Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - EIN ZEITLOSER KLASSIKER, der Roman von Alfred Döblin aus dem Jahr 1929: „Von einem einfachen Mann wird hier erzählt, der in Berlin am Alexanderplatz als Straßenhändler steht. Der Mann hat vor, anständig zu sein, da stellt ihm das Leben hinterlistig ein Bein. Er wird betrogen, er wird in Verbrechen reingezogen. Zuletzt wird ihm seine Braut genommen und auf rohe Weise umgebracht. Ganz aus ist es mit dem Mann Franz Biberkopf.
Am Schluss aber erhält er eine sehr klare Belehrung: Man fängt nicht sein Leben mit guten Worten und Vorsätzen an, mit Erkennen und Verstehen fängt man es an und mit dem richtigen Nebenmann. Ramponiert steht er zuletzt wieder am Alexanderplatz, das Leben hat ihn mächtig angefasst.“ - Umschlagtext der Erstausgabe von 1929
Der 1929 erschienene Roman „Berlin Alexanderplatz“ ist das bedeutendste Werk und der größte Erfolg des deutschen Schriftstellers Alfred Döblin (1878–1957). Innerhalb von vier Jahren nach der Erstveröffentlichung erreichte die bahnbrechende Milieustudie – Untertitel: „Die Geschichte von Franz Biberkopf“ – 50 Auflagen. Bis heute wird Döblins Name fast ausschließlich mit dem innovativen Großstadtroman verbunden, der vor allem dank seiner revolutionären Erzähltechnik als Wegbereiter der literarischen Moderne gilt.
So radikal hatte bis dahin noch keiner geschrieben: Bilder und Szenen rauschen am Leser vorbei wie ein Film – eine gigantische Collage, „wild“ montiert. Perspektiven und Stil wechseln ständig. Zeitungsschlagzeilen, Gesprächsfetzen, innere Monologe, Bibelzitate, Schlagertexte, Gossenjargon, Berliner Schnauze und Beamtendeutsch spiegeln auch auf sprachlicher Ebene die vielen Seiten der Weltstadt, in der sich Franz Biberkopf verliert.
Die schillernde Kulturmetropole der Goldenen Zwanziger spart der „geniale Amokläufer“ (Marcel Reich-Ranicki) dabei aus. Stattdessen taucht Döblin tief in den Moloch ein und widmet sich den „kleinen“ Leuten und Außenseitern der bürgerlichen Gesellschaft; Menschen, mit denen Alfred Döblin persönlich Kontakt hatte: als Nervenarzt in der Psychiatrie, später in seiner eigenen Berliner Kassenpraxis. Zu Döblins Patienten gehörten Arbeiter, Arbeitslose und Kriminelle.
1967 hielt der spätere Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass in der Berliner Akademie der Künste seine berühmte Rede „Über meinen Lehrer Alfred Döblin“, dessen „sperriges“ Werk 15 zu diesem Zeitpunkt in Vergessenheit zu geraten drohte: „Er wird Sie beunruhigen; er wird Ihre Träume beschweren. Sie werden zu schlucken haben; er wird Ihnen nicht schmecken. Unverdaulich ist er, auch unbekömmlich. Den Leser wird er ändern. Wer sich selbst genügt, sei vor Döblin gewarnt.“
1967 hielt der spätere Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass in der Berliner Akademie der Künste seine berühmte Rede „Über meinen Lehrer Alfred Döblin“, dessen „sperriges“ Werk 15 zu diesem Zeitpunkt in Vergessenheit zu geraten drohte: „Er wird Sie beunruhigen; er wird Ihre Träume beschweren. Sie werden zu schlucken haben; er wird Ihnen nicht schmecken. Unverdaulich ist er, auch unbekömmlich. Den Leser wird er ändern. Wer sich selbst genügt, sei vor Döblin gewarnt.“
1978, im Jahr des 100. Geburtstags seines Lehrers, stiftete Günter Grass den Alfred-DöblinPreis. Er wird seit 1979 an noch unveröffentlichte Autoren verliehen.
Die erste Kino-Adaption (1931)
Die erste Verfilmung entstand bereits 1931 – zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung des Romans – auf Initiative von Heinrich George, der die Hauptrolle des Franz Biberkopf übernahm. BERLIN ALEXANDERPLATZ, der zudem zu den bedeutendsten ersten Tonfilmen des deutschen Kinos zählt, ist ganz auf seinen wuchtigen Star zugeschnitten, der laut zeitgenössischer Kritik eine „grandiose Solonummer“ liefert.
Die erste Kino-Adaption (1931)
Die erste Verfilmung entstand bereits 1931 – zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung des Romans – auf Initiative von Heinrich George, der die Hauptrolle des Franz Biberkopf übernahm. BERLIN ALEXANDERPLATZ, der zudem zu den bedeutendsten ersten Tonfilmen des deutschen Kinos zählt, ist ganz auf seinen wuchtigen Star zugeschnitten, der laut zeitgenössischer Kritik eine „grandiose Solonummer“ liefert.
Alfred Döblin wirkte selbst am Drehbuch mit, da ihn die stilistischen Möglichkeiten des Mediums Film reizten. In der Zeitung Film-Kurier merkte der Schriftsteller an, dass der Tonfilm „Franz Biberkopf unmittelbar sprechen lässt und daher akustisch echter ist, als es je der Roman kann“.
Der Film endet indes versöhnlicher als die Vorlage – ein Zugeständnis an die strenge Zensur. Bevor Franz sich an ihm rächen kann, wird Reinhold verhaftet und für den Mord an Mieze zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Franz ist frei und steht am Ende wieder als Straßenhändler am Alexanderplatz.
