f antoineSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Oktober 2019, Teil 8

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Wir kennen ja Ihre Liebe für das Absurde. Hier, mehr als jemals zuvor, multiplizieren sie unwahrscheinliche Situationen.

Das Plausible interessiert mich nicht. Die Wahrheit aber schon. Als Louis zu Yvonne sagt: „Komm, bei der Kirmes läuft ein Mörder rum. Den holen wir uns!“, und sie folgt ihm blind, weil sie Action will, dann interessiert mich das. Es drückt ihren Lebenswillen und ihren Wunsch nach Emanzipation aus. Ihr wurde ein Teil ihres Lebens und ihrer Arbeit gestohlen, sie muss sich von den Toten befreien.


Sie haben sich für lange, poetische Sequenzen entschieden. Warum?

Ich liebe das einfach. Ich habe das Gefühl, dass eine Komödie so etwas zulässt. In meinen Filmen entscheide ich mich oft für einen elaboriert geschriebenen, lebendigen Dialog. Aber ich habe nicht immer die literarische Dimension gewählt. Ich habe immer versucht, das mit einem eher familiären Ton auszugleichen. In diesem Fall habe ich mich für das Literarische entschieden. Als ich das Drehbuch schrieb, sagte ich zu meinem Produzenten: „Wenn ich könnte, würde ich den ganzen Film in Versen schreiben.“


Sie haben bereits zweimal mit Audrey Tautou gearbeitet. LIEBER ANTOINE ALS GAR KEINEN ÄRGER ist ihre erste Zusammenarbeit mit Adèle Haenel. Sie ist urkomisch, als sie Antoines Festnahme nach der Schlägerei vor der Diskothek verhindert, indem sie ihre Polizeimarke schwenkt.

Die Situation ist total burlesk und das war eine Ebene, die Adèle sehr interessiert hat, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass sie zuerst Angst davor hatte. Dieser Schauspielstil ist ganz anders als der Realismus und Naturalismus, den sie in anderen Filmen an den Tag legte. Ich fand es großartig, mit Adèle zu arbeiten. Sie geht spontan auf Regisseure zu und setzt sich für den Film ein, und sie gibt ihm dadurch eine Menge Energie. Eine Kämpfernatur! Sie spielt nicht nur eine Rolle, sie nimmt die Form des Films in sich auf. Es war nicht immer einfach für sie, sondern learning by doing... Adèle ist sehr intelligent. Die notwendige Ernsthaftigkeit in unwahrscheinlichen Situationen, die Hingabe, die Betonung und die Technik, die das Ganze verlangte.


Lassen Sie uns noch einmal über Yvonnes Charakter sprechen und über die Geschichten, die sie ihrem Sohn erzählt: Die sind Hollywoods besten Actionfilmen ebenbürtig. Man muss einfach an James Bond denken.

Die Referenzen sind gewollt, ja. Zum Teil 80er Jahre Belmondo, zum Teil James Bond. Mit Camille Bazbaz, dem Komponisten, haben wir sogar eine Weile überlegt, ähnliche Musik zu verwenden. Aber das wäre dann doch zu viel gewesen. Deswegen haben wir uns für die Soulmusik der 60er entschieden, mit Anspielungen auf „Blaxploitation“. Yvonnes Geschichten sind das Rückgrat des Films: Eine Frau versucht, ihrem Sohn die Wahrheit über seinen Vater mitzuteilen, indem sie ihm fiktive Kurzgeschichten erzählt. Am Ende eignet sich das Kind die Geschichten an und erzählt seine eigenen. Er wird erwachsener, beginnt sich zu befreien.


Sie sind nicht vertraut mit dieser Art von Actionszenen...

Nein, aber es war inspirierend. Man muss gute Ideen haben, braucht eine Menge Geduld und ich habe mich viel mit dem Stuntman über die Inszenierung und den Ton des Films ausgetauscht. Wir mussten die richtige Dosierung zwischen Ironie und Gewalt finden. Das waren wichtige Szenen, die mussten lustig, fast schon parodistisch sein, aber gleichzeitig auch dynamisch bleiben.


Sie haben das Drehbuch wieder mit Benoît Graffin geschrieben.

Das ist unser fünftes gemeinsames Drehbuch. Er ist einer meiner wichtigsten Partner. Wir theoretisieren eine Menge am Anfang, denn das hilft uns beim Schreiben; wir suchen nach Ideen, wir haben eine kleine Ahnung und dann passieren plötzlich Dinge. Als wir die Charaktere für den Film zeichneten, wurde uns schnell klar, dass sie von menschlichen Fragen gekennzeichnet sein müssen. Sie waren stark, in starken Situationen. Das ermöglichte uns eine Menge Abschweifung und Poesie. Als Benoît ging, um seinen eigenen Film zu machen, habe ich Benjamin Charbit getroffen und wir haben gemeinsam weitergemacht. Die beiden haben den gleichen Ansatz. Es ist sehr witzig. Wir sprechen eine Menge, wir theoretisieren und schweifen viel ab, bevor wir auf die Idee für eine Szene kommen


Andererseits ist es das erste Mal, dass Sie mit dem Kameramann Julien Poupard zusammenarbeiten.

