Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Dezember 2019, Teil 5
Redaktion
Paris (Weltexpresso) - Hatten Sie damit gerechnet, Cédric Klapisch so schnell nach Der Wein und der Wind wieder zu treffen?
Cédrics Treue zu seinen Schauspielern ist bekannt. Ich habe natürlich aus tiefstem Herzen gehofft, dass auch ich in seinen Kreis aufgenommen werde. Am Ende der Dreharbeiten von Der Wein und der Wind habe ich ihm gesagt, ich würde alles tun, um wieder bei einem seiner Filme dabei sein zu können, egal welchen. Ich war sehr glücklich, als er mich anrief, um mit mir über EINSAM ZWEISAM zu sprechen und mir eine so spannende Figur wie Rémy angeboten hat.
Wie haben Sie auf das Drehbuch von EINSAM ZWEISAM reagiert?
Ich war sehr berührt. Es war noch nicht die finale Version und einige Aspekte in meiner Figur wurden noch geändert, aber diese „Vor-Geschichte“ der Liebe funktionierte schon. Im Gegensatz zu meinen zwei letzten Filmen gab es weniger dramatische Wendungen, weniger Überraschungen oder große Gegensätze. Es waren die kleinen Dinge, die das große Ganze ausmachten. Das liebe ich. Und das hat mich auch ein wenig geängstigt, weil ich da als Schauspieler besonders gefordert war.
EINSAM ZWEISAM markiert Cédric Klapischs Heimkehr in die Stadt. Sie sind Pariser, was halten Sie von seiner Vision der Seine-Metropole?
Ich bin mit den Filmen von Cédric groß geworden. Meine persönliche Erfahrung von Paris habe ich immer in seinen Filmen wiedergespiegelt gefunden. Als wenn er das filmen würde, was ich jeden Tag sehe. Nie kompromittierend, immer sehr echt, gut nachempfunden, ehrlich, vertraut... Ich bin sicher, viele Pariser teilen meine Meinung. Das ist das kosmopolitische Paris, das Multikulti-Paris von heute. Ein Paris mit 1.000 Gesichtern, geschaffen von den dort lebenden Menschen.
Wer ist dieser Rémy?
Ein einsamer junger Mann, Single, weit weg von seiner Familie. Er lebt in seiner kleinen Wohnung im 18. Arrondissement und ist von einer tiefen Melancholie geprägt, von einer Niedergeschlagenheit, die er selbst nicht begreifen kann. Dieser Zustand hindert ihn daran, sich mit anderen Leuten, denen er begegnet, auszutauschen. Er kommt nicht mit den Situationen klar, mit denen er konfrontiert ist. Bald reagiert sein Körper mit Symptomen, er muss sein Probleme anpacken und sich neu orientieren.
Wo lagen die Schwierigkeiten, Rémy und seine Not zu verkörpern?
Man musste erst einmal den Grundzustand finden. Nur zwei Stunden in der Nacht über einen langen Zeitraum zu schlafen, hat Konsequenzen für Körper und Geist. Ich musste eine bestimmte Fiebrigkeit herstellen, eine bestimmte Sprechweise, eine körperliche Erschöpfung, aber auch eine Unruhe. Dazu kamen noch jede Menge Gedankenwälzerei. Cédric wollte das „Nichts“ filmen. Das war für mich das Härteste, aber auch eine große Erfahrung. Da verbindet man sich total mit der Figur, im Schweigen, in der Einsamkeit, in den Gedanken. Das ist bisher die Rolle, die mich am meisten ins Innere geführt hat.
Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Viele Inspirationen sind ziemlich abstrakt oder erwachsen aus dem Inneren. Andere sind sehr konkret, aber ihre Wirksamkeit ziemlich vage. Um der Einsamkeit von Rémy wirklich nahe zu kommen, musste ich ein Fremder in einer mir unbekannten Stadt sein, also habe ich eine Zeit allein mit meinem Drehbuch in Brüssel verbracht. Eine schöne Erfahrung. Ich habe mich auch mit einem Psychotherapeuten unterhalten, der im Krankenhaus arbeitet (wie die von François Berléand gespielte Figur) und habe bei ihm eine Therapie angefangen. Ich wollte sein Arbeitszimmer sehen, meine stockenden Sätze am Anfang hören, meinen Gedanken beim Gehen lauschen. Aber nach einigen Sitzungen habe ich gemerkt, dass ich statt von mir zu sprechen, versuchte, mich in Rémy hineinzuversetzen und mich darüber ausschaltete. Da habe ich dann aufgehört.
Haben Sie vor den Dreharbeiten tatsächlich Klettertouren unternommen?
Ja. Da merkt man, dass Cédric Maßarbeit liefert. Es ist wirklich sehr lohnend. Bei unserer Diskussion einige Monate vor Drehbeginn kamen wir auf das Verhältnis zwischen Geist und Körper im Sportkontext zu sprechen und wie der Zustand der Seele die Leistung beeinflusst. Er wusste, dass ich klettere und für mich kristallisiert sich dadurch diese Beziehung am besten heraus. In der folgenden Drehbuchversion wurde Rémy Kletterer. Das ergab Sinn, weil er aus dem Gebirge stammt und entsprach der urbanen Version seiner jugendlichen Leidenschaft.
