Redaktion
Hamburg (Weltexpresso) - Siegfried Lenz hatte sich bei der Figur des Malers Max Nansen vom Leben Emil Noldes (1867– 1956) inspirieren lassen. Umgekehrt hat sein Roman DEUTSCHSTUNDE die Wahrnehmung Noldes bei vielen Lesern geprägt. Der expressionistische Maler war in diesem Frühjahr erneut Gegenstand einer großen öffentlichen Debatte. Die Ausstellung „Emil Nolde. Eine deutsche Legende. Der Kunstler im Nationalsozialismus“ im Hamburger Bahnhof in Berlin zeigte eindringlicher als je zuvor: Der gefeierte Expressionist Emil Nolde war ein überzeugter Nationalsozialist und Antisemit.
Er war Mitglied der NSDAP, hat sich vehement zu Hitler und der NS-Ideologie bekannt und sich bereits früh antisemitisch geäußert. Die Berliner Ausstellung hat dies sehr detailliert aufgearbeitet. Vorangegangen war die jahrelange Arbeit des Cambridger Historikers Bernhard Fulda. Er konnte erstmals den schriftlichen Nachlass von Emil Nolde einsehen, der zuvor von der „Stiftung Seebull Ada und Emil Nolde“ unter Verschluss gehalten worden war und erst mit dem Amtsantritt eines neuen Direktors 2013 der Forschung zugänglich gemacht wurde. Die Ergebnisse präsentierte Fulda in besagter Ausstellung – und sie waren deutlich. So fabulierte Emil Nolde schon 1911 von „Malerjuden“, die ihre „schlängelnden langen Arme (...) ubers ganze Land hinaus“ erstrecken. 1933 entwarf er einen „Entjudungsplan“, wollte „Lösungen fur die Judenfrage“ aufzeigen. Auch spatere Quellen belegen: Es ging Nolde um die „rassische Sauberung der deutschen Volksgemeinschaft“, wie Bernhard Fulda sagt. Zudem diente er sich immer wieder den Nazis an und diskreditierte jüdische Maler.
Emil Nolde als Vorbild von Lenz’ Figur Max Nansen?
Nach dem Krieg jedoch inszenierte sich Nolde als Verfolgter: Schließlich waren mehr als tausend Werke des expressionistischen Künstlers von den Nazis beschlagnahmt worden, zahlreiche wurden 1937 bei der berüchtigten Wanderausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. 1941 wurde Nolde aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen, er konnte somit keine Bilder mehr verkaufen und ausstellen – Malen durfte er aber weiterhin, ein Malverbot gab es nicht. Obwohl er seinen Überzeugungen auch nach Kriegsende treu blieb, gab er sich nach 1945 als unpolitisch. Die „Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde“ tat alles, um seine NSVergangenheit geheim zu halten und seine Biographie zu schönen und die einflussreichen Nolde-Bände des Kunsthistorikers Werner Haftmanns von 1958 unterstützten diese Deutung.
Auch Siegfried Lenz las Haftmanns Bücher und sie prägten sein Bild des Malers. Für die Figur des Max Ludwig Nansen ließ er sich von Teilstücken aus Noldes Biographie inspirieren. Entscheidend aber ist: Lenz zeichnete mit Max Nansen vor über 50 Jahren eine fiktive Figur – und kein Abbild Emil Noldes. „Lenz hat mit der DEUTSCHSTUNDE keinen Schlüsselroman über Nolde schreiben wollen“, sagt sein Nachlassverwalter Gunter Berg. „Im Roman ist der Maler Max Ludwig Nansen keine Kopie Noldes. Er ist eine literarische Figur, seine Bilder (über 30 werden im Roman beschrieben), orientieren sich an seinem Werk, aber eher so, wie man mit ,Material’ sehr frei umgeht. Die DEUTSCHSTUNDE ist kein ‚Nolde-Roman’. Und er fügt hinzu: „Insofern nimmt sich der Film nun in anderer Weise das Recht, mit diesem Material und der Figur des Malers frei zu verfahren.“
Die Haltung des Films
Frei verfahren bedeutet: Bereits in der Drehbuchphase, lange vor Ausstellung im Hamburger Bahnhof, haben Christian Schwochow und die Produzent*innen entschieden, sich bei der Darstellung des Malers Max Nansen vollständig von Emil Nolde zu distanzieren. „Schon vor der großen öffentlichen Diskussion konnte man Texte von Nolde lesen – das haben wir getan“, sagt Christian Schwochow. „Es ist schon lange bekannt, dass er Antisemit und Nationalsozialist war, dass er stark gegen andere Künstler seiner Zeit vorgegangen ist und sie diskriminiert hat, dass er der Führung des Nationalsozialismus nahestand.“
Doch der ausschlaggebende Grund, sich in der Verfilmung von Nolde zu distanzieren, war ein anderer: „Es geht fur mich in der DEUTSCHSTUNDE nicht um Nolde“, sagt Schwochow. „Mich hat die universelle Geschichte interessiert und der große archaische Konflikt zwischen diesen beiden Freunden und dem Jungen in der Mitte. Selbst wenn Nolde kein Faschist, Antisemit, Nationalsozialist gewesen wäre, hätte er mich für diese Geschichte gar nicht interessiert.“ Schließlich hätte die Fokussierung auf einen realen Künstler und dessen Biographie sich nicht mit dem Anliegen des Films vereinbaren lassen, das Modellhafte und Archetypische der Geschichte zu betonen: „Das hatte die Geschichte viel kleiner gemacht.“
So beschreitet der Film mit der Figur von Max Ludwig Nansen einen eigenständigen künstlerischen Weg. Mit Chefmalerin Gabriele Winzen wurden über einen langen Zeitraum neue Werke entwickelt. „Wir haben für den Film eine eigene Kunst geschaffen, so wie Lenz in seinem Roman auch eine eigene Kunst erfunden hat“, erklärt Christian Schwochow. „Wir haben für Nansen einen ganz eigenen Stil entwickelt, zeigen Gemälde aus verschiedenen Phasen seines Schaffens sowie einen Übergang vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit.“
Die Entscheidung der Filmemacher wurde Jahre vor der Berliner Ausstellung getroffen. Und wie hat Christian Schwochow die Debatte wahrgenommen, die durch sie ausgelöst wurde? „Ich habe mich sehr bestärkt in unserer Entscheidung gefuhlt“, so der Regisseur.
