Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Mai 2013, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt eine kleine Renaissance von Filmen, in denen Musiker eine Rolle spielen. Das ist meist kammerspielartig konzipiert, weil sich dann die psychologische Ebene zwischen den Menschen auf die Ausübung des Berufs dieser Musiker akustisch im Zusammenspiel übertragen läßt und umgekehrt.

 

SAITEN DES LEBENS

 

In diesem schönem Film kommt beides glückhaft zusammen: die Geschichte von 25 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit eines Streichquartetts, dem eher zufällig aufbrechenden Konflikt zwischen einzelnen, der doch schon lange unbenannt, ungekannt, aber geahnt, schwelt, der Austragung dieses Konflikts und seiner Lösung, was dem Spiel der Vier in Proben und Aufführungen in jeder dieser Stationen anzuhören ist, denn das ist nicht nur ein Film über Musiker, sondern man hört sie auch und sieht sie beim Spielen. Das Quartett, das sind das Cello, die erste und die zweite Geige und die Bratsche. Sie spielen in derselben Reihenfolge Christopher Walken, Mark Ivanir, Seymour Hoffman und als einzige Frau Catherine Keener.

 

Es ist der erste Spielfilm von Yaron Zilberman, der nicht nur eine Hommage an die Kammermusik und ihre Protagonisten leistet, sondern auch das Zuhause der Künstler in New York als adäquaten Schauplatz in der Neuen Welt für die alte Musik aus Europa zeigt, von dem ausgehend die Vier die Welt erobert haben. Es gibt übrigens genug lebendeVorbilder für dieses Quartett, das in diesem Film eine besondere personelle Gestaltung erhält. Da ist erst einmal der Wichtigste, der Cellist, der nicht nur knapp eine Generation älter als die anderen drei ist, sondernauch das Haupt der Gruppe darstellt. Man sieht ihn, wie er der fleischgewordene Musikgeist ist und die Musikstudenten die Geheimnisse des Musizierens lehrt und das Feuer von seinen Lehrern wie Pablo Casals an seine Schüler weitergibt.

 

Bei ihm wird – so beginnt der Film – Parkinson diagnostiziert, im Anfangsstadium, aber mit der Konsequenz, daß er nicht mehr spielen kann, zumindest in der Qualität, die ein öffentlicher Auftritt erfordert und der professionelle Ruf des Quartetts sowieso. Dies teilt er seinen Freunden mit, die nach 25 Jahren des Zusammenspiels und Umherreisens sehr viel mehr als nur Kollegen sind. So ein Quartett ist wie eine eigene Familie, zudem gibt es eine spezielle Binnenstruktur. Die Bratsche ist mit der zweiten Geige verheiratet. Was sonst noch unterschwellig eine Rolle spielt, das kommt erst nach der Entscheidung des Cellos, mit dem Quartett aufzuhören, zur Sprache.

 

Christopher Walken, der den älteren spiritus rector seines Quartetts spielt, tut dies auf wunderbar menschlich und fachlich abgeklärte Weise. Statt um sich selbst zu trauern, tut er alles, um für sich ein Ersatzcello zu finden, damit das Quartett weiterbestehen kann. Die Alternative, aufzuhören, ist aber für die Bratsche näherliegend. Ihr Mann, die zweite Geige, will diese nicht mehr spielen, sondern – wenigstens im Wechsel – die erste Geige. Philip Seymor spielt diese und den Ehemann der Bratsche aus seiner barocken Fülle heraus. Wie ein verzogenes Kind fühlt er sich zurückgesetzt, er glaubt, auch im wirklichen Leben, eben, nur die zweite Geige zu spielen.

 

Seine Überzeugung, er könne musikalisch auch die erste Geige übernehmen, teilt seine Frau nicht, was er als treulos empfindet, dabei meint sie es erst einmal insofern wertneutral, als beim Zusammenspiel von Musikern nicht Hierarchien entscheidend sind, sondern jeder eine ganz spezielle Fähigkeit an seinem Instrument hat,die er besser ausfüllt als ein anderer. Für die Bratsche sind die Fähigkeiten ihres Mannes genau die der Anpassungsfähigkeit und des Sich Einlassens einer Zweiten Geige, während sie für die Erste Geige den bisherigen Violinist Daniel für den Besten hält. Vielleicht ahnt sie da noch gar nicht, was der Zuschauer schon längst vermutet und ihr Mann fürchtet, daß sie Daniel nicht nur als Musiker verehrt, sondern als Mann begehrt. Als kompromißlosen Musiker lernen wir als Daniel Mark Ivanek kennen, der das so überzeugend macht, daß man ob der unterschiedlichen Charaktere in der Besetzung des Quartetts den Film noch mal so gut findet.

 

Die Handlung des Films ergibt sich aus der Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen. Für und gegen das Quartett und dann noch einmal, wer was spielt. Wie sich alles zum Guten wendet, muß nicht beschrieben werden, denn der Wert des Films liegt im Ernstnehmen von Musik und denen, die sie auf Bühnen für die Zuhörer zum Blühen bringen.