Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. November 2011, Teil 1

 

von Romana Reich 


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein Tausendsassa, dieser urbayerische Werner Herzog, der nicht nur die wunderlichsten Filme und überbordenden Leinwände zuwege bringt, sondern jetzt auch noch als Kulturbotschafter längst vergangener Zeiten eine Sensation zuwegebrachte: das Abfilmen von prähistorischen Höhlenmalereien, also vor überlieferten Menschheitsgeschichten, nämlich vor 32 000 Jahren, mitten in Europa, im Südwesteuropa, in der Ardèche in Frankreich. Überhaupt ist der frankospanische Raum voller aufgefundener Höhlen, von denen die bekannteste vielleicht die von Lascaux ist, im Jahr 1040 gefunden und auf 17 000 bis 10 000 Jahre alt datiert.

 

DIE HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME

 

Warum gerade Herzog? Weil er im Ausland, insbesondere in der englisch- und französischsprachigen Filmwelt als das Ausnahmetalent unter den Regisseuren gilt, der Prophet, der im eigenen Land nichts gilt, oder doch zu wenig, bzw. den Experten. Aber dem deutschen Volk tümlich ist dieser volkstümliche Mensch leider nicht. Ihn selber wundert seine Popularität anderswo und er genießt sie. Er durfte in die nur ein paar Wissenschaftlern zugängige Höhle von Chauvet – genannt nach dem Entdecker 1994, der durch einen Luftzug beim Wandern darauf stieß -  hinein, mit ganz wenigen Mitarbeitern und die Felszeichnungen wie auch die Gesamtanlage filmen. Aus den anderen Höhlen weiß man, wie Menschen, ihr Atem und ihre Transpiration den jahrtausendalten Zeichnungen schaden und sich Pilze bilden, die das Höhlenklima verändern und die Bilder an den Wänden zerstören.

 

Das alles erfährt man in diesem Film auch, der einem eine Reihe von herrlich Wahnsinnigen vorführt, nämlich Menschen, die ihr Leben und ihre Leidenschaft dem Erhalt und der Deutung dieser frühesten Menschheitszeichen geben. Allein dies Potpourri ist hinreißend, das Eigentliche aber sind die Darstellungen an den Wänden und die Höhle selber mit allen Winkelzügen und Wandnischen in 3D. Anders lasse sich das Raumgefühl nicht vermitteln, war eine der wichtigsten Botschaften Herzogs. Die Zeichnungen selber sprechen für sich. Unfaßbar, wie dort achtbeinige Pferde uns glauben lassen, das seien Pferde in der Bewegung, warum denn sonst die acht Beine?

 

Viele Tiere kennen wir nur noch von Abbildungen, längst sind sie ausgestorben, Wollnashörner kämpfen, Löwen, Bären, Wölfe, und dort sieht man einen Frauenkörper, über den sich ein Bisonkopf beugt. Es liegen Knochen auf dem Boden, ein Schädel auf einem Stein, so als ob es hier eine Opferung gegeben habe. Unsere Phantasie geht mit uns durch, aber genau das soll dieser Film ja erreichen, der nicht eine Kulturdokumentation ist – doch, das ist er auch – aber darüber hinaus uns die spirituellen Qualitäten deutlich macht, die in den Abbildungen liegen und beim Schauen ein inwendiges Abgehobensein zu wege bringt: wir und diese Menschen vor 32 000 Jahren.

 

 

 

BRASCH – DAS WÜNSCHEN UND DAS FÜRCHTEN

 

Zehn Jahr schon ist er tot, Thomas Brasch, deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Regisseur, an dessen Person und Leben sich die deutsche Geschichte exemplarisch vollzieht: Exil unter den Nazis, Staatsaufbau in der DDR, Widerstand gegen die Staatsmacht kumuliert im Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, Verbote, Versagungen, 1976 Übersiedlung in die BRD mit Freundin Katharina Thalbach und Tochter, große nationale und internationale Erfolge, fast Verstummen nach 1989, Wiederaufleben Ende der 90er und nach vielen Fasttoden der Herztod 2001. Christoph Rüter hat mit Brasch viele und lange Interviews geführt und hat in diese Aufnahmen eigene Videos von Brasch hineingeschnitten wie auch filmische Dokumente von ihm, über ihn, von den Stücken und Filmen.

 

ENDLICH

 

Katja Dringenberg hat viel vorgehabt. Es sollte doch eigentlich eine Phänomenologie des Todes herauskommen bei ihren filmisch erlebbaren Besuchen von Krankenhäusern, Bestattungsunternehmen, Krematorien und Friedhöfen. Was fehlt sind massiv die Toten, bzw. die Menschen, als sie noch lebendig waren.