Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Juni 2019, Teil 10
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - 1916 während der Schlacht an der Somme: der 24jährige John Ronald Reuel Tolkien (Nicholas Hoult) liegt in einem der Schützengräben und sucht nach seinem Freund Geoffrey Bache Smith (Anthony Boyle). In Rückblenden erinnert er sich an sein Leben vor dem Krieg.
Kurz nachdem seine Mutter Mabel mit ihm und seinem Bruder Hillary aus Südafrika ins ländlichen Sarehole Mill, einen Vorort von Birmingham, gezogen ist, stirbt sein Vater und die drei müssen mit Hilfe von Father Francis Morgan (Colm Meaney) in ein Innenstadtviertel von Birmingham ziehen. Als seine Mutter 1904 stirbt, wird der Pater der Vormund der beiden Jungen. Er sorgt dafür, dass sie in der Pension von Mrs. Faulkner (Pam Ferris) unterkommen und dass John Ronald mit einem Stipendium auch eine gute Ausbildung an der King Edward’s School in Edgbaston, einem Stadtteil von Birmingham, erhält.
Dort lernt er auch seine Freunde Christopher Wiseman (Tom Glynn-Carney), Robert Quilter Gilson (Patrick Gibson) und Geoffrey Bache Smith (Anthony Boyle) kennen, mit denen er zusammen den T.C.B.S. (Tea Club – Barrovian Society) gründet, ein Gemeinschaft, die sich regelmäßig im Cafe Barrow's Store trifft, um über Literatur und Sprachen zu diskutieren. Tolkien beginnt auch eigene Sprachen zu erfinden und Gedichte zu schreiben.
Zur gleichen Zeit lernt er auch Edith Bratt (Lily Collins) kennen, die als Gesellschafterin ebenfalls bei Mrs. Faulkner wohnt. Gegen den Willen von Pater Francis kommen sich die beiden näher und verlieben sich ineinander.
Doch Tolkien erhält 1911 eine Zusage und ein Stipendium zu einem Studium am Exeter College in Oxford. Er muss zwischen Edith und dem Studium wählen und entscheidet sich durch den Rat von Pater Francis für ein Studium in Oxford. Allerdings ist er mit seiner Studienwahl nicht sehr glücklich. Das ändert sich als er Joseph Wright (Derek Jacobi) kennenlernt, einen Professor für komparative Philologie, der sein Interesse für alt-germanische Sprachen erkennt und fördert.
Doch dann bricht der Erste Weltkrieg aus und Tolkien und seine Freunde müssen als Offiziere in den Krieg ziehen. Nicht alle seine Freunde werden den Krieg überleben. Allerdings wird sich sein Verhältnis zu Edith wieder verbessern. Nach Ende des Krieges wird er nicht nur Edith heiraten und eine Professorenstelle in Oxford antreten, sondern er wird auch seine eigenen Erlebnisse in Fantasy-Geschichten einarbeiten, die sich um Freundschaft, Verlust, Liebe und um eine Landschaft namens Auenland drehen...
John Ronald Reuel Tolkien (1892 - 1973) ist sicher den meisten als Autor von Der Hobbit (1937) und Der Herr der Ringe (1954/1955) geläufig. Auch wenn die Romane zu den kommerziell erfolgreichsten des 20. Jahrhunderts gehören, wurden die Bücher sicher erst durch die Verfilmungen von Peter Jackson auch einem breiteren Publikum bekannt.
Jetzt hat der finnische Regisseur Dome Karukoski den Werdegang von J.R.R. Tolkien beleuchtet. Der Film behandelt dabei nur Tolkiens Jugend, seine Studienzeit und seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg. Seine Zeit als Professor in Oxford und seine wissenschaftliche und schriftstellerische Tätigkeit werden nicht dargestellt.
Das Drehbuch des Biopics stammt von David Gleeson und Stephen Beresford. Die Autoren als auch der Regisseur haben allerdings keinen allzu großen Wert auf eine faktengetreue Verfilmung gelegt, denn sowohl mit akkuraten Daten als auch mit korrekten Zeitabläufen nimmt es der Film nicht allzu genau. Aber das stört sicher nur die Puristen, die sich schon vorher mit Tolkiens Leben auseinander gesetzt haben.
