RocketmanSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Mai 2019, Teil

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Elton John tritt in einem roten glitzernden Kostüm mit riesigen roten Flügeln und einer Kappe mit Teufelshörnern durch eine Tür in einen langen Gang. Er geht allerdings nicht auf eine Bühne, sondern er betritt den Raum einer Therapiegruppe. Dort erzählt er seine Geschichte.

Der etwas dickliche Reginald Kenneth Dwight (Matthew Illesley, später Kit Connor) leidet in den 1950er Jahren unter der Ehe seiner Eltern Sheila Eileen (Bryce Dallas Howard) und Stanley (Steven Mackintosh) und ihrem Desinteresse an ihm. Unterstützung erhält er nur von seiner Großmutter Ivy (Gemma Jones), die ihn auch zum Klavierspielen motiviert. Bereits mit elf Jahren wird er zum Studium an der Londoner Royal Academy of Music zugelassen. Dort zeigt sich, dass er ein absolutes Gehör für Musik hat.

Nach seinem Studium strebt er eine Karriere auf der Bühne an. Leider hat der junge Mann kein Gefühl für Songtexte. Es ist deshalb 1967 ein Glücksfall, dass er mit 20 Jahren auf den damals 17jährigen Songtexter Bernie Taupin (Jamie Bell) trifft. Zwischen den Beiden entsteht eine fruchtbare Zusammenarbeit, die trotz aller Höhen und Tiefen lebenslang halten sollte. Der bekannte Musikverleger und Produzent Dick James (Stephen Graham) gibt den beiden eine Chance. Zur gleichen Zeit ändert Reginald Dwight seinen Namen in Elton Hercules John.

Doch erst 1970 setzt sich der junge Mann durch. Vor allem ein Konzert im August 1970 im bekannten Troubadour Club in Hollywood führt zum Erfolg, denn auf der Bühne ist Elton John nicht nur ein hervorragender Musiker, sondern auch ein außergewöhnlicher Entertainer, damit zieht er die Aufmerksamkeit sowohl von Journalisten als auch der Zuschauer auf sich.

In kurzer Zeit schafft es Elton John ganz nach oben in den Charts. Zusammen mit Taupin schreibt er einen Hit nach dem anderen. Außerdem trägt er nicht nur auf der Bühne immer wildere und auffällige Kostüme und Brillen.

Bei einem der Konzerte trifft er auf John Reid (Richard Madden), der in den nächsten Jahren sein Manager und gleichzeitig auch sein Liebhaber werden wird, auch wenn offiziell Johns Homosexualität geheim bleiben muss. Das geht sogar soweit, dass er 1984 die deutschen Tontechnikerin Renate Blauel heiratet. Die Ehe hält allerdings nur vier Jahre.

Doch während Elton John zum Paradiesvogel und Superstar aufsteigt, ist er persönlich am Ende. Er erkennt, dass er von seinem Vater nie geliebt wurde und dass auch seine Mutter vor allem an seinem Geld interessiert ist.

Daneben wird er von seinem Manager immer wieder zu Konzerten gedrängt, obwohl er längst ausgebrannt ist. Er wird auch abhängig von Alkohol, Kokain, Sex und er leidet unter einem Kaufrausch. Er macht einen recht demonstrativen Selbstmordversuch während einer Party in seinem Haus. Während dieser Zeit geht auch seine Beziehung zu John Reid in die Brüche, den er aber als Manager nicht los wird. Er ist zwar ein Superstar aber gleichzeitig wird er immer einsamer und auch immer stärker von den Drogen abhängig.

Doch dann begreift er, dass er nicht immer der "Rocketman" sein kann und begibt sich in die Therapie. Doch auch wenn der Weg aus der Abhängigkeit hart ist, wird er am Ende "I'm still standing after all this time. Picking up the pieces of my life without you on my mind" singen...


"Rocketman" erzählt die Aufstieg und Absturz des britischen Popmusikers Elton John, seine Freundschaft mit seinem Texter Bernie Taupin, sein Verhältnis zu seinem Manager John Reid und sein schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern, vor allem zu seinem Vater, der nie in der Lage war, den jungen Reginald Kenneth zu umarmen.

