Überprüfung einer literarischen Behauptung

Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Zum 100. Geburtstag von Friedrich Dürrenmatt sendete 3sat am Samstag, 9.1. ab 20.30 Uhr an einem Abend nacheinander Verfilmungen von:  „Das Versprechen“ mit Jack Nicholson, "Justiz“ mit Maximilian Schell und "Der Besuch der alten Dame“ mit Christiane Hörbiger.  Im mittleren Film sprach Maximilian Schell Dürrenmatts Schlüsselsatz: „Denken macht den Menschen aus, nicht Handeln.“

 

Dürrenmatt 1: Am Tag seiner Pensionierung verspricht der Polizist Jerry der Mutter eines ermordeten Mädchens „bei seinem Seelenheil“, den Täter zu fassen. Die Jagd nach dem Mörder wird zu seinem Lebensinhalt. Wir haben ihn als einen in den Ruhestand verabschiedeten Hobby-Angler kennengelernt. Als solcher folgt er der Methode, einen großen Fisch mit einem kleinen Fisch zu fangen. Er beginnt, die kleine Tochter einer ihm vertrauenden Bekannten zu benutzen, um mit ihr den Mörder zu ködern. Die alten Polizei-Kollegen lassen sich noch einmal auf Jerry's Plan ein. Als der Mörder nicht in ihrer Falle erscheint, informieren sie die ahnungslose Mutter, die entsetzt Jerry mit ihrer Tochter für immer verlässt. Der Zuschauer lernt noch, dass der heimkehrende Polizei-Konvoi an einer Unfallstelle aufgehalten wird. Das Auto des Mörders und sein Fahrer sind beim Aufprall auf einen havarierten Langholz-Transporter verbrannt. Jerry kann nicht mehr denken. Wir verlassen ihn als ein brabbelndes, sich an den Kopf schlagendes menschliches Wrack.

Dürrenmatt 2: Der reiche Züricher Regierungsrat Kohler erschießt in einem Restaurant einen Mann. Er will einen jungen Anwalt dazu bringen, entgegen aller Beweise einen anderen Restaurantgast als Täter zu überführen. Und als der Anwalt, selber Zeuge der Tat, sich weigert, sagt der sich seiner Sache sichere Kohler diese zwei Sätze: „Denken macht den Menschen aus, nicht Handeln.“ „Handeln kann jeder Ochse.“ Das ausgedachte Szenario, die drei Vergewaltiger seiner Tochter selbst zu töten und dafür nicht bestraft zu werden, funktioniert. Als am Ende der junge Verteidiger handelt, ist sein auf Kohler gerichteter Revolver mit Platzpatronen geladen worden. Im selben Restaurant steht er vor den Handlangern des Regierungsrats wie ein „Ochse“ da.

Dürrenmatt 3: Die alte Dame nutzt ihren erworbenen Reichtum, um erlittenes Leid zu rächen. Dafür manipuliert und korrumpiert sie Menschen, die schließlich für sie töten.

Als Folge ihres Denkens enden alle Handlungen als Tragödie.

Weshalb?

Das Denken der Protagonisten bleibt jeweils bestimmt durch Eigeninteresse!



Bei einer Debatte der Dürrenmatt-Filme wurde ein Satz von Erich Kästner dagegen gesetzt:

„Es gibt nicht Gutes, außer man tut es“?

So kennen wir dieses Zitat. Aber wie hat das Kästner tatsächlich aufgeschrieben?

„Es gibt nicht Gutes. Außer man tut es.“

Er hat bewusst einen Punkt dazwischen gesetzt. Die erste Aussage ist definitiv:


„Es gibt nichts Gutes.“


Und erst dann kommt die erfreuliche Mitteilung:

„Außer man tut es.“


Fotos:
© DLFkultur / 3sat / orf.at

Info:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_D%C3%BCrrenmatt
https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_K%C3%A4stner
https://www.3sat.de/film