Die Filmprüfstelle erteilte 1931 zwar Jugendverbot, verlieh BERLIN ALEXANDERPLATZ jedoch das Prädikat „künstlerisch“.
Der Film endet indes versöhnlicher als die Vorlage – ein Zugeständnis an die strenge Zensur. Bevor Franz sich an ihm rächen kann, wird Reinhold verhaftet und für den Mord an Mieze zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Franz ist frei und steht am Ende wieder als Straßenhändler am Alexanderplatz.
Die Filmprüfstelle erteilte 1931 zwar Jugendverbot, verlieh BERLIN ALEXANDERPLATZ jedoch das Prädikat „künstlerisch“.
Die legendäre Fassbinder-Serie (1980)
Fast 50 Jahre später adaptierte Rainer Werner Fassbinder Alfred Döblins sozialkritisches Epos als TV-Serie in 14 Folgen. Das Enfant terrible des deutschen Films war 1980 auf dem Höhepunkt seines Erfolgs. Doch Fassbinders Mammut-Mehrteiler, „der niemals wirklich ein Fernsehfilm gewesen ist“ (Tom Tykwer) sorgte für einen Eklat.
Das Drehbuch umfasste 3000 Seiten, die Hauptrollen übernahmen Günter Lamprecht (Franz Biberkopf), Barbara Sukowa (Mieze) und Gottfried John (Reinhold). Mit einem Budget von 13 Millionen Mark war „Berlin Alexanderplatz“ seinerzeit das aufwendigste Prestigeprojekt des deutschen Fernsehens. Dennoch wurde die Serie, die wie der Roman Ende der 1920erJahre spielt, nicht etwa zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt, sondern erst ab 21.30 Uhr: zu derb, zu schmuddelig, stellenweise auch zu brutal. Das verstörende Finale mit dem Titel „Mein Traum vom Traum des Franz Biberkopf von Alfred Döblin – Ein Epilog“ verbannte man direkt ins Spätprogramm.
Die Boulevardpresse echauffierte sich, Fassbinders „Bild-Moloch“ sei eine „Millionen-Pleite“, die Fernsehzuschauer würden „um ihre Gebühren betrogen“. Zumal man über weite Strecken wenig erkennen konnte. Der Vorwurf, „Berlin Alexanderplatz“ sei fürs ÖffentlichRechtliche viel zu düster, ist durchaus wörtlich zu verstehen: Bild- und Lichtgestaltung, offenbar für die große Leinwand gedacht, waren für damalige TV-Bildschirme schlicht zu dunkel und kontrastarm.
Eine für die DVD-Edition restaurierte 15-Stunden-Fassung der Serie, in der diese technischen Mängel behoben sind, wurde auf der Berlinale 2007 präsentiert. Rainer Werner 16 Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ steht auf der „All-Time 100 Movies“-Liste des Time Magazine, (alphabetisch) flankiert von Stanley Kubricks BARRY LYNDON und Ridley Scotts BLADE RUNNER.
Foto:
Alfred Döblin
©swr.de
Rainer Werner Fassbinder
©br.de
Info:
Abdruck aus dem Presseheft
Fast 50 Jahre später adaptierte Rainer Werner Fassbinder Alfred Döblins sozialkritisches Epos als TV-Serie in 14 Folgen. Das Enfant terrible des deutschen Films war 1980 auf dem Höhepunkt seines Erfolgs. Doch Fassbinders Mammut-Mehrteiler, „der niemals wirklich ein Fernsehfilm gewesen ist“ (Tom Tykwer) sorgte für einen Eklat.
Das Drehbuch umfasste 3000 Seiten, die Hauptrollen übernahmen Günter Lamprecht (Franz Biberkopf), Barbara Sukowa (Mieze) und Gottfried John (Reinhold). Mit einem Budget von 13 Millionen Mark war „Berlin Alexanderplatz“ seinerzeit das aufwendigste Prestigeprojekt des deutschen Fernsehens. Dennoch wurde die Serie, die wie der Roman Ende der 1920erJahre spielt, nicht etwa zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt, sondern erst ab 21.30 Uhr: zu derb, zu schmuddelig, stellenweise auch zu brutal. Das verstörende Finale mit dem Titel „Mein Traum vom Traum des Franz Biberkopf von Alfred Döblin – Ein Epilog“ verbannte man direkt ins Spätprogramm.
Die Boulevardpresse echauffierte sich, Fassbinders „Bild-Moloch“ sei eine „Millionen-Pleite“, die Fernsehzuschauer würden „um ihre Gebühren betrogen“. Zumal man über weite Strecken wenig erkennen konnte. Der Vorwurf, „Berlin Alexanderplatz“ sei fürs ÖffentlichRechtliche viel zu düster, ist durchaus wörtlich zu verstehen: Bild- und Lichtgestaltung, offenbar für die große Leinwand gedacht, waren für damalige TV-Bildschirme schlicht zu dunkel und kontrastarm.
Eine für die DVD-Edition restaurierte 15-Stunden-Fassung der Serie, in der diese technischen Mängel behoben sind, wurde auf der Berlinale 2007 präsentiert. Rainer Werner 16 Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ steht auf der „All-Time 100 Movies“-Liste des Time Magazine, (alphabetisch) flankiert von Stanley Kubricks BARRY LYNDON und Ridley Scotts BLADE RUNNER.
Foto:
Alfred Döblin
©swr.de
Rainer Werner Fassbinder
©br.de
Info:
Abdruck aus dem Presseheft