Geheime GartenSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Oktober 2020, Teil 7

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die 10jährige Mary Lennox (Dixie Egerickx) lebt 1947 während der Umbruchszeit in Indien. Als ihre beiden Eltern während einer Cholera-Epidemie sterben wird die privilegierte Waise zusammen mit anderen englischen Kindern per Schiff nach England geschickt, damit sie bei ihrem Onkel Archibald Craven (Colin Firth) leben kann.

Sie wird von der unfreundlichen und wortkargen Mrs. Medlock (Julie Walters) am Bahnhof abgeholt und erhält unterwegs die Anweisungen, dass sie sich nicht im Haus herumtreiben darf. Misselthwaite Manor ist ein düsteres altes Herrenhaus in einer einsamen Gegend am Rande eines Moores in Yorkshire, das während des Krieges als Lazarett gedient hat und in dem das elektrische Licht immer mal wieder ausfällt.

Weder der Onkel, dessen verstorbene Frau Grace die Zwillingsschwester von Marys Mutter Alice war, noch Mrs. Medlock interessieren sich für das Mädchen. Sie hat eigentlich nur Kontakt zum Hausmädchen Martha (Isis Davis), die ihr allerdings klar macht, dass es nicht ihre Aufgabe ist, Mary als persönliches Kindermädchen zu dienen.

Da sich niemand um das Kind kümmert, beginnt sie sich in den vielen verschlossenen Zimmern im Haus umzusehen, außerdem stromert sie viel im nahegelegenen Wald und am Rande des Moores herum. Bei ihren einsamen Spaziergängen trifft sie auf einen streunenden Hund mit dem sie sich anfreundet. Als sie dem Hund folgt, trifft sie auf eine mit Efeu bewachsene Mauer. Als sie über die Mauer klettert, findet sie dahinter einen riesigen verwunschenen und zugewachsenen Garten.

Im Haus hört sie eines Tages Weinen aus einem der Zimmer. Dort findet sie einen etwa gleichaltrigen Jungen, der sich als ihren Cousin Colin (Edan Hayhurst) herausstellt. Nach eigener Aussage hat er einen Buckel, ist gelähmt und wird bald sterben. Mary kann allerdings keinen Buckel feststellen und hält ihn auch sonst für etwas wehleidig.

Als das Mädchen den Hund aus einer Falle am Rande des Moors befreien muss, lernt sie auch Marthas jüngeren Bruder Dickon (Amir Wilson) kennen, der sich tagsüber in der Gegend herumtreibt. Gemeinsam erkunden die beiden Kinder den geheimen Garten, der seit zehn Jahren nicht mehr betreten wurde. Durch ein Rotkehlchen findet Mary den Schlüssel zur Tür des Gartens und hinter einer Pflanzenwand auch eine Tür.

Sie beschließen auch Colin in seinem Rollstuhl mit in den Garten zu nehmen, denn es zeigt sich, dass Colins Mutter den magischen Garten angelegt hat und dass sowohl Colin als auch Mary frühere Erinnerungen an diesen Garten haben.

Langsam entwickelt sich zwischen den drei Kindern und dem Hund, den sie letztendlich Hector nennen, eine Freundschaft. Gemeinsam entdecken sie eine farbenprächtige und magische Welt, die Mary hilft, ihre eigene Mutter besser zu verstehen, und die auch Colin dazu bringt, Selbstbewusstsein zu entwickeln und Versuche zu unternehmen, den Rollstuhl zu verlassen.

Doch was wird geschehen, wenn Mr. Craven dahinter kommt, dass die Kinder den geheimen Garten entdeckt haben und sich dort regelmäßig aufhalten?


Das von Jack Thorne verfasste Drehbuch zu "Der geheime Garten" beruht auf dem gleichnamigen klassischen Jugendroman von Frances Hodgson Burnett, der 1911 als Buch erschienen ist. Die Regie des Films hat Marc Munden übernommen.

Die Popularität des Buches ist vor allem in England und Amerika so groß, dass der Stoff bereits vier Mal fürs Kino verfilmt wurde. Zudem inspirierte er ein Broadway-Stück und vier Fernsehadaptionen. Die bekanntesten früheren Verfilmungen stammen von 1949 von dem Regisseur Fred M. Wilcox, in dem die Szenen im Garten in Farbe und außerhalb in schwarz/weiß gedreht wurden, und von 1993 von der Regisseurin Agniezka Holland.

Der hier besprochene Film wurde allerdings in soweit geändert, dass die Handlung nicht - wie im Buch - zu Beginn des 20 Jahrhunderts, sondern direkt nach dem 2. Weltkrieg spielt. Dabei wurden aber die Probleme, die durch die Teilung Indiens und Pakistans aufgetreten sind, nur am Rande angesprochen. Auch dass das Herrenhaus während des Krieges als Lazarett gedient hat, wird nicht ausführlich behandelt. Man sieht allerdings, dass Mr. Craven immer wieder zurückgebliebene Gegenstände aus dem Haus wirft.

Wie schon vorher betont, nimmt sich die neue Adaption große Freiheiten bei der Erzählung heraus. So wird z.B. der Unfalltod von Cravens Frau in eine fortschreitende Krankheit umgewandelt, daneben wird der Garten zu einem magischen Ort, den nicht die Kinder wieder in Ordnung bringen, sondern in dem Pflanzen blühen und im Handumdrehen wieder verwelken. Das macht den Garten unwirklich und zauberhaft, er ist eher ein mystisches Wunderland als ein gepflegter englischer Garten. Dass dabei nicht alle Pflanzen echt sind, sondern im Computer entstanden sind, mag man kritisieren, es stört aber eigentlich nicht.

