f intrige1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. Februar 2020 Teil 12

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - INTRIGE erzählt die Geschichte der Dreyfus-Affäre aus der Sicht eines vergessenen Helden, Oberst Picquart, den Sie im Film spielen. War Ihnen diese wenig bekannte Schlüsselfi gur zuvor ein Begriff?

Die Dreyfus-Affäre stellt ein großes historisches Ereignis dar, das die französische Gesellschaft tief spaltete. Wir haben uns alle schon darauf bezogen und glauben, dass wir mit dem Thema vertraut wären, aber wissen eigentlich wenig darüber. Der Film erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Georges Picquart. Ich kannte dessen Geschichte vorher nicht. Picquart war der jüngste Oberstleutnant aller Zeiten. Er kam aus dem Elsass, genau wie Dreyfus. Der Fall Dreyfus brachte Picquart in einen Konfl ikt zwischen seiner Loyalität zur Armee und der Wahrheit. Zu dieser Zeit dominierten der katholische Glaube und eine antisemitische Stimmung in Frankreich – einem Land, in dem die Armee eine zentrale Rolle innehatte. Picquart stand zwischen seinem moralischen Gewissen und seinem Pfl ichtbewusstsein. Mit aufkommenden Zweifeln an Dreyfus‘ Schuld hatte er den Mut, seine Karriere für die Wahrheit zu opfern. Ich habe bereits dramatische Rollen gespielt, aber dieser Charakter bot eine neue Intensität und Subtilität.


Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Ich habe mich mit viel Liebe zum Detail vorbereitet, den Text sehr genau gelernt, damit ich auf die Regieanweisungen möglichst präzise reagieren konnte. Ich tauchte für zwei Monate ganz in den Text ein, schottete mich ab und arbeitete mit einem Schauspielcoach. Ich probte, bis mir schwindelig wurde, damit ich komplett sicher in der Rolle war. Da Roman ein sehr technischer Filmemacher ist, musste ich auch so beim Spielen sein. Ich musste eine unterdrückte Wut verkörpern, eine kontrollierte Emotion, die selten von Schauspielern verlangt wird. Man muss textsicher sein, präzise spielen und fl exibel sein, um die Regieanweisungen umsetzen zu können. Der Text von INTRIGE ist sehr literarisch und voller Tücken. Man muss in der Lage sein, ihn zu kauen, schlucken und wiederzugeben ohne nachzudenken. Hätte mir Roman diese Rolle vor fünf Jahren angeboten, wäre ich mir nicht sicher gewesen, ob ich es gewagt hätte, sie anzunehmen. Zu meiner eigenen Überraschung befand ich mich tatsächlich in einem extrem konzentrierten und fokussierten, fast meditativen Zustand und das gefi el mir.


Unter welchen Bedingungen wurde der Film gedreht?

Wir filmten von November 2018 bis Ende April 2019, fast 75 Tage. Es war ein sehr langer Dreh, das ist ungewöhnlich. Fast sechs Monate lang führte ich ein klösterliches, strenges Leben, das manchmal der emotionalen Intensität des Drehs entgegenstand. Meine markanteste Erinnerung ist die Szene im Gerichtsgebäude in Paris, der gleiche Ort, an dem General Pétains Verhandlung 1945 abgehalten wurde, in der der ehemalige Staatschef wegen Hochverrats verurteilt wurde. Während dieser Szene stand ich vor 400 Statisten. Das löste einmalige Emotionen aus.


Sie haben zum ersten Mal mit Polanski gearbeitet. Wie sind Sie an die gemeinsame Arbeit herangegangen?

Roman ist ein Filmschaffender, der von sich selbst die gleiche Präzision wie von anderen verlangt. Er hat bildende Kunst studiert und kreiert Aufnahmen wie Gemälde. Jedes Detail muss perfekt sein. Die Vorhänge im Raum, ein Ast im Wald und so weiter. Er arbeitet mit Hingabe zum Detail auch bei der Regie der Schauspieler. Man probt eine Szene dreißig Mal, bevor sie gefi lmt wird, damit sie glaubwürdig erscheint.

Roman ist eine komplexe und anspruchsvolle Person, er lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. Er muss das Projekt bis zum Ende durchziehen. Er muss rausgehen und die Wahrheit finden. INTRIGE ist für ihn ein grundlegender Film, genau wie DER PIANIST. Es geht nicht darum, einen Film zu machen: Er lebt seine Geschichte und nimmt uns mit. Ich liebe das. Und ich bin da, um der Geschichte zu dienen.


INTRIGE ist facettenreich und nicht nur ein Historienfi lm. Wie würden Sie das beschreiben?

Polanski ist als Filmschaffender von einer Frage besessen: wie kann er die Handlung straffen und den Film verdichten, bis alles, was übrigbleibt, reine Substanz ist. Er ist kein Freund prätentiöser und langweiliger historischer Nachstellungen. INTRIGE ist ein kompromisslos moderner Film, ein Thriller seiner Zeit. Er ist ungewöhnlich. Es ist auch ein notwendiger Film bedingt durch diese Zeit. Wir mussten Szenen drehen, in denen Menschen Zolas Bücher auf der Straße verbrennen wegen seiner Unterstützung für Alfred Dreyfus. Die Szenen wurden nur zwei Tage, nachdem ein antisemitisches Graffi ti auf die Bäckerei „Bagelstein“ in Paris gesprüht wurde, gedreht. Während der gesamten Produktion waren wir uns der gegenwärtigen Stimmung bewusst, in der der Antisemitismus verschiedene Gesichter angenommen hat. Es ist ein Film, der in der Schule gezeigt werden sollte: Er zeigt Mut und Integrität.

Foto:
© Verleih

Info:
Originaltitel J‘ACCUSE
Laufl änge 132 Minuten
Land/Jahr Frankreich, Italien 2019
FSK ab 12 Jahren beantragt
Kinostart 6. Februar 2020

Regie Roman Polanski
Buch Robert Harris, Roman Polanski
Nach dem Bestseller „Intrige“ von Robert Harris
Mit Jean Dujardin, Louis Garrel,
Emmanuelle Seigner, Grégory Ga

Abdruck aus dem Presseheft, das Interview ist im Heft ein Auszug