Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. August 2019, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wer häufig Filme von Kindern und Jugendlichen, die im kriminellen Milieu spielen, sieht, der ist vielleicht gewappnet gegenüber dem Entsetzen und der Erschütterung, die einen erfaßt, wenn man so junge Leute ihr Leben so verschwenden, weil gefährdend sieht.
Und auch erschüttert, wenn sie ungerührt das Leben anderer auslöschen – und das Ganze sportlich sehen. Und doch ist immer das Bewußtsein dabei, daß diese Jungens – es sind halt wirklich die Jungens mit Männerphantasien – derart Produkte ihrer Umgebung, nicht unbedingt ihrer Herkunft sind, daß es wehtut. Denn die Zwangsläufigkeit, daß die Verhältnisse das Werden, den Charakter, das Leben dieser Jugend determinieren, kann ein aufgeklärter Mensch nicht akzeptieren.
Der Film zeigt diese Zwangsläufigkeit auf bestechende, spielerische Weise. Als wir auf der Berlinale den Film das erste Mal sahen, waren wir ganz auf die Handlung orientiert. Das alles findet sich in der Rezension der damaligen Vorstellung: https://weltexpresso.de/index.php/kino/15191-la-paranza-dei-bambini-piranhas
Nach dem zweiten Sehen interessieren stärker die grundsätzlichen Fragen, wie die Jugendlichen aus diesen gesellschaftlichen und auch den selbstgestellen Fallen wieder herausfinden, wenn es nicht gelingt, sie von Anfang an dem kriminellen Milieu zu entziehen, von dem ihr Alltag durchdrungen ist. Und gerade den Alltag für Nicola, Tyson, Biscottino, Agostino, Christian ....erleben wir sehr eindringlich, wenn Nicola die Schutzgeldforderungen an die Mutter erlebt und sein Ausweg und seine Fürsorge für sie darin gipfelt, daß er bei den Camorratypen anheuert und einen Bezirk mit Schutzgeldforderungen übernimmt, und im Gegenzug diese Typen versprechen, bei seiner Mutter zukünftig darauf zu verzichten.
Denn die Gefühle, die Liebe zur Mutter, ihr den guten Sohn beweisen zu wollen, die sind so normal wie bei jedem Kind, und auch die Freundschaft untereinander, das für den anderen Einstehen, was ja grundsätzlich gute Eigenschaften sind, das alles bildet die Grundlage für eine verschworene Gemeinschaft, die auch etwas abhaben will vom süßen Kuchen der Gesellschaft, so wie sie es erleben: Motorroller, Markenschuhe, also Geld!, Partys, schöne Frauen, Tabak und noch mehr.
PARANZA nennen sich die Jugendlichen selbst, die alles auf einmal wollen und das sofort. Man kann dies so gut nachempfinden, nur wissen wir, was dann folgt. Diese Jugendlichen aber haben in ihren Augen gar kein Morgen, da ist es egal, was kommt, wenn der Kick jetzt nur abhebt. Daß die Jugendlichen von Laiendarstellern gespielt werden, sollte man noch hinzufügen. Und auch, das dies die Verfilmung eines Romans DER CLAN DER KINDER von Roberto Saviano ist, der seit GOMORRHA der Spezialist für die neapolitanische Spielart der Mafia ist.
Bei der diesjährigen BERLINALE erhielt der Film den Silbernen Bären für das Beste Drehbuch.
Foto:
© Verleih
Info;
BESETZUNG
Francesco Di Napoli Nicola
Ar Tem Tyson
Viviana Aprea Kriti Letizia
Alfredo Turitto Biscottino
Valentina Vannino Nicola’s Mutter
Pasquale Marotta Agostino
Luca Nacarlo Cristian
Carmine Pizzo Limone
Ciro Pellecchia Lollipop
Ciro Vecchione ‘O Russ
Mattia Piano Del Balzo Briatò
Aniello Arena . Lino Sarnataro
Roberto Carrano Carminiello
Adam Jendoubi Aucelluzzo
Renato Carpentieri Don Vittorio
REGIE
Claudio Giovannesi
DREHBUCH
Roberto Saviano, Claudio Giovannesi, Maurizio Braucciund Träumen vieler junger Menschen erzählt, wie sie überall auf der Welt in den armen Vierteln großer Städte leben. Dort, wo das Verbrechen zur einzigen Möglichkeit werden kann, wirklich zu existieren, bevor man stirbt.
Kritik zur Berlinale:
https://weltexpresso.de/index.php/kino/15191-la-paranza-dei-bambini-piranhas