Serie "DAS SCHÖNSTE PAAR" von Sven Taddicken mit Luise Heyer, Maximilian Brückner, Leonard Kunz, Jasna Fritzi Bauer, Teil 6/8
Elke Eich
Berlin (Weltexpresso) - In Ihren Filmen spielt auch Humor eine große Rolle. Nicht einfach, das auch in einem Film über Vergewaltigung angemessen unterzubringen.
Ich finde, Humor ist häufig der einzig berechtigte Ausweg! Wenn du über dein Problem lachen kannst, bist du schon einen riesigen Schritt weiter. „Das schönste Paar“ ist ja mit seinen ersten 10 Minuten und seiner Prämisse kein Film, in dem man sich ermutigt fühlt, laut zu lachen. Humor, allerdings ein etwas zaghafterer, ist trotzdem auch dabei.
Außerhalb des Plots, d.h. außerhalb des, mal trocken gesagt, „Kriminalfalls“, der die beiden Opfer und die Täter direkt betrifft, war mir wichtig, allen Szenen einen eher lockeren, im Grunde leichten Anstrich zu geben. Das betrifft z.B. die Szenen mit Livs Schülern und die Szene mit dem Tontechniker. Und wenn Malte die Jenny, also die Freundin vom Täter Sascha, in der Kneipe aufsucht, hat das auch ironische Untertöne.
Es gibt eine Reihe von sehr warmen, humorvollen Szenen, bei denen das Publikum auch tatsächlich lacht, aber halt nicht so laut, weil das Vergewaltigungsthema so aufwühlend und spannend ist, dass man gebannt bleibt.
Die Auswahl der geeigneten Schauspieler ist ja gerade bei einem psychologisch dichten Film immens wichtig. War das Casting kompliziert?
Das Casting lief ziemlich unspektakulär. Ich hatte Simone Bär als Besetzerin, die ich sehr mag und die das Buch auch gelesen hatte. Bei ihren Vorschlägen hatte sie eine ganz sichere Hand, und mit all diesen Schauspielern, vor allem für die vier Hauptrollen, habe ich dann Castings gemacht. Einmal angefangen mit der jeweiligen Suche, hatten wir eigentlich alle vier recht schnell zusammen. Rein vom Zeitfenster her, hat sich der Castingprozess allerdings hingezogen, weil es leider Jahre gebraucht hat, diesen Film zu finanzieren.
Luise (Anmerkung: Luise Heyer) hatte ich schon 2014 im Casting und sie damals auch schon gleich besetzt, wohingegen ich jetzt den Maxi (Maximilian Brückner) und den Leo (Leonard Kunz) erst 2017, also kurz vor Dreh, gecastet habe.
Luise Heyer wurde für ihre Rolle der Liv für den Deutschen Filmpreis nominiert. (Anmerkung: und gleichzeitig für ihre Nebenrolle als Mutter von Hape Kerkeling in "Der Junge muss an die frische Luft", für die sie auch ausgezeichnet wurde.) Ein toller Erfolg! Was schätzen Sie an Ihren beiden herausragenden Hauptdarstellern besonders?
Ich freue mich ja schon, wenn ein Schauspieler das Drehbuch, das ich geschrieben habe, liest und sagt, dass er damit was anfangen kann und sich darauf einlassen möchte. Das ist schon mal ein Riesengeschenk und auch relativ vorbehaltslos. In Gesprächen spüre ich allerdings auch, dass nicht jeder Schauspieler, der einen Film machen möchte, sich auch wirklich auf diese Figur einlassen möchte oder kann.
Dabei bin ich aber auch offen für Kritik. Gerade bei „Das schönste Paar“, konnten die Schauspieler Einfluss nehmen. Der Text für die Therapieszenen stammt z.B. von Luise. Ich merkte, dass beimLesen meines Drehbuchtextes bei ihr was zuckte. Da habe ich vorgeschlagen, die Monologe, die Liv zu ihren Vergebungsfantasien führt, selbst mal aufzuschreiben. Das, ist dann auch im Film gelandet.
Es geht darum, zu spüren, ob ein Schauspieler eine gesunde Hingabe zum Projekt und zu den Figuren hat. Natürlich beruhigt es mich auch, wenn ich ein Vertrauen zu mir spüre. Man muss sich ja nicht explizit mögen, aber ein freundschaftlicher Umgang ist bei jeder Arbeit angenehm.
Was machte die Zusammenarbeit mit Maximilian Brückner aus?
Die Schauspieltechnik der beiden würde ich jetzt nicht miteinander vergleichen wollen, weil jeder doch einen anderen Zugang zur eigenen Rolle hatte. Aber im Grunde hatte ich schon ein ähnliches Commitment von ihm wie von Luise, und er hatte auch ein ähnliches Verständnis für meine Geschichte.
Zu Maxi kann ich übrigens etwas Schönes erzählen: Eigentlich wusste ich nicht so richtig, wie meine Geschichte aufhört. Ich hatte mich etwas verzettelt in dieser Fantasie, dass es doch eine Lösung geben muss. Von diesen vielen Möglichkeiten, die diese Figuren ausprobieren - von Vergebung über die Wege der Justiz oder „Rache ist vielleicht doch süß!“ – musste doch eine davon eine befriedigende Lösung sein. Schließlich musste ich mir eingestehen, dass es keine befriedigende Lösung gibt.