Foto:
© Verleih
Info:
STAB
Regie Christian Schwochow
Drehbuch Heide Schwochow
Produzent*innen Jutta Lieck-Klenke
Dr. Dietrich Kluge
Ulf Israel
BESETZUNG
Jens Ole Jepsen Ulrich Noethen
Max Ludwig Nansen Tobias Moretti
Siggi Jepsen (Kind) Levi Eisenblätter
Ditte Nansen Johanna Wokalek
Gudrun Jepsen Sonja Richter
Hilke Jepsen Maria Dragus
Siggi Jepsen (Jugendlicher) Tom Gronau
Klaas Jepsen Louis Hofmann
Abdruck aus dem Presseheft
Auch Siegfried Lenz las Haftmanns Bücher und sie prägten sein Bild des Malers. Für die Figur des Max Ludwig Nansen ließ er sich von Teilstücken aus Noldes Biographie inspirieren. Entscheidend aber ist: Lenz zeichnete mit Max Nansen vor über 50 Jahren eine fiktive Figur – und kein Abbild Emil Noldes. „Lenz hat mit der DEUTSCHSTUNDE keinen Schlüsselroman über Nolde schreiben wollen“, sagt sein Nachlassverwalter Gunter Berg. „Im Roman ist der Maler Max Ludwig Nansen keine Kopie Noldes. Er ist eine literarische Figur, seine Bilder (über 30 werden im Roman beschrieben), orientieren sich an seinem Werk, aber eher so, wie man mit ,Material’ sehr frei umgeht. Die DEUTSCHSTUNDE ist kein ‚Nolde-Roman’. Und er fügt hinzu: „Insofern nimmt sich der Film nun in anderer Weise das Recht, mit diesem Material und der Figur des Malers frei zu verfahren.“
Die Haltung des Films
Frei verfahren bedeutet: Bereits in der Drehbuchphase, lange vor Ausstellung im Hamburger Bahnhof, haben Christian Schwochow und die Produzent*innen entschieden, sich bei der Darstellung des Malers Max Nansen vollständig von Emil Nolde zu distanzieren. „Schon vor der großen öffentlichen Diskussion konnte man Texte von Nolde lesen – das haben wir getan“, sagt Christian Schwochow. „Es ist schon lange bekannt, dass er Antisemit und Nationalsozialist war, dass er stark gegen andere Künstler seiner Zeit vorgegangen ist und sie diskriminiert hat, dass er der Führung des Nationalsozialismus nahestand.“
Doch der ausschlaggebende Grund, sich in der Verfilmung von Nolde zu distanzieren, war ein anderer: „Es geht fur mich in der DEUTSCHSTUNDE nicht um Nolde“, sagt Schwochow. „Mich hat die universelle Geschichte interessiert und der große archaische Konflikt zwischen diesen beiden Freunden und dem Jungen in der Mitte. Selbst wenn Nolde kein Faschist, Antisemit, Nationalsozialist gewesen wäre, hätte er mich für diese Geschichte gar nicht interessiert.“ Schließlich hätte die Fokussierung auf einen realen Künstler und dessen Biographie sich nicht mit dem Anliegen des Films vereinbaren lassen, das Modellhafte und Archetypische der Geschichte zu betonen: „Das hatte die Geschichte viel kleiner gemacht.“
So beschreitet der Film mit der Figur von Max Ludwig Nansen einen eigenständigen künstlerischen Weg. Mit Chefmalerin Gabriele Winzen wurden über einen langen Zeitraum neue Werke entwickelt. „Wir haben für den Film eine eigene Kunst geschaffen, so wie Lenz in seinem Roman auch eine eigene Kunst erfunden hat“, erklärt Christian Schwochow. „Wir haben für Nansen einen ganz eigenen Stil entwickelt, zeigen Gemälde aus verschiedenen Phasen seines Schaffens sowie einen Übergang vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit.“
Die Entscheidung der Filmemacher wurde Jahre vor der Berliner Ausstellung getroffen. Und wie hat Christian Schwochow die Debatte wahrgenommen, die durch sie ausgelöst wurde? „Ich habe mich sehr bestärkt in unserer Entscheidung gefuhlt“, so der Regisseur.
Foto:
© Verleih
Info:
STAB
Regie Christian Schwochow
Drehbuch Heide Schwochow
Produzent*innen Jutta Lieck-Klenke
Dr. Dietrich Kluge
Ulf Israel
BESETZUNG
Jens Ole Jepsen Ulrich Noethen
Max Ludwig Nansen Tobias Moretti
Siggi Jepsen (Kind) Levi Eisenblätter
Ditte Nansen Johanna Wokalek
Gudrun Jepsen Sonja Richter
Hilke Jepsen Maria Dragus
Siggi Jepsen (Jugendlicher) Tom Gronau
Klaas Jepsen Louis Hofmann
Abdruck aus dem Presseheft