Bildschirmfoto 2019 05 01 um 21.04.11Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Mai 2019, Teil 1

Redaktion

London (Weltexpresso) - Können Sie die Entstehungsgeschichte von ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN beschreiben?

Alles begann 2002 mit einem Drehbuch, das Johnny Smith und Rob Sprackling an die USamerikanische Produktionsfirma Montecito verkauft hatten. Doch bis 2016 lag das Projekt auf Eis. Ich kaufte es dann Montecito ab und arbeitete mit den Autoren an einer Neufassung des Drehbuchs. Wir mussten tatsächlich auf das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl warten, um den ersten Akt zu vollenden. Immerhin ist es ja eine Szene mit dem Präsidenten, die jene Ereignisse in Gang setzt, die großen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichte haben. Der Sieg von Donald Trump half uns, den Humor einiger Szenen zu forcieren. Wir zeigen ihn schließlich als einen... nun ja, ziemlichen Rüpel. (lacht)

Bildschirmfoto 2019 05 01 um 21.17.18Er ist ganz wild nach Selfies, er hat schlechte Manieren und benimmt sich selbst bei einem Dinner mit der Queen total respektlos. Wir schrieben aber noch weitere Sequenzen um, etwa die Kampfszenen zwischen Rex und Tyson, die mit ihrer Gewalt an manche Szenen in „Fight Club“ erinnerten. Wir machten daraus Verfolgungsjagden ohne wirkliche Gewalt, das passte einfach besser zu der Art von Familienfilmen, die nWave traditionell produziert. Auch der dritte Akt musste bearbeitet werden. In der Originalversion kehrte Rex lediglich von seiner Freundin Wanda begleitet in den Buckingham Palast zurück. Wir fanden, dass es witziger und dynamischer wäre, wenn er von einem ganzen Rudel Tierheimhunde begleitet wird. Ich jedenfalls finde das Chaos klasse, das sie im Palast auslösen.


Befinden sich eigentlich viele Trickfilm-Drehbücher im Umlauf?

Bildschirmfoto 2019 05 01 um 21.04.47Verhältnismäßig wenige, wenn man es mit den Tausenden von Live-Action-Drehbüchern vergleicht. Anders als die US-Studios, die alles im eigenen Haus machen, halte ich ständig Ausschau nach Projekten. Ich bin häufig in den USA und inzwischen gut vernetzt mit Agenten, die talentierte Autoren betreuen. Deshalb habe ich Zugang zu vielen Drehbüchern – etwa zehn bis 15 pro Jahr –, was meinen Job natürlich leichter macht. Manche Autoren schreiben ihre Drehbücher auf eigenes Risiko – also ohne Auftraggeber – und hoffen, dass sie Produzenten finden, die sich für ihre Bücher interessieren. So haben wir auch „Bigfoot Junior“ und ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN gefunden.


Nach welchen Kriterien suchen Sie die Geschichten aus, die Sie anschließend weiterentwickeln?

Am wichtigsten ist natürlich, dass die Geschichte interessant ist. Dann brauchen wir sympathische Figuren, die speziell auch einem jungen Publikum gefallen. In der ersten Hälfte von ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN ist Rex ziemlich arrogant und rücksichtslos. Er nutzt seine royale Position aus und führt sich auf wie ein Star; aber dann beginnt seine persönliche Reise: Er wird das Opfer einer Intrige, aus dem Buckingham Palast geworfen und ist plötzlich ganz auf sich alleine gestellt. So kommt es, dass der Zuschauer für ihn Gefühle aufbaut, weil er aus seinen Fehlern lernt und sich weiterentwickelt. Die Zielgruppe von ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN sind Fünf- bis Zehnjährige, aber er soll natürlich auch deren Eltern zum Lachen bringen. Es machte mir Spaß, Anspielungen für Erwachsene einzubauen, etwa die Szenen mit Trump, oder die Zitate aus „Fight Club“ und „Rocky“.


Wenn Sie ein Drehbuch lesen, sehen Sie dann gleich den fertigen Film vor sich?

