Tim und Struppi
von Lida Bach
„Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Als das eines Milchbubis bezeichnet dieses Gesicht später einer der üblen harten Kerle, mit denen es dessen Besitzer aufnimmt. Statt seiner sieht man nur seinen hellblauen Pullover und den kleinen Terrier, den später der gute harte Kerl als „lästigen Hund“ bezeichnet. Die Frage nach dem Gesicht des Porträtierten ist eine rhetorische, doch Steven Spielberg hält sie für ein großes Mysterium. So spannend wie das erste sind alle Mysterien, die „Tim und Struppi“ in der dreidimensionalen Comicverfilmung lösen.
„Habe ich Sie vielleicht schon mal gezeichnet?“, fragt in der Eröffnungsszene der Straßenkünstler. Nein, das war Georges Remi, besser bekannt als Hergé. Unter dem Pseudonym veröffentlichte der belgische Illustrator 1929 den ersten Comicstrip um den rothaarigen Reporter, der begleitet von seinem weißen Foxterrier in fernen Ländern auf Abenteuer besteht. Ein halbes Jahrhundert später hatten „Tim und Struppi“ nahezu die ganze Welt bereist, sowohl im Rahmen der Geschichten als auch in Form der Comichefte, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Im Motion-Capture-Verfahren lösen Tim (Jamie Bell), Captain Haddock (Andy Serkis) und der schurkische Iwan Iwanowitsch Sakharin (Daniel Craig) „Das Geheimnis der Einhorn“. Der vermeintliche Druckfehler ist keiner: die Einhorn ist ein Schiff, das einen versunkenen Schatz birgt.
„Äußerst raffiniert.“, kommentiert das Detektiv-Duo Schulze & Schultze (Nick Frost & Simon Pegg): „Im Gegenteil: geradezu kindisch einfach oder besser gesagt: einfach kindisch.“ Regisseur und Co-Produzent Spielberg ist selbst bekennender „Tin Tin“-Verehrer. Dass irgendjemand die makellosen Helden nicht mag, scheint nach den Angaben des Pressehefts ausgeschlossen. Der Kinofilm dürfte das ändern. Die actiongeladenen Szenen sind atmosphärisch so hohl wie die Figuren leblos. „Ein ganz schön cleveres Bürschchen“ ist der Detektiv-Reporter und „ziemlich ausgekocht“, den „kennt doch jeder: das ist Tim!“. Letzter wiederum weiß alles, nur nicht was Angst, Zweifel und Schwäche sind. Realist sei „nur ein anderes Wort für Drückeberger!“, proklamiert der trinkfeste Haddock Tims jede Spannung abtötende Unfehlbarkeit.
„Natürlich haben Sie einen Plan. Sie haben doch immer einen Plan.“ Genau wie Spielberg, der „Die Abenteuer von Tim und Struppi“ als Trilogie anlegt. Enttäuscht scheinen vom faden Auftakt selbst die Charaktere: „Nach dem ganzen aufheben hätte man gedacht, dass ein bisschen mehr hinter dem Schatz ist.“
Oneline: Ein Junge und sein Hund auf spannungsarmer Abenteuerfahrt in 3D.
Titel: Die Abenteuer von Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn Land/ Jahr: USA 2011 Laufzeit: 110 Min. Regie: Steven Spielberg Drehbuch: Steven Moffat, Edgar Wright, Joe Cornish Schnitt: Michael Kahn Musik: John Williams Darsteller: Jamie Bell, Andy Serkis, Daniel Craig, Simon Pegg, Nick Frost, Toby Jones, Mackenzie Crook, Daniel Mays, Joe Starr, Gad Elmaleh Verleih: Sony Pictures Kinostart: 27. Oktober 2011