Regisseur des Films ist Dexter Fletcher nach einem Drehbuch von Lee Hall. Der hat auch schon das Drehbuch für "Billy Elliot - I Will Dance" (2000) geschrieben, für dessen Musicalversion (2005) Hall das Drehbuch und die Liedtexte und Elton John die Musik verfasst hat.

Die Filmmusik komponierte Matthew Margeson, der mit Dexter Fletcher auch bei "Eddie the Eagle - Alles ist möglich" (2015) zusammengearbeitet hat. Ein Film in dem übrigens auch Taron Egerton die Hauptrolle gespielt hat.

Als Produzenten fungieren u.a. David Furnish - Elton Johns Ehemann - und Matthew Vaughn, der gerne selbst Regie geführt hätte, aber wegen Terminkonflikten die Regiearbeit Dexter Fletcher überlassen musste. Zu den ausführenden Produzenten gehören übrigens auch Elton John und Claudia Schiffer-Vaughn. Das alles zeigt, dass hier ein Lieblingsprojekt von Elton John verwirklicht wurde.

Dexter Fletcher hatte im letzten Jahr die Endfassung von "Bohemian Rhapsody" (2018) erstellt. Im Gegensatz zu diesem Film, der mehr ein Konzertfilm ist, ist "Rocketman" ein Musical. In "Rocketman" singen auch - im Gegensatz zu "Bohemian Rhapsody" - alle Schauspieler selbst. Herausragend ist dabei besonders der Hauptdarsteller Taron Egerton, der übrigens mit Elton John schon in "Kingsman: The Golden Circle" (2017) unter der Regie von Matthew Vaughn zusammen gearbeitet hat.

Im Gegensatz zu "Bohemian Rhapsody" ist "Rocketman" nicht nur ein wunderbar gelungener Musikfilm, sondern es wird hier auch viel offener mit Elton Johns Homosexualität umgegangen, incl. einer großartigen Liebesszene zwischen Elton und John Reid, seinem Manager und seiner ersten großen Liebe. Hier hat der Film glücklicherweise deutlich weniger Berührungsängste.

Die vielen bekannten und weniger bekannten Lieder von Elton John werden hervorragend in die Story eingebunden, dabei wird nicht immer die Reihenfolge, in der sie entstanden sind, eingehalten, aber dafür unterstreichen sie die gespielten Szenen gekonnt. Da alle Schauspieler selbst singen - auch wenn die im Kino zu hörenden Songs letztendlich im Studio nachsynchronisiert worden sind - sind nicht nur Duette oder Quartette möglich, sondern in den Gesangseinlagen können auch besser die Gefühle der Charaktere ausgedrückt werden.

Dreh- und Angelpunkt des Films ist Taron Egerton als Elton John. Er überzeugt neben seiner hervorragenden Darstellung auch mit seinem Gesang. Er zeigt den schüchternden Menschen, der aber immer wenn er eine Bühne betritt, das Publikum zu Beifallsstürmen hinreißen kann. Dexter Fletcher hat einige der Bühnenshows so nachinszeniert, dass sie teilweise wundervoll surreal daherkommen, wenn z.B. Eltons Publikum durch die Musik plötzlich den Boden unter den Füßen verliert, während John schwebend an seinem Klavier weiterspielt. Daneben sind auch die Kostüme von Kostüm-Designer Julian Day den Originalkostümen, die Elton John bei diesen Shows getragen hat, detailgenau nachempfunden (wie man im Abspann sehen kann).

Das Gänsehautfeeling hat man als Zuschauer nicht nur bei den Musical-Einlagen, die zum Teil auch den Originalvideos nachempfunden worden sind, sondern auch in den klassisch arrangierten Szenen, wenn sich z.B. Elton und sein Freund Bernie Taupin unterhalten und dann plötzlich zu singen anfangen.

Taron Egerton zeigt nicht nur eine großartige Performance, sondern sein Elton John hat gleichzeitig eine tolle Vitalität auf der Bühne, aber er ist schüchtern, verwundbar und zutiefst unsicher im normalen Leben. Neben Egerton überzeugen vor allem auch Jamie Bell als Bernie Taupin und Richard Madden als John Reid.

