f gretaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Mai 2019, Teil

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Abgründigen Figuren hat Isabelle Huppert schon mehrfach ihr Gesicht gegeben, denkt man an Filme wie „Biester“, „Die Klavierspielerin“ oder „Elle“. Aber vielleicht hat es sie gereizt, einen noch fieseren, diabolischeren Charakter darzustellen. Das würde zumindest erklären, warum sich die viel beschäftigte Französin auf den jüngsten Thriller von Neil Jordan eingelassen hat. Denn um es gleich zu sagen: Ein preisverdächtiges Werk wie „The Crying Game“, für den der Ire den Oscar gewann, ist ihm diesmal nicht gelungen. „Greta“ fehlt es an psychologischer Tiefe, Raffinement und Glaubwürdigkeit.

Eine Designer-Handtasche samt Dollarscheinen und Personalausweis, die Greta in der U-Bahn scheinbar vergessen hat, setzt die konstruierte, in New York angesiedelte Geschichte in Gang. Frances, die ehrliche Finderin, widersteht der Versuchung, sich mit dem Geld einen schönen Nachmittag in einem Spa zu gönnen, wie es ihr ihre Mitbewohnerin vorschlägt, bringt es vielmehr artig der Besitzerin zurück. Zum Dank lädt Greta sie auf eine Tasse Kaffee ein. Aus einem Plausch wird mehr, die Frauen freunden sich an und bald fügt es sich, dass Frances, die mit dem Tod ihrer verstorbenen Mutter zu kämpfen hat, in Greta eine Ersatzmutter findet, die ihr gut tut.

Doch als die junge Kellnerin bei einem ihrer Besuche Dutzende weiterer Handtaschen desselben Fabrikats entdeckt, alle mit Namen versehen und offenbar gezielt als Köder für Bekanntschaften mit jungen Frauen vorgesehen, bricht sie schockiert den Kontakt ab. Dumm nur, dass die vermeintlich sympathische Künstlerin, die eben noch mit ihrer Interpretation von Franz Liszts „Liebestraum“ das Herz der Jungen rührte, Zurückweisungen nicht akzeptiert. Plötzlich sieht sich Frances einer Stalkerin ausgeliefert, die sie mit Textnachrichten und Anrufen terrorisiert.

Es erscheint fast als eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Chloë Grace Moretz in die Rolle eines arglosen Opfers hineinschliddert, die in Olivier Assayas‘ Drama „Die Wolken von Sils Maria“ ihrerseits als ein arrogantes Luder eine ungleich überzeugendere Figur machte. Ihre Frances agiert wohl nur deshalb so unbedarft, damit Gretas Angriffe Wirkung zeigen können. Die Verfolgte könnte ihr Smartphone schließlich auch ausschalten oder sich eine neue Nummer zulegen und bei der verschlafenen Polizei energischer auftreten, die ihr nicht helfen will.

Das größte Problem aber liegt darin, dass Jordan allein auf die zunehmend noch weit über das Stalking hinausgehenden Gräueltaten seiner Protagonistin fokussiert, ungeachtet der Motive und biografischen Hintergründe, die aus ihr eine gefährliche Psychopathin haben werden lassen. Ein vielschichtiges Porträt versagt sich damit das mit einigen Schockern reißerisch aufgemachte, mit wenigen Andeutungen über die Vereinsamung in Großstädten begnügende Katz-und-Maus-Spiel.

Nur einmal wird es spannend, als in Frances‘ Wahrnehmung Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Nur lösen Drehbuch und Regie diesen Schwebezustand allzu ernüchternd wieder auf.

Foto:
© Verleih