Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Mai 2013, Teil 2

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es hat sich herumgesprochen, daß dieser Film die Trilogie des Österreichers Ulrich Seidl vollendet, die alle von Paradiesen sprechen, Glaube, Liebe, Hoffnung. Allerdings zeigt schon die Reihenfolge LIEBE, GLAUBE, HOFFNUNG, daß Seidl wohl nicht die christlichen Tugendgrundlagen verfilmt.

 

 

PARADIES HOFFNUNG

 

Wir würden diesen Film gerne mit 13jährigen anschauen, denn aus der Perspektive einer dicken 13jährigen wird dieser Film erzählt. Und da ist schon der erste Fallstrick. Was lasen wir da, Melanie, die bei einer Größe von 1,64 Metern 81 Kilogramm auf die Waage bringt, Melanie also sei rundlich. Nein, sie ist fett, was man heute nicht mehr sagen darf, weshalb das Wort 'übergewichtig' neutral die Sache regeln soll, man aber, bleibt man bei der Wahrheit 'stark' übergewichtig sagen sollte. Man kann es auch einfacher sagen: der Babyspeck ist noch nicht weg. In der Tat sind nämlich einige Vor- und Pupertierenden richtig dick und werden dann, wie das Sprichwort sagt: vom häßlichen, fetten Entlein zum schlanken Schwan.

 

Aber das war früher und hat hormonelle Gründe. Diejenigen, die mit dem Wiener Maderl Melanie in den Sommerferien in dieses (erfundene) Diätcamp in die Provinz fahren, die sind allesamt Vertreter des Fast Food oder eben auch der sozialen Schicht, wo billiges Essen viel Zucker und Fett enthält. Dieses Camp wird uns vorgestellt wie ein Gefängnis. Das Personal ist so vom Drill besessen, daß Gefühle und damit Lust und Liebe überhaupt nicht vorhanden sind. Nicht die Einsicht der Jugendlichen, warum sie soviel essen und weshalb und wie sie ihren Lebensstil ändern müßten, ist Ausgangspunkt, sondern das Abnehmen gilt als Selbstzweck, der von den Erwachsenen vorgegeben wird.

 

Wir bleiben bei Melanie, wie sie das Prozedere im Diätcamp erlebt. Die Jugendlichen bewohnen Räume mit Stockbetten, was an Jugendherbergen erinnert, wie überhaupt viel von Klassenfahrten in den Köpfen der erwachsenen Zuschauer Raum greift. Selbstbestimmung von Jugendlichen, wo sie doch nun schon einmal so kaserniert sind? Das wäre das Gegenteil von dem, was Seidl zeigen will, der natürlich uns die Folgen vom Schlankheitswahn ins Hirn schreibt. Und da sind wir schon an einer wichtigen Schnittstelle. Auch wir sind gegen solche Hungerharken, wozu Frauen in den Modezeitschriften stilisiert werden, und auch wir kennen solche, die nur hungern, damit sie schlank bleiben. Schrecklich. Und wir haben einem angenehmen Modeversandhaus einst mitgeteilt, daß wir nie wieder von ihnen etwas kaufen, wenn sie weiterhin solche spindeldürren, verhungernden Modelle zeigen.

 

Aber. Aber diese Jugendlichen sind aus Gründen so fett geworden, auf die der Film nicht eingeht. Wenn wir unaufhörlich für diese Jugendlichen beim Zuschauen Partei ergreifen, weil man so nicht mit ihnen umgehend darf, und uns sogar daran erfreuen, daß sie ihren Peinigern eins auswischen und heimlich abends in den Betten gemeinsam Freßorgien feiern, dann stimmt was nicht, denn natürlich müssen sie abnehmen, dies Jugendlichen. Aber nicht so. Dieser Zwiespalt bleibt und verunsichert den Zuschauer, wozu der Film eigentlich dient.

 

War bei LIEBE und GLAUBE die Einheit von Empfindung und Geschichte gegeben, so zerstreut sich das in HOFFNUNG in viele Richtungen. Diese merkwürdige 'Liebesgeschichte' Melanies mit ihrem Arzt. Daß eine 13jährige sich in den Helden des Camps verguckt, das ist das normalste der Welt. Aber, was will dieser mit ihr. Mal zeigt er sich distanziert, mal gebauchpinselt, mal schnüffelt er an ihr und ihren Klamotten herum. Aber, sagen wir uns dann, Seidl macht keinen Film über ein Mädchen, das abnehmen soll, sondern er macht konsequent einen Film aus der Perspektive dieses Mädchens.

 

Und dann und nur dann, können wir auch an diesem letzten Teil der Trilogie etwas finden, was bleibt, daß der Regisseur sich selbst zwischen Dokumentation und Fiktion so zurücknimmt, daß er dem Backfisch das Feld überläßt und die Sommer-Horrorgeschichte erzählen läßt. Wir sind sicher, später einmal hat Melanie – die gecastet wurde und so auch heißt – Gewicht verloren.

 

EVIL DEAD

 

Gekonntes Remake vom Bösen, wie es sich im Wald in einer Hütte austobt, wobei der Horror immer doller wird, diesmal die Hauptfigur Ash aber ein drogenabhängiges Mädchen mit der Kettensäge ist. .

 

 

LOVE ALIEN

 

Ein Filmtagebuch des Wolfram Huke über ein Jahr hin, wie er vergeblich versucht, endlich eine Freundin zu bekommen, die sein ungewolltes Mönchstum beendet.

 

 

DAS MÄDCHEN UND DER TOD

 

Dieter Hallervorden spielt den alten Grafen mit aller Lust am Fiessein, der seine Kurtisane nicht verlieren will, obwohl sie sich in den russischen Studenten, der sie liebt, auch verliebt. Aber die beiden können Ende des 19. Jahrhunderts nicht zusammen kommen.

 

 

MANSFELD

 

Dritter Teil der Trilogie von Mario Schneider, der als Doku das Mansfelder Land zum Thema hat und wie man in diesem Kulturraum Kind sein kann.

 

 

FIDAI

 

In dieser Dokumentation geht es um des Regisseurs Damien Ounouri Großvater und dessen politische Vergangenheit.

 

 

P.S. Am 9. Februar hatten wir von der Aufführung im Wettbewerb der Berlinale berichtet: http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/1377-paradies-hoffnung

 

Derzeit läuft im Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt am Main eine Werkschau von und über Ulrich Seidl, innerhalb der auch PARADIES HOFFNUNG aufgeführt wird: am 28. Mai um 20 Uhr. Im Anschluß diskutiert Daniel Kothenschule mit Ulrich Seidl.

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/1736-seit-2-mai-laeuft-die-reihe-des-oesterreichischen-kult-regisseurs-bis-sonntag-28-mai