Technisch ist der Film ganz sicher gelungen, denn da sind zum einen die zauberhaften, sonnendurchtränkten und lustvollen Aufnahmen des Gartens. Wenn Mary, Colin und Dickon zwischen halb verdorrten Blumen und riesigen Blättern entlanglaufen, und sich dabei die Blüten öffnen und farbenprächtige Landschaften entstehen, wird die Magie des Gartens auch für den Zuschauer spürbar. Natürlich gibt es auch einen Bach, einen Teich, in dem die Kinder baden, eine Ruine und einen geheimnisvollen Baum mit einer Schaukel, der in der Erinnerung von Mary eine große Rolle spielt. Dazwischen gibt es auch immer wieder kleine Szenen, in denen z.B. Äste Mary beim Klettern über die Mauer unterstützen oder Rosen, die sich in Richtung der drei Hauptfiguren bewegen.

Daneben taucht ein Rotkehlchen immer wieder auf, dem man zwar die Herstellung im Computer anmerkt, das aber wie im Buch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat, denn durch den Vogel findet Mary den Schlüssel zum verborgenen Gartentor.

Neben dem sonnigen Garten spielen aber große Teile des Films im unwohnlichen, dunklen und kalten Herrenhaus und dessen genauso unfreundlicher Umgebung, z.B. im nahe gelegenen Moor mit den andauernden Nebelschwaden, die es dem Zuschauer unmöglich machen, in die Ferne zu sehen. Dazu gibt es viele düstere Szenen, die auch aus einem Horrorfilm stammen könnten, z.B. während Mary sich im Haus umsieht. Es gibt aber auch sehr ruhige Momente, in denen sich alle drei Kinder mit dem Thema Tod auseinandersetzen müssen, denn nicht nur Mary und Colin haben einen Verlust erlitten, sondern auch Dickons Vater ist verstorben.

"Der Geheime Garten" ist eine Story über die Trauer, wie sie uns verwundet und wie wir mit der richtigen Betreuung wieder zu einem lebenswerten Leben zurück kehren können. Dies kann sicher Colin Firth als Archibald Craven deutlich besser darstellen als die jungen teilweise recht unerfahrenen Darsteller. Colin Firth kann seiner Rolle neben der Arroganz auch eine wunderbare Sensibilität verleihen. Er bietet mit wenig Dialog und nur in einer Handvoll Szenen dem Publikum einen tiefen Einblick in Cravens Trauer nur mit seinen Augen und einem gemurmelten Wort.

Aber auch die jungendlichen Darsteller machen ihre Sache gut, denn man nimmt ihnen sehr wohl die Entwicklungen ab und erkennt, dass auch sie ihren Frieden gefunden haben, auch wenn sie natürlich noch nicht die schauspielerischen Fähigkeiten des Oscar-Preisträgers haben. Dabei werden bei Mary die Probleme eigentlich mehr durch ihre Träumereien über ihre Vergangenheit dargestellt, die immer wieder in den Filmverlauf eingestreut werden und die sich vor allem durch die leuchtenden Farben vom Rest des Films abgrenzen, die auch deutlich sonniger sind als die Farben des Gartens.

Dass auch das Ende des Romans geändert wurde, mag man negativ sehen, aber jeder Drehbuchautor und jeder Regisseur hat das Recht, den Film den Gegebenheiten und dem Zeitgeschmack anzupassen. Vor allem die Wandlung der Charaktere am Ende ist dann doch etwas spektakulär geraten.

Regisseur Marc Munden nimmt den klassischen literarischen Jugendroman von Frances Hodgson Burnett als Vorlage und interpretiert ihn in einem neuen filmischen Licht, denn er adaptiert die vor allem in angelsächsischen Ländern sehr bekannte Erzählung für eine neue Generation von jungen und älteren Zuschauern. Auch wenn der Film manchmal kleine Längen hat, schafft er es doch, mit seinen visuell magischen Bildern, seiner von Herzen kommenden Sentimentalität und seinen thematischen Schwerpunkten bezaubernd zu wirken.

Der Film wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet, da die magische Welt der Vorlage perfekt in die Filmsprache übersetzt wird. Dabei sind die Figuren ambivalent gezeichnet, denn keiner der Charaktere ist wirklich böse, es gibt kein Schwarz und Weiß und die Konflikte werden ernst genommen.

Insgesamt ist "Der geheime Garten" trotz einer etwas überladenen Geschichte ein gelungener Jugendfilm, der auch die düsteren Seiten nicht auslässt und sie auch für Kinder verständlich verpackt. Das macht den Film auf jeden Fall für die ganze Familie sehenswert.

Foto: v.l.n.r.: Colin (Edan Hayhurst), Dickon (Amir Wilson) und Mary (Dixie Egerickx) genießen ihren Lieblingsplatz im geheimen Garten © Studiocanal GmbH

Info:
Der geheime Garten (Großbritannien 2019)
Originaltitel: The Secret Garden
Genre: Fantasy, Literaturverfilmung, Kinder- und Familienfilm
Filmlänge: 99 Min.
Regie: Marc Munden
Drehbuch: Jack Thorne nach dem gleichnamigen Roman von Frances Hodgson Burnett (1911)
Darsteller: Dixie Egerickx, Edan Hayhurst, Amir Wilson, Colin Firth, Julie Walters, Isis Davis u.a.
Verleih: Studiocanal GmbH
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 15.10.2020