Ja, ich fand seine wunderschöne, aber nie anmaßende Beleuchtung und besonders seine sehr strahlenden und kontrastreichen Farben in DIVINE, LES OGRES oder PARTY GIRL ganz toll. Ich wollte schon lange einen farbenfrohen Film machen. Und es hat mir unglaublichen Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Er hat seine Energie eingebracht, seinen wunderbaren Sinn für Rahmung und Farben. Ich versuchte, ihm meine Liebe zur Ellipse und zur Inszenierung zu vermitteln. Es gab tatsächlich ziemlich viele personelle Veränderungen zu meiner üblichen Crew, mit Ausnahme von Set, Kostüm und Schnitt.


Das sind aber viele Änderungen für jemanden, der gerne mit der „Familie“ arbeitet...

Ja, deswegen musste ich eine Menge erklären. Man kann seine Entscheidungen nicht aufzwingen, man muss die Crew überzeugen, dass es die richtigen Regie-Entscheidungen sind. Julien hat zum Beispiel die Tendenz, mit einer Handkamera zu arbeiten, ich bin da eher vorsichtig. Es kann schnell dazu führen, dass die Regie und der Schnitt „entführt“ werden. Aber am Ende erwiesen sich die meisten seiner Anmerkungen und Empfehlungen, ebenso wie die des Regieassistenten, als richtig, dynamisch und inspiriert. Manchmal kann das natürlich unangenehm sein, konfrontativ und ermüdend, aber es ist auch besonders inspirierend. Diese neue Crew hat mich aufgerüttelt und mir einiges beigebracht.


Dachten Sie für den Film an besonderen Referenzen?

Ich liebe Inszenierung, Stil, Ellipse und Understatement. Ich bewundere nach wie vor die gleichen Regisseure: Lubitsch, La Cava, die Filmemacher der großen amerikanischen Klassiker. Gerade bei diesem Film gibt es auch den Einfluss von Jonathan Demme und seinen beiden Komödien aus den 80er Jahren: GEFÄHRLICHE FREUNDIN und DIE MAFIOSI-BRAUT. Sehr stilisierte, farbenfrohe und irrsinnig komische Komödien; Emanzipationsgeschichten mit starken Frauenfiguren.


DER REGISSEUR PIERRE SALVADORI

Pierre Salvadori (*1964), der ursprünglich aus Tunesien stammt, kam im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern nach Paris. Nach dem Abitur absolvierte er Filmkurse sowie eine Theaterausbildung. 1989 schrieb er sein erstes Drehbuch, das vier Jahre später zu dem Film DER KILLER UND DAS MÄDCHEN wurde, der Geschichte eines seltsamen Trios, das sich aus einem alternden Killer (Jean Rochefort), einem jungen, naiven Mann (Guillaume Depardieu) und einer attraktiven Kunstdiebin (Marie Trintignant) zusammensetzte. Der Film verschaffte dem jungen Regisseur eine Nominierung für den César als Bestes Erstlingswerk.

In den folgenden Jahren brachte er Guillaume Depardieu und Marie Trintignant wieder zusammen in den Komödien DIE ANFÄNGER und LÜGEN WIE GEDRUCKT. Nach Ausflügen in den Film Noir kehrte er zur Komödie zurück und inszenierte zum ersten Mal Audrey Tautou in LIEBE UM JEDEN PREIS. Sie arbeiteten wieder zusammen für die Komödie BEZAUBERNDE LÜGEN und schließlich für LIEBER ANTOINE ALS GAR KEINEN ÄRGER, einem der erfolgreichsten französischen Filme des Jahres 2018.

Filmografie (Auswahl):
2018 LIEBER ANTOINE ALS GAR KEINEN ÄRGER
2014 DER HOF ZUR WELT
2010 BEZAUBERNDE LÜGEN
2006 LIEBE UM JEDEN PREIS
1998 LÜGEN WIE GEDRUCKT
1995 DIE ANFÄNGER
1993 DER KILLER UND DAS MÄDCHEN

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
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Info:
LIEBER ANTOINE ALS GAR KEINEN ÄRGER
Ein Film von Pierre Salvadori Spielfilm, Frankreich 2018, 109 Minuten

BESETZUNG
Yvonne    Adèle Haenel
Antoine     Pio Marmaï
Agnès       Audrey Tautou
Louis         Damien Bonnard
Santi         Vincent Elbaz

Abdruck aus dem Presseheft