Maxi kam dann von sich aus auf eine Idee und meinte: „Mensch, Sven, was hältst Du davon, wenn wir ganz am Ende vom Krankenhaus zurück in unsere Wohnung kommen und dann alles kurz- und kleinhauen? Dann können wir als Paar nochmal ganz von vorne anfangen!“
Genau das war es, was die ganze Zeit noch gefehlt hatte. Und dieses Ende hebt die Geschichte noch mal auf eine ganz andere Ebene, die mit dem Plot an sich gar nichts zu tun hat. Dieses Ende ist ganz klar ein Symbol und vermittelt auch nochmal ein Gefühl davon, wie es doch einen Ausweg geben könnte: Indem man einfach mal alles loslässt und aus der Lösungssuche rausgeht.
Welche Dimensionen der Täter-Figur Sascha waren Ihnen wichtig?
Bei Leonard Kunz fand ich toll, zu merken: „Er wird sich was trauen!“ Das Tragische, das ich in Gesprächen mit Straftätern zu spüren bekommen habe: Wenn du eine Straftat begehst, glaubst du in diesem Moment eigentlich, dass es das Einzige und vielleicht auch das einzig Richtige ist, was Du in diesem Moment tun kannst. Und das ist natürlich nicht so! Jeder Straftäter merkt ja auch 5 Minuten oder 5 Jahre später: „Verdammt! Das war falsch!”
Um diesen Teil glaubhaft erzählen zu können, brauchte ich einen Schauspieler, der sich traut, sich ein Narrativ zu überlegen, weshalb er im Moment der Tat „glaubt“, es ist okay, das zu tun. Natürlich ist das keine „schöne“, bzw. angenehme Arbeit. Und solch ein Narrativ soll auf keinen Fall als Rechtfertigung für die Tat gelten! Es geht nur um ein Motiv, das dazu führt, eine wirklich schlimme Sache zu tun.
Mit welchem Narrativ hat sich denn Ihr Schauspieler Leonard Kunz in Hergang von Saschas Tat „eingetuned“?
Das will ich jetzt gar nicht so ausführen. Vieles davon weiß Leo auch besser, als ich. Aber, als Beispiel: Sascha ist mit den anderen Jungs unterwegs. Es ist ihr letzter Abend. Es ist nichts gelaufen, und sie sind sehr betrunken. Da ist ein Gefühl von Neid... Wie auch immer! Das überlasse ich auch gerne dem Schauspieler! Hauptsache, ich spüre, dass es da einen „Grund“, bzw. einen Auslöser gibt, das zu tun. Dann habe ich auch eine glaubwürdige Szene.
Eine gewisse, fatale Eigendynamik ist auch offensichtlich, die alles aus dem Ruder laufen lässt. Sascha antwortet seiner Freundin ja zwei Jahre später auf Ihre Frage, warum er die Tat begangen hat: "Weil ich es konnte!” – Kam dieser Satz vom Schauspieler Leonard Kunz oder von Ihnen?
Dieser Satz kam aus meinem Drehbuch. Lediglich die Therapieszene und das Ende kamen von Luise und von Maxi. Ein Paar Sachen habe ich dann weggelassen, aber sonst ist alles quasi mein Drehbuch.
FORTSETZUNG Serie: "Das schönste Paar" 7/8 - 8/8
https://weltexpresso.de/index.php/kino?view=form&layout=edit&a_id=15985&catid=79&return=aHR0cHM6Ly93ZWx0ZXhwcmVzc28uZGUverview mit Regisseur Sven Taddicken
FOTOS
1) Sven Taddicken
© Thomas von Klier
2) Luise Heyer
© One Two Films
3) Luise Heyer und Maximilian Brückner
© One Two Films
4) Luise Heyer
© One Two Films
5) Luise Heyer und Maximilian Brückner
© One Two Films
6) Leonard Kunz
© One Two Films
INFO
"DAS SCHÖNSTE PAAR"
90 minuten
FSK-Freigabe ab 16 Jahren
Kinostart: 02. Mai 2019
Regie & Drehbuch
Sven Taddicken
Leonard Kunz (Sascha), Jasna Fritzi Bauer (Jenny),
Florian Bartholomäi (Henning), Inga Birkenfeld (Maren),
Oskar Bökelmann (Janko), Matthias Lier (Boris), Aurel Manthei (Ben),
Julius Nitschkoff (Karl), Susanne Sachsse (Therapeutin), Hannah Schiller (Lydia),
Jakob Schmidt (Hendrik), Vivien Sczesny (Clara), Mirko Kraft (Julius),
Ronald Kukulies (Anwalt), Varia Linnéa Sjöström (Franzi)
Musik
Éric Neveux
Kamera
Daniela Knapp
Schnitt
Andreas Wodraschke
Casting
Simone Bär
Produktion
One Two Films GmbH,
Arsam International, WDR - Westdeutscher Rundfunk, Arte
Verleih
Koryphäen Film
Sven Taddicken VITA
1974 geboren in Hamburg / aufgewachsen in Oldenburg
seit 1989 Filme
1995-96 Musik- und Kommunikationswissenschaften an der Humboldt Universität Berlin
1996-02 Filmakademie Baden-Württemberg: Regie/szenischer Film
2000 Caligari-Stipendium der Filmakademie
2004 Stipendium der Akademie der Künste Berlin (‚Junge Akademie‘)
2007 Stipendium der Villa Aurora/Los Angeles
2007 UCLA Los Angeles: The Business of the Film Industry + Acting for the Camera
2013 Mentor für den Spielfilm „Veve“ für OneFineDayFilms in Nairobi
seit
2014 Dozent an der MET Film School Berlin
lebt in Berlin