f brittSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Juni 2019, Teil 12

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wenn man nur kurz die Inhaltsangabe des Films weitererzählen täte, hätte das bei mir ein Gähnen hervorgerufen. Wer will denn schon den Lebensweg eines Putzteufels verfolgen, wenn der Herr des Geschehens von einer putzenden Ehefrau auf eine attraktive Jüngere umschwenkt.

Geschickt gemacht von Regisseurin Tuva und klug gespielt vom schwedischen Star Pernilla August. Denn die Frau, die uns am Anfang des Films entgegenputzt, tja, sie sieht buchstäblich jedes Staubkorn, hat immer den berühmten Haushaltskittel an, den es heute wohl überhaupt nicht mehr gibt, und der in Filmen wie Familie Hesselbach die Haushaltsuniform der Frauen war – im richtigen Leben eben auch - oder eine Schürze mit Rüschen umgetan. Ach, man kann den Mann ja verstehen, wie ungemütlich ist so ein zu Hause, das blitzblank ist, aber auch geistig und emotional steril.

Wenn also erst einmal wenig Empathie für die Hauptperson da ist, ist das deshalb raffiniert, weil man buchstäblich im Film verführt wird, wie die uns negativ anmutenden Eigenschaften der Britt-Marie (Permilla August) ihre Bedeutung gewinnen und uns am Schluß die Frau, die uns mit hängenden Mundwinkeln und ebensolchen Schultern begrüßt hatte, als heiteres Wesen mit lächelndem Gesicht und selbstbewußter Haltung in eine für sie sicher aufregendere Zukunft entläßt, als sie all die Jahrzehnte eines braven Ehelebens hatte. Und deshalb haftet dem Film letzten Endes doch etwas Melancholisches an, denn, wie anders hätte diese Frau leben können, wenn sie auf sich und ihre Möglichkeiten gebaut hätte, statt über ihren Mann „mitzuleben“ und ihm den berühmten Rücken im Berufsleben freizuhalten.

Man sieht nun genau daran, daß man in solch leichte Melancholie verfällt, wie stark sich m Verlauf des Films diese Empathie mit Britt-Marie entwickelt hatte.

Also von vorne. Öde die Haus-, Haushalts- und Eheszenen. Obwohl, denkt man später darüber nach, zeigt sich die Stärke von Britt-Marie ja von Anfang an. Als sie nämlich das Verhältnis ihres Mannes mitbekommt - das nun ist eine Lachnummer für sich, denn er liegt mit Herzinfarkt im Krankenhaus und als sie ihn aufsucht, sitzt die „Ehefrau“ schon dort: eine junge blonde Sirene, während der Ehemann sie schuldbewußt ansieht - -und wie er sich herausreden und winden will, macht sie kurzen Prozeß. Sie packt den Koffer, verläßt das Haus. Auf in ein neues Leben. Nur ist das schwieriger,a ls sie es sich vorgestellt hatte, denn sie hat ja keine berufliche Erfahrung vorzuweisen, kann nichts, ist nichts. Die Arbeitsvermittlung ist ratlos und als man ihr als Trostpreis eine Vertretung im Jugendhaus in einem kleinen heruntergekommenen Ort anbietet, sind alle, einschließlich Britt- Marie, erstaunt, daß sie annimmt. Dort soll sie hauptsächlich die jugendliche Fußballmannschaft trainieren. Fußball und Jugend: Britt-Marie mag beides nicht.

Ihr Grauen können wir körperlich spüren, wenn sie die Bildungsstätte betritt, die nicht nur ein Durcheinander von Gegenständen und Wegwerfartikeln ausmacht, sondern darüberhinaus auch noch dreckig und eklig wirkt. Mit den Fenstern fängt sie an, auf einmal wird es heller. Aber das Entscheidende sind die Kinder. Denn zu ihrer Aufgabe gehört doch schließlich, die Jugend-Fußballmannschaft des Ortes so zu trainieren, daß sie die anstehende Meisterschaftsspiele antreten können und nicht von vornherein als die großen Verlierer vom Platz gehen. So nämlich sieht es erst einmal aus. Sie spielen schlecht, weil sie nicht zusammen spielen.

Und wie Britt-Marie zur echten Fußballtrainerin wird und sich zwischen ihr und den Jugendlichen ein emotionales Band entwickelt, macht den eigentlichen Gehalt des Films aus, der, obwohl immer gefühlsvoll, doch nie kitschig wird. Sie haben es raus, die Skandinavier wie die Engländer, aus kleinen Geschichten großartige Filmstoffe zu gewinnen und damit eine Volkstümlichkeit zu erreichen, die nichts mit Volkstümelei zu tun hat, sondern mit Widerspiegelung von realem Leben.

Am Schluß staunt man über sich selbst, wieviel einem auf einmal ein Film, den man nie angeschaut hätte, hätte man den Anfang gelesen oder eine Kurzfassung gehört, so positiv reagiert zu haben. Wie gesagt, sie haben es raus, aus den kleinen Geschichten großes Kino zu machen, kein Überwinterungsknospe, aber ein Wiedererkennen vom ganz normalen Wahnsinn, dem Britt-Marie Sinn geben kann.

P.S. Auch dieser Film ist nach einem Bestseller des Autors entstanden, dessen Roman EIN MANN NAMENS OVE auch in Deutschland ein großer Erfolg war. Was einem noch lange nach dem Film nicht in den Kopf will, das ist, wie diese tatkräftige Britt-Marie ihr vorheriges Leben ausgehalten hat. Da fehlt der Figur doch etwas an Glaubwürdigkeit. Allerdings erst später.

Fotos:
© Verleih

Info:
VOR DER KAMERA
PERNILLA AUGUST (Britt-Marie)
PETER HABER (Kent)
ANDERS MOSSLING (Polizist und Sven)
MALIN LEVANON (Bank)

HINTER DER KAMERA
TUVA NOVOTNY (Regie & Drehbuch) 
FREDRIK BACKMAN 
JONAS ALARIK (KAMERA)
NICKLAS WIKSTRÖM NICASTRO (Produktion)