Der Film legt relativ viel Wert darauf, wie Tolkien dazu kam, germanische Sprachen zu studieren, wie sich die Gegebenheiten seines Umfeldes und seine Erlebnisse im Krieg später in seinen beiden Hauptwerken niedergeschlagen haben. Um es aber zu verstehen, sollte man doch zumindest Der Herr der Ringe gelesen haben. Der Film erzählt relativ wenig darüber, wie Tolkien seine von ihm erfundenen Sprachen inhaltlich gestaltet hat.
Regisseur Dome Karukoski zeigt aber in beeindruckenden Bildern von Kameramann Lasse Frank Johannessen, wie sowohl Tolkiens Kriegerlebnisse als auch die Geschichten, die seine Mutter ihn seiner Kindheit erzählt hat, in seine Fantasy-Romane eingeflossen sind. Dies wird immer wieder durch Bilder von schwarzen Reitern und von den grausamen Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs unterstrichen. Mit diesen Motiven weist der Regisseur auch auf den Weg hin, den der Autor J.R.R. Tolkien später nach Mittelerde gehen wird.
Neben vielen tollen Bildern hat der Film auch einen wunderschönen und unaufdringlichen Soundtrack von Thomas Newman, der sich perfekt an die Stimmung des Filmes anpasst.
Auch die Hauptdarsteller spielen ihre Rollen ausgezeichnet. Dies gilt vor allen für Nicholas Hoult, der Tolkien absolut glaubhaft darstellen kann. Lily Collins ist eine bezaubernde und elfenhafte Edith Bratt. Man nimmt ihr (und damit auch dem Film) ab, dass sie als Vorlage von Tolkiens Elfen - vor allem für Lúthien Tinúviel - gedient hat. Einige der gemeinsamen Szenen, z.B. wenn sie sich eine Wagner Oper anhören, sind einfach wundervoll gelungen.
Anthony Boyle, Tom Glynn-Carney und Patrick Gibson unterstützen als Tolkiens Jugendfreunde die Story. Sie sind aber eigentlich nur sympathische Nebenrollen, über ihre Bedeutung für Tolkien wird eigentlich viel zu wenig gesagt. Obwohl der Club T.C.B.S. sicher auch als Vorbild für die Reisegesellschaften im Hobbit und auch dem Herrn der Ringe gedient hat, unterstreicht das Schicksal der Freunde, von denen zwei im Krieg gefallen sind, auch den Bruch in Tolkiens Leben.
Weitere kleine Rollen spielen Colm Meaney als Familienfreund und Vormund Pater Francis, Craig Roberts als Tolkiens aufopferungsvoller Adjutant Private Sam Hodges in den Schützengräben an der Somme und in einer kleinen aber wichtigen Rolle Derek Jacobi als Professor Wright, der in einer gelungen Szene sich mit Tolkien über die Bedeutung von Sprache streitet. Professor Wright ist auch die Person, die dem jungen Mann hilft sein Interesse für nordische Sprachen mit seiner Berufsperspektive zu verbinden.
"Tolkien" ist sicher an einigen Stellen etwas zu lang und auch manchmal etwas zu kitschig geraten. Daneben haben sich durch die Rückblenden auch einige der Szenen - vor allem der Kriegsszenen - wiederholt. Trotzdem ist ein schön gemachtes und gut inszeniertes Drama entstanden, das nicht nur für die Fans von Mittelerde sehenswert ist. Denn das durchaus interessante Biopic - also eine Filmbiografie in fiktionalisierter Form - gibt einen guten ersten Einblick in das frühe Leben von John Ronald Reuel Tolkien, der als einer der Vorväter der Fantasy-Literatur gelten kann. Das allein macht den Film sehenswert.
Foto: Nicholas Hoult als J.R.R. Tolkien und Lily Collins als Edith Bratt © Twentieth Century Fox
Info:
Tolkien (Großbritannien 2019)
Originaltitel: Tolkien
Genre: Drama, Biopic
Filmlänge: 110 Minuten
Regie: Dome Karukoski
Drehbuch: David Gleeson, Stephen Beresford
Darsteller: Nicholas Hoult, Lily Collins, Colm Meaney, Derek Jacobi, Anthony Boyle, Patrick Gibson, Tom Glynn-Carney u.a.
Verleih: Twentieth Century Fox
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 20.06.2019