Bildschirmfoto 2019 12 26 um 13.22.17Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Dezember 2019, Teil 12

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Solch fulminanten Beginn sah ich noch nie! Daß ein junger Mann, hier in Japan, in einem Schlitten extrem schnell und gefährlich über die Straßen und vor allem die Straßenkreuzungen brettert, das wäre für Filme ja eher normal. Aber dann beugt sich vom Rücksitz die dort liegende verwundete Frau unter lautem Schreien nach vorne, zieht den Fahrer nach hinten, so daß er nicht mehr steuern kann, der Wagen rast führerlos durch belebtes Gebiet, ein Mensch geht auf die Straße, man befürchtet schon das Schlimmste, doch überraschend bremst der Fahrer abrupt. Augenblicklich hält der Wagen und die Frau saust waagerecht durch die Fensterscheibe und setzt genauso waagerecht den Flug fort, bis sie den stehengebliebene Mann auf der Straße trifft, diesen umstößt und auf ihm zu liegen kommt.

Und dann? Sie schaut ihn verliebt an? Murmelt Worte. Er nimmt sie in den Arm. Keine Erklärung. Aber doch. Am Schluß wiederholt sich die Szene, geht noch leicht darüberhinaus und dann verstehen wir alles. Raffiniert, mit subtilem und auch derbem Humor ist das alles, aber auch ganz schön gewalttätig. Japanisch.

Der Trick des Films, der gekonnt in Gang gesetzt wird und diese Konstruktion mühelos durchhält, besteht darin, daß sich drei Handlungsstränge immer wieder verwickeln, besser: Drei Männern, die sich nicht kennen, haben innerhalb weniger Stunden immer wieder zufällig miteinander zu tun, was Lawinen an Problemen auslöst. Und wenn von Trick gesprochen wurde, soll darauf verwiesen werden, daß hier nicht drei Erzählstränge, wie im Pressetext so schön formuliert ist, er läßt „die drei Leben seiner unwissenden Protagonisten wie Schnellzüge aufeinander zu rasen“, aufeinandertreffen, sondern daß vielanspruchsvoller im Verlauf dieser wenigen Stunden diese drei Männer immer wieder aufeinandertreffen und unwissentlich das Leben der anderen derart beeinflussen, daß am Schluß alles aus dem Lot ist – aber auch jetzt erst die Chance da ist, zu verstehen, was passiert und darauf adäquat zu reagieren.

Kurzfassung: Es geht um Hiroshi, einen mittelalter Popsänger, der bei seinen Glitzerauftritten seine ausschließlich weiblichen Fans in mittleren Jahren zu Tränen rührt. Es geht um Takeru, den Jüngsten, der Taxifahrer ist und der mit seiner Freundin unterwegs in einen versuchten Raubüberfall von Maskierten gerät, in dem seine Freundin so schwer angeschossen wird, daß sie nun im Krankenhaus im Komma liegt und er sie ständig besucht. Es geht um Tetsuo, dem wir zusehen, wie er gerade das Gefängnis verläßt und auch zusehen, wie er bald wieder hineinkommt, weil seine erste Handlung, als er einen Kumpel aufsucht, der ihn dumm, sehr dumm anmacht, mit dem Hammer niederschlägt. Den Hammer zieht er aus seiner hinteren Gesäßtasche und verwahrt ihn auch darin wieder. Er wird ihn noch öfter brauchen.

Das ist die Ausgangssituation, die man vom Ende her sehr einfach beschreiben kann. Aber wir hatten uns die Mühe gemacht, die Szenen in ihren Verwicklungen nachzuvollziehen, also die Gedankenarbeit des Drehbuchschreibers und Regisseurs nachzuvollziehen, was der Zuschauer unbewußt ja tut. Das soll im folgenden Artikel geschehen.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
Keine Angst, wir sehen keinem Mord zu! Dies ist nur das Messer mit roter Farbe beim Schneiden eines Granatapfels!
© Verleih

Info:
JAM
Japan/Deutschland 2018, OmdtU
Weltpremiere: Genre: Fassung: Länge:
FSK:
Tokyo International Film Festival 2018 schwarze (Gangster-)Komödie Japanisch mit deutschen Untertiteln 102 Minuten

STAB UND BESETZUNG
Regie & Drehbuch: Produzenten: Co-Produzenten: Darsteller:
SABU
LDH Pictures
Stephan Holl, Antoinette Koester Sho Aoyagi (Hiroshi)
Keita Machida (Takeru) Nobuyuki Suzuki (Tetsuo)
u. v. m.