Kirsten Liese
San Sebastian (Weltexpresso) - Die Angst sitzt Higinio tief in den Knochen. In dem schmalen Spalt hinter einer eingezogenen Wand in einer Wohnung verbirgt sich der Oppositionelle vor Francos gefürchteter Guardia Civil. Nur durch eine kleine Ritze kann er die Geschehnisse in den anschließenden Räumen beobachten, seine Situation erscheint derart bedrohlich, dass er nur für kurze Momente hin- und wieder sein Versteck verlassen kann.
Immer wieder kommen Francos Handlanger oder Denunzianten vorbei, durchsuchen die Wohnung und terrorisieren seine Frau Rosa, die sie mehrfach verhören und zeitweise inhaftieren. La trinchera infinita (The Endless Trench) ist einer der bemerkenswertesten wenigen Filme, die das spanische Kino über die schreckliche Zeit des Franco-Regimes hervorgebracht hat und überragte den Wettbewerb des 67. San Sebastian Filmfestivals. Mehr als verdient gewann er die Silberne Muschel für die beste Regie, aber eigentlich hätte ihm die Goldene Muschel für den besten Film gebührt. - Dies auch deshalb, weil das Drama über den langen Zeitraum von 145 Minuten, konsequent aus der Perspektive des Gefangenen erzählt, nie seine bedrückende, permanent von einem Klima der Angst bestimmte, Spannung verliert.
Im Abspann ist zu erfahren, dass es in Wirklichkeit viele solcher spanischen Überlebenskünstler gab, die sich 30 Jahre lang vor dem Diktator als „Maulwürfe“ in Hohlräumen oder Erdlöchern verbargen, einige trauten sich noch nicht einmal nach der erlassenen Amnestie im Jahr 1977 aus ihren Verstecken heraus.
Die Wurzeln für den erbitterten spanischen Bürgerkrieg voller Massaker und politischer Morde, in dem der Film seinen Anfang nimmt, lagen tief: Bauern und Arbeiter waren verarmt und ausgebeutet. Die Eliten, Großgrundbesitzer, Militär und Kirche fürchteten sich vor sozialistischen Experimenten, Enteignungen und Anarchie. Es war mithin mehr als ein Kampf zwischen rechts und links.
Nur wenige Filmemacher versuchten bislang jedoch, davon zu erzählen. Umso furioser beginnt La trinchera infinita, das Drama von Aitor Arregi, Jon Garano und Jose Mari Goenaga, mit einer atemlosen, endlosen, nervenzehrenden Verfolgungsjagd des Protagonisten, aufgenommen mit bewegter Handkamera, aus der Wohnung über die Straßen, wo ihn Francos Häscher einholen und auf einen Laster verladen, von dem Higinio tatsächlich noch der Absprung gelingt. So schnell ihn seine Beine tragen, flüchtet der Republikaner unter Schüssen über Felder und Wiesen, versteckt sich in Gebüschen und schließlich, nachdem die paramilitärische Truppe seine Spur verloren zu haben scheint, zusammen mit zwei anderen Flüchtlingen in einem Brunnen. Doch die Häscher kommen zurück und eröffnen das Feuer im Brunnen, allein Higinio überlebt. Mit einer Kugel im Bein humpelt er zu seiner Frau ins Dorf zurück.
Es ist der schiere Wahnsinn, was dieser Mann und seine tapfere Frau fortan 30 Jahre lang durchstehen: Einmal kommt ein Mann vorbei, der Rosa vergewaltigt. In diesem Moment wagt sich Higinio aus seinem Loch heraus, um seiner Frau zu Hilfe zu kommen, erwürgt den Gewalttäter und begräbt ihn unter der Erde seines Verstecks. Rosa will trotz aller Gefahren unbedingt ein Kind und bekommt das auch, was freilich ein sehr kompliziertes Familienleben mit sich bringt.
Der Film markiert jedoch nicht nur thematisch ein wichtiges Stück Kinogeschichte, er bietet auch hochwertige Filmkunst, dies vor allem dank Javi Agirre Erausos Kamera. Ihm gelingen großartige Cinemascope-Aufnahmen, die das gefängnisartige Dasein hinter der Wand und die bedrückende Atmosphäre hautnah einfangen, die rastlose Jagd zu Beginn begleitet er hautnah mit bewegter Handkamera.
Aus gänzlich anderer Perspektive und ebenso sehr bewegend mit trefflichen Schauspielern und anspruchsvollen Dialogen erzählt der chilenische Regisseur Alejandro Amenábar von der Franco-Zeit. Sein Drama Mientras dure la guerra (While at War), auch in San Sebastian im Wettbewerb aber leider von der Jury unbeachtet, bildete eine ideale Ergänzung zu dem spanischen Schauerdrama. Amenábar rückt den renommierten Autor, Philosoph und Universitätsprofessor Miguel de Unamuno (starke Erscheinung: Karra Elejalde) als alten Mann ins Zentrum seines Films, der sich anfänglich Francos Aufständischen anschließt, im Irrglauben, zwischen den Fronten vermitteln zu können. Erst nach einigen Morden an intellektuellen Freunden erkennt er, dass er sich im Charakter der Nationalisten getäuscht hat und distanziert sich von Franco.
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