63. Deutsche Filmpreisverleihung im Berliner Friedrichstadtpalast 2013, Teil 1
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) - Zum neunten Mal haben über 1 400 Mitglieder der DEUTSCHEN FILMAKADEMIE über die Gewinner des DEUTSCHEN FILMPREISES abgestimmt. Im Rahmen einer festlichen, von Mirjam Weichselbraun etwas brav moderierten Gala wurden im Berliner Friedrichstadtpalast die Preisträger durch Laudatoren, die sie würdigten, bekannt gegeben.
Wir finden, daß dies ein angenehmer Abend war, der relativ kurzweilig ablief und weniger Peinlichkeiten enthielt als manche Vorgängerveranstaltung. Man hatte sich mit sehr vielen Laudatoren eingedeckt, die die Moderatorin deshalb oft überflüssig erscheinen ließ. Überhaupt flackerte es im großen Rund schon deshalb dauernd, weil auf den vielen großen Bildschirmen die Fernsehbilder übertragen wurden, die immer wieder Stars aus der Menge ganz groß im Bild präsentierten. Was einem an diesem Abend auch auffiel, ist, wie viele Schauspieler und Schauspielerinnen es in Deutschland und Österreich gibt, vor allem, wie viele gute Schauspieler vorhanden sind. Und was wir nicht vergessen wollen, ist, daß die Präsidentin der Deutschen Filmakademie, Iris Berben, eine gute, weil zurückhaltende Rolle spielte.
Wir finden aber auch, daß sich die Preisvergaben doch sehr kritisch diskutieren lassen, wenn man damit beginnt, wer auf dieser Preisverleihung keine Rolle spielte. Das ist für uns in erster Linie der Film, der als erster eine westdeutsche Nachkriegsgeschichte - kritisch und voll Empathie gleichzeitig und auch noch witzig dazu - erzählen kann: Quellen des Lebens von Oskar Roehler. Dieser Film ist der große Verlierer des Abends, wobei diejenigen die Verlierer sind, die von Filmen noch erwarten, daß sie mit filmischen Mitteln einen Mehrwert gesellschaftlicher Analysen erzielen.
Die Inszenierung des Abends bringt im Wechsel populärere Auszeichnungen mit eher fachlich-technisch orientierten Auswahlentscheidungen. Alles, was mit den Schauspielern selbst zu tun hat, wird stärker wahrgenommen, wie auch die Beste Regie und der Beste Film, der seiner Bedeutung und der Spannung wegen immer am Schluß erwählt wird. In der zweiten Hälfte dann der seit 2005 erstmals wiederaufgelegte Publikumspreis, dessen drei Nominierungseinspielungen über den Abend verteilt waren. Vor den einzelnen Preisen, deren Nominierungen wir in einem Vorgängerartikel weitergeben hatten, erfolgen meist nach der Nennung Ausschnitte aus den Filmen, das Öffnen des Umschlags – jeweils der stillste Moment im Saal – und die Bekanntgabe des Gewinners, der glücklich auf die Bühne stürzt und meist vor Aufregung nichts zu sagen weiß als: Danke.
Die Preisträger:
Bester Spielfilm in Gold: OH BOY, Debütregie: Jan Ole Gerster
Bester Spielfilm in Silber: HANNAH ARENDT, Regie: Margarethe von
Trotta
Bester Spielfilm in Bronze: LORE, Regie: Cate Shortland
Damit wurde OH BOY mit sechs Lolas der eindeutige Sieger und der mit Vorschußlorbeeren versehene Tom Tykwer Film CLOUD ATLAS war trotz vieler technischer Lolas der Verlierer dieses Abends. Mutig wurde die Entscheidung genannt, wobei in der Tat mit OH BOY ein frecher junger, noch dazu Schwarz- Weiß-Film ausgewählt wurde, der zudem mit 300 000 Euro Budget wenig gekostet hat, wenn man es mit der europäischen-amerikanischen Großproduktion des CLOUD ATLAS vergleicht, der immerhin 100 Millionen schwer ist. Im übrigen verteilen sich die Millionen des Preisgeldes so, daß dieser Film also 500 000 Euro erhält und damit einen finanziellen Mehrwert, den die Produzenten sicher gut in weiteren Filmen anlegen.
Worin das Problem gelegen hätte, hätte ein Film wie CLOUD ATLAS gewonnen, liegt nicht nur in dem „Deutschen“ seiner Produktion. Der Film ist zwar hauptsächlich in Berlin gedreht, aber nicht auf Deutsch, zudem sind technisches Team und Darsteller mehrheitlich nicht Deutsche. Was ein 'deutscher' Film ist, ist noch nicht definiert, auf jeden Fall muß diese Diskussion nun auch nicht erfolgen. Es zeigte sich aber bei den Lolas für CLOUD ATLAS auf der Bühne des Friedrichstadtpalastes, daß es merkwürdig ist, daß von den Ausgezeichneten auf einen deutschen Filmpreis nicht auf Deutsch gedankt werden kann.
Bester Dokumentarfilm wurde MORE THAN HONEY vom Regisseur Markus Imhoof, ein Film, der uns ebenfalls sehr gut gefallen hatte, was wir zum Anlaß nehmen, die DVD gesondert zu besprechen. Dennoch waren wir fast froh, nicht in der Jury sitzen zu müssen, denn vor allem der ebenfalls nominierte Film VERGISS MEIN NICHT von David Sieveking über seine der Demenz verfallende Mutter, ist berührend und schockierend zugleich. Bester Kinderfilm wurde KADDISCH FÜR EINEN FREUND von Leo Khasin, der damit DAS HAUS DER KROKODILE ausstach.
Von den sechs Lolas für OH BOY heimste Regisseur Jan Ole Gerster gleich neben dem für den Besten Film (die Preise für dafür gehen an die Produzenten) zwei weitere für sich selber ein. Er erhielt sie für das Beste Drehbuch und die Beste Regie, die Beste Musik ging ebenfalls an OH BOY.