Zumindest ist es wichtig, recht schnell zu entscheiden, wohin die Reise in visueller Hinsicht gehen soll. Kein US-Studio wird mit der Produktion eines Films beginnen, wenn nicht feststeht, wie die Animation aussehen wird. Wir sind eines der wenigen Studios, die das Pferd von hinten aufzäumen. (lacht) Unsere Vorbereitungsphase ist in der Regel sehr kurz. Ich musste also schon ganz genau wissen, wie ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN aussehen würde, sowohl was die Hintergründe wie auch die einzelnen Figuren betrifft. Zwei Monate, nachdem wir das Drehbuch gekauft hatten, begannen wir bereits mit den Stimmaufnahmen, und das, obwohl die Modelle und die eigentliche Animation sich noch in ihrem Anfangsstadium befanden.


Warum arbeiten Sie in der Regel mit einem Co-Regisseur, in diesem Fall mit Vincent Kesteloot?

Unsere erste gemeinsame Arbeit war „Sammy 2“. Damals musste ich häufig wegen eines anderen Projekts, „African Safari 3D“, nach Afrika reisen. Ich kümmere mich um alles, was mit dem Drehbuch zusammenhängt, um die Stimmaufnahmen in Los Angeles, und natürlich verfolge ich sehr intensiv die Animationsarbeiten. Auch die Arbeit am Soundtrack macht mir viel Spaß: Mit Ramin Djawadi haben wir bei fast all unseren Projekten zusammengearbeitet. Er ist nicht nur sehr talentiert, sondern auch ausgesprochen loyal – selbst nachdem er als Komponist von Serien wie „Game of Thrones“ und „Westworld“ zum Star wurde. In technischer Hinsicht war ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN sehr kompliziert – immerhin gab es zahlreiche fellige Figuren, die animiert werden mussten. Aber Vincent kümmert sich sehr akkurat um die tägliche Detailarbeit. Animation – das ist ein dermaßen langwieriger, bruchstückhafter Prozess, dass es unabdingbar ist, immer mal wieder einen Schritt zurückzutreten, um nicht den Überblick über den gesamten Film zu verlieren. Mir hilft es in dieser Hinsicht sehr, mit einem Co-Regisseur zu arbeiten, der sich um die Details kümmert, die täglichen Abläufe. Dass Vincent und ich auf einer Wellenlänge liegen, hilft natürlich zusätzlich. Teamgeist ist bei Animationsfilmen extrem wichtig. Bei der Arbeit an Filmen, bei denen ich der einzige Regisseur war, wurde ich schon mal dafür kritisiert, dass ich nicht jedes Detail im Auge hatte, oder dass ich alles am liebsten selbst gemacht hätte. Doch jetzt arbeiten wir zusammen, und wir haben eine gute Balance gefunden.


Wie schätzen Sie die Position von nWave Pictures im internationalen Animations-Markt ein?

Wir sind außerhalb der USA das produktivste Animationsstudio weltweit. „Fly Me to the Moon“ kam 2009 in die Kinos, und wir beginnen demnächst mit unserem neunten Film. An ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN arbeiteten wir rund zwei Jahre, die meisten Animationsfilme haben eine Produktionszeit von drei bis vier Jahren.


Wie können Sie diesen Produktionsrhythmus aufrechterhalten?

Unser größter Vorteil besteht darin, dass die Produktion auf einen Ort konzentriert ist: unser Studio in Brüssel. Während US-Budgets für Animationsfilme gerne mal 100 Millionen Euro überschreiten, kosten unsere Filme im Schnitt 17 bis 20 Millionen Euro. Damit wir unser talentiertes Animationsteam nach Fertigstellung eines Films nicht ziehen lassen müssen, brauchen wir natürlich stetig neue Projekte. Es ist unverzichtbar, dass wir parallel zwei Projekte in Arbeit haben, die sich überlappen – so können wir von einem Film zum anderen wechseln, ohne dass wir dazwischen Däumchen drehen. Bei uns befinden sich gleichzeitig mehrere Projekte in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Und wir haben 120 Angestellte, die Vollzeit arbeiten. Diejenigen, die ihre Arbeit an ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN beendet haben, arbeiten längst an „Bigfoot Superstar“. Für mich sieht es so aus, als würden US-Studios die Arbeitsbereiche extrem fragmentieren, bei uns hingegen hat jeder Zeichner eine ziemlich genaue Vorstellung von sämtlichen Facetten und Etappen der Produktion. Ich finde, das motiviert deutlich mehr und bindet alle viel stärker in das Projekt ein.


Wie wirkt sich ein Wie wirkt sich ein knapp bemessenes Budget auf einen Film wie ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN aus?

Wir wollen Animationsfilme für den internationalen Markt machen. Technisch gesehen müssen unsere Filme also perfekt sein. Was angesichts unserer kleineren Budgets keine leichte Aufgabe ist. Wir müssen also ständig abwägen, an welcher Stelle wir das Geld am sinnvollsten ausgeben. Bei ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN ist das Dinner im ersten Akt einer der Schlüsselmomente des Films. Ursprünglich war es im Drehbuch als Staatsbankett beschrieben. Das wäre jedoch sehr teuer geworden. Und ein Staatsbankett mit nur wenigen Gästen gibt es nicht. Also haben wir die Szene umgeschrieben: Aus dem Staatsbankett wurde ein privates Dinner zwischen dem Königspaar und dem US-Präsidentenpaar. Für den weiteren Verlauf der Geschichte macht es eigentlich keinen großen Unterschied, ich würde sogar sagen, dass die jetzige Version besser und witziger ist als die ursprüngliche – und das, obwohl die Animationskosten nur noch einen Bruchteil betragen. Das Gleiche gilt für die Szene, in der Rex stolpert und die Treppe hinunter fällt. Ursprünglich sollte er durch ein Fenster krachen und in den Armen von Prinz Philip landen, während die Royals fotografiert wurden. Doch dann entschieden wir, die Szene zu vereinfachen. Indem wir an gewissen Stellen sparsam agieren, können wir an anderen richtig prassen, vor allem im dritten Akt.


Hat nWave Pictures einen eigenen Stil entwickelt?

Ich denke, dass wir großen Wert auf Realismus legen. Für ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN arbeitete das Team häufig mit fotografischen Vorlagen, etwa das Äußere und die Innenräume vom Buckingham Palast. Wir machten uns auch den Film zunutze, der mit Daniel Craig für die Olympischen Spiele in London gedreht wurde, weil daran zu sehen ist, wie er neben der Queen und ihren Hunden einen Flur entlang läuft. Dieser Flur wurde zu einem der Hauptelemente für die Hintergründe unseres Films. Wir wollten dem Schloss und den Corgis der Queen absolut gerecht werden. Die Über-Stilisierung, wie sie typisch ist für viele Hollywoodproduktionen, wollten wir unbedingt vermeiden. Die Einfachheit unseres Designs wird letztlich aber immer auch von der Machbarkeit diktiert – verglichen mit solchen Animationsfilmen, in denen ganze Welten neu erfunden werden, in denen die Phantasie die Realität transzendiert. Mit Einfachheit meine ich, dass wir nichts wirklich neu erschaffen, wir versuchen, die Realität wieder zu geben. Selbst unser Bigfoot, der ja eigentlich eine mythische Kreatur ist, basiert letztlich auf einer simplen Idee: Bei uns sieht er aus wie ein sehr haariger Mensch. (lacht)

Fotos:
© Verleih

Info:
Regie: Ben Stassen, Vincent Kesteloot
Drehbuch: Rob Sprackling, Johnny Smith
Englische Sprecher: Jack Whitehall, Julie Walters, Tom Courtenay, Matt Lucas, Ray Winstone u.a.
Deutsche Sprecher: Patrick Baehr, Constantin von Jascheroff, Julien Haggege, Paula Schramm, Gedeon Burkhard u.a.

Abdruck aus dem Presseheft