppenheim mit eingestiegen, das später pleite ging, woraufhin die Deutsche Bank dann zugegriffen hat. Das Interessante: Obwohl Josef Esch gar nicht im Vorstand der Bank war, haben alle auf den gehört! Wenn man das liest, ist das schon Realsatire genug, weil man sich denkt: Wie kann man nur so dämlich sein?! ...(lacht kräftig), ... Unglaublich, wie die ihre Kohle verschleudert haben!
Danach kam dieser Tom Middelhoff, der quasi als Treuhänder eingesetzt wurde und dann richtig eingefahren ist für drei Jahre. Währenddessen ist Herr Esch, äh..., natürlich Asch mit einer Strafe von € 500.000 davongekommen. Die Summe konnte er locker aus der Portokasse bezahlen... Ich bin sehr gespannt, ob diese Politisatire funktioniert hat! Auf jeden Fall hat das Projekt einen Riesen-Spaß gemacht.
Mit dieser Darstellung werden sich sicherlich weitere Türen für das komödiantische Fach für Sie öffnen! Sie drehen aber auch viel international, Herr Bock.
Internationale Produktionen habe ich auch nur deshalb bekommen, weil die Aufraggeber „Das Weiße Band“ gesehen haben. Z.B. bekam ich ein Angebot nach Australien für drei Drehtage. Da dachte ich: „Habt Ihr sie noch alle?!“ Soll ich für drei Tage nach Australien reisen?
Haben Sie denn das Rollenangebot in Australien angenommen?
Ja, ja. Das war „Tracks“, der Film von Regisseur John Curran über die Reisejournalistin Robyn Davidson. Die ist im Alter von 28 Jahren mit 5 Kamelen und einem schwarzen Hund durch den australischen Kontinent zu Fuß gegangen. Das war auch im Zuge der Emanzipationsbewegung damals ein Hammer! Die Geschichte wurde verfilmt mit der wunderbaren Mia Wasikowska, die wirklich eine großartige Schauspielerin ist.
Ich hatte das mit meiner Agentin besprochen. Gerade hatte ich „Most Wanted Men“ abgedreht, und es war noch ein Zeitfenster von 12 Tagen frei... Und weil ich nicht so ein reisefreudiger Mensch bin, wollte ich absagen. „Aber der Regisseur würde gerne mit Dir skypen.“, meinte meine Agentin. Und der war dann sooo nett! (lacht) Er hatte „Das Weiße Band“ gesehen, und es ging bei der angebotenen Rolle um eine Figur, die deutschstämmig und kein besonders netter Charakter ist.
Dann habe ich meine Anforderungen hochgeschraubt, um sie abzuschrecken und meiner Agentin gesagt: Ich brauche einen Assistenten oder eine Assistentin, jemand, der die ganze Zeit für mich da ist. Und in Singapur reicht mir nicht diese Lufthansa-Lounge, sondern ich braucht für den 8-Stunde-Zwischenstop ein richtiges Hotel. Für den Flug brauche ich mindestens einen Platz in der Business Class, wenn nicht sogar in der Ersten Klasse.
Ich dachte mir, dass die mich so für einen überheblichen Spinner halten und mich dann nicht mehr haben wollen. Sie haben aber tatsächlich den gesamten Katalog meiner Forderungen durchgewunken! (lacht) Da konnte ich natürlich nicht mehr zurück. Man hätte mich für einen Idioten gehalten, wenn ich das abgesagt hätte. Dieser Dreh in Australien war auch ein tolles Erlebnis.
Als Schauspieler, der, wie gesagt, auf intellektuelle Rollen abonniert ist, haben Sie in ihrem subtilen Spiel enorme Präsenz. Ich würde ihre Besetzung in vielen Film-Nebenrollen auch eher positiv und als große Anerkennung sehen: Als ein Zeichen dafür, dass sie aus jeder noch so kleinen oder mittleren Rolle das Optimale rausholen! Und in „Atlas“ haben Sie jetzt mit sehr wenig Text und zurückhaltendem Spiel auch unglaublich viel rausgeholt!
Das nehme mich mal als Kompliment an. Vielen Dank!
In unserem Gespräch wirken Sie durchweg sehr locker und offen, Herr Bock. Was von dem, was Sie als privaten Menschen ausmacht, würden Sie noch von sich preisgeben?
Dieser intellektuelle Mensch, als der ich immer gesehen werde durch mein Rollenprofil, bin ich eigentlich nicht!
Ich bin ein unglaubliches Spielkind! Ich bin Spieler und ich war es mit Anfang 20 sogar mal professionell. Gespielt habe ich Poker, Skat, Rommée, Backgammon, Schach und Billard: Alles um Geld! Das war teilweise sehr erfolgreich, teilweise nicht.
Ich bin sehr naturverbunden und ich liebe das Fischen. Ich mache viel Sport, auch wenn man das nicht sieht. (lächelt) Als Norddeutscher habe ich relativ viel Humor, mit dem ich in Bayern öfter auflaufe...
Eigentlich bin ich immer noch ein Philanthrop und habe das zusammen mit meiner Frau meinem Sohn vererbt. Darüber freue ich mich sehr.
Herzlichen Dank für das überaus kurzweilige Gespräch, Herr Bock! Und viel Glück für diesen Film und mit weiteren, tragenden Hauptrollen!
FORTSETZUNG: Serie: "ATLAS" 6/8 - 8/8 Interview mit Regisseur David Nawrath
Weiter zum Interview mit "ATLAS"-Regisseur David Nawrath:https://weltexpresso.de/index.php/kino?view=form&layout=edit&a_id=15916&catid=79&return=aHR0cHM6Ly93ZWx0ZXhwcmVzc28uZGUv
FOTO CREDITS:
1) Porträt Rainer Bock
© Stefan Kueter
Info:
ATLAS
100 Minuten
FSK-Freigabe "Freigegeben ab zwölf Jahren"
Regie
David Nawrath
Darsteller
Rainer Bock (Jan), Albrecht Schuch (Jan), Thorsten Merten (Alfred), Uwe Preuss (Roland),
Roman Kanonik (Moussa), Nina Gummich (Julia)
Drehbuch
David Nawrath, Paul Salisbury
Musik
Enis Rotthoff
Kamera
Tobias von dem Borne
Schnitt
Stefan Oliveira-Pita
Casting
Silke Koch
Produktion
23/5 Film - Britta Knöller, Hans-Christian Schmid
Verleih
Pandora Film