Sie stehen im Rampenlicht, schätzen Sie dennoch, wie Rémy, die Anonymität der Metropole?
Es ist leider so, dass – wenn man 30 Jahre in Paris gelebt hat und einen Beruf ausübt, in dem man ständig mit Leuten zu tun hat, die oft selbst Pariser sind – es schwierig ist, niemanden zu treffen, den man kennt. Im Gegenteil dazu lebt Rémy eine moderne Form der urbanen Einsamkeit. Damit kann ich mich auch identifizieren. In einer von ständiger Kontaktflut und Vollautomatisierung geprägten Gesellschaft werden die einfachen und alltäglichen Beziehungen zwischen den Menschen immer seltener. Das schafft Isolation und neue Neurosen... Ein zeitgemäßes Leiden, gegen das sich Cédric subtil auflehnt.
Sie arbeiteten das zweite Mal unter der Regie von Cédric Klapisch. Hat das die Arbeit erleichtert?
Ich habe nicht den Eindruck, dass es das erste Mal schwierig war! Es ist bemerkenswert, wie Cédric jeden Film wie seinen ersten Film angeht! Natürlich kann er sich auf seine Erfahrungen stützen, und er hat schon einen „Stil“, aber ich glaube, dass er sich eine selten gewordene geistige Offenheit bewahrt hat. Dass er eine Kamerafrau engagierte, die noch nie einen Langfilm gedreht hat, sagt doch schon alles. Die Richtung ist definiert, aber es gibt keine vorgefassten Ideen. Das ist sehr angenehm. Ich habe den gleichen unglaublichen Sinn für Beobachtung, das gleiche Wohlwollen und die gleiche Genauigkeit wiedergefunden wie beim ersten Mal.
Während einer sehr lustigen Szene treffen Sie ihren Freund Pierre Niney. Wie lief die Szene ab?
Schon beim Lesen des Drehbuchs habe ich mich halb tot gelacht! Als Cédric mir von der Idee erzählte, Pierre die Rolle anzubieten, fand ich das perfekt. Nicht nur weil Pierre etwas aus dieser Figur machen würde. Wir sind eng befreundet und zwei Charaktere zu spielen, die es im Film absolut nicht sind, fand ich genial. Pierre war sofort einverstanden. Die Ausgangsbasis war das Drehbuch. Um die Texte herum haben wir improvisiert. Und Cédric hat dann die Szene neu geschrieben und unsere Improvisationen einbezogen.
Und wie war es mit François Berléand?
Das waren zwei heftige Tage. Alle Szenen spielten in seinem Arbeitszimmer. Schlüsselszenen, die den Akzent des Films betonen und die Entwicklung von Rémy zeigen. Mit François zu spielen, empfand ich als Riesenglück. Sein Blick auf Rémy, seine außerordentliche Genauigkeit selbst in den kleinesten Dingen, haben diese Szenen getragen.
War es nicht frustrierend bei den Dreharbeiten Ana Girardots Weg immer nur zu kreuzen, ihre Schwester in Der Wein und der Wind?
Sicherlich. Aber zugleich hat diese Frustration eine Art der Spannung während der Dreharbeiten aufgebaut, die uns bis zum letzten Tag geleitet hat, als wir die Tanzszene drehten. Das ganze Team und die Komparsen konnten endlich unserem Treffen zusehen. Ein starker Moment. Die Verlegenheit unserer ersten Blicke, unser unbeholfenes Lachen, das alles ist nicht gestellt und auch darauf zurückzuführen, dass Cédric sich diese Szene bis zum Schluss aufbewahrt hat.
Da Sie nicht bei den Szenen mit Ana Girardot dabei waren, wussten Sie nicht, was Sie im fertigen Film erwartete. Was war Ihre Reaktion nach der Vorführung?
Es fällt mir immer noch schwer, mich auf der Leinwand zu sehen, und meine Haltung einem Film gegenüber ist immer voreingenommen, wenn ich mitspiele. Die Szenen, die ich auf der Leinwand sehe, erinnern mich immer an die Dreharbeiten... Dennoch war ich sehr berührt am Ende von EINSAM ZWEISAM. Zwischendurch habe ich gelacht, ich fand den Film sehr schön. Das Gute war, dass der Film sich in zwei Teile aufteilt und ich mich in 50% der Zeit auf den Teil mit Mélanie konzentrieren konnte, die ich übrigens größtenteils neu entdeckte.
Um mal die Klassifizierung der von Eye Haïdara gespielten Figur aufzunehmen: Sind Sie mehr der Hamburger-, Cheeseburger- oder Nugget-Typ?
Ich bin ein Taco-Typ.
Foto:
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Info:
BESETZUNG
Ana Girardot Mélanie
François Civil Rémy
Camille Cottin Mélanies Psychiaterin
François Berléand Rémys Psychiater
Simon Abkarian Mansour