Jamie Bell ist ein ruhiger abgeklärter Bernie Taupin, der nicht nur alle die Jahre ein treuer Freund - beinahe ein Bruder -, sondern auch der beste Text-Schreiber des Musikers wird. Jamie Bell spielt diese unbedingte Loyalität unerschütterlich und gefühlvoll, dabei legt er immer wieder Wert darauf, nicht im Vordergrund agieren zu müssen.

Der Gegensatz dazu ist John Reid, der von Richard Madden ebenfalls hervorragend dargestellt wird. John Reid ist deutlich als Mistkerl angelegt, der sich möglicherweise am Anfang ihrer (Liebes-)Beziehung auch persönlich für den jungen und unerfahrenen Mann interessiert hat. Im Laufe der Zeit ist er aber vor allem als Geschäftsmann darauf aus, dass seine Gelddruckmaschine funktioniert, egal welche persönlichen Verletzungen und Probleme dadurch passieren. Das macht er in einigen Szenen auch Elton John unmissverständlich klar.

Insgesamt ist "Rocketman" ein Film, der die spannende erste Hälfte des Lebens des Elton Hercules John noch einmal Revue passieren lässt. Er zeigt zwar die Höhepunkte aber auch die Niederungen von Elton Johns erster Hälfte seiner Karriere. Der Film ist dabei ganz großes Kino; er ist von der ersten bis zur letzten Minute emotional, bewegend, begeisternd und ungemein spannend. Das macht ihn zu einem Filmmusical, das auf höchstem Niveau unterhält und das unbedingt sehenswert ist.

Zusatz: Zu einem Musical gehört natürlich auch eine Songliste:
1. The Bitch Is Back (Introduction) - Taron Egerton & Sebastian Rich (1:52)
2. I Want Love - Kit Connor, Gemma Jones, Bryce Dallas Howard & Steven Mackintosh (2:12)
3. Saturday Night's Alright (For Fighting) - Taron Egerton & Kit Connor (3:10)
4. Thank You for All Your Loving - Taron Egerton (3:23)
5. Border Song - Taron Egerton (3:25
6. Rock and Roll Madonna (Interlude) - Taron Egerton (2:41)
7. Your Song - Taron Egerton (4:00)
8. Amoreena - Taron Egerton (4:20)
9. Crocodile Rock - Taron Egerton 2:52)
10. Tiny Dancer - Taron Egerton (5:24)
11. Take Me to the Pilot - Taron Egerton (3:42)
12. Hercules - Taron Egerton (5:26)
13. Don't Go Breaking My Heart (Interlude) - Taron Egerton & Rachel Muldoon (1:33)
14. Honky Cat - Taron Egerton & Richard Madden (2:33)
15. Pinball Wizard (Interlude) - Taron Egerton (2:02)
16. Rocket Man - Taron Egerton (4:30)
17. Bennie and the Jets (Interlude) - Taron Egerton (2:28)
18. Don't Let the Sun Go Down on Me - Taron Egerton & Celinde Schoenmaker (2:39)
19. Sorry Seems to Be the Hardest Word - Taron Egerton (2:15)
20. Goodbye Yellow Brick Road - Taron Egerton & Jamie Bell (4:05)
21. I'm Still Standing - Taron Egerton (3:58)
22. (I'm Gonna) Love Me Again - Elton John & Taron Egerton (4:10)

Foto: Jamie Bell als Bernie Taupin und Taron Egerton als Elton John © Paramount Pictures Germany

Info:
Rocketman (Großbritannien 2019)
Originaltitel: Rocketman
Genre: Drama, Biopic, Musik
Filmlänge: 128 Minuten
Regie: Dexter Fletcher
Drehbuch: Lee Hall
Darsteller: Taron Egerton, Jamie Bell, Richard Madden, Bryce Dallas Howard, Gemma Jones, Stephen Graham u.a.
Verleih: Paramount Pictures